Lilienthal. Etwas mehr als drei Jahre nach seinem letzten Besuch wird Mike Frank wieder in Lilienthal erwartet: Der Sohn des jüdischen Fotografen Julius Frank reist in der kommenden Woche aus den USA an. Der 79-Jährige wird dabei sein, wenn am 27. Januar - dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus - vor dem einstigen Fotogeschäft seiner Familie an der Hauptstraße 44 Lilien niedergelegt werden. Die beiden bronzenen Stolpersteine, die dort ins Pflaster eingelassen sind, tragen die Namen des Vaters und des Onkels, die unter der Naziherrschaft gelitten haben. Julius Frank hatte das Land 1936 verlassen, nachdem er in Lilienthal ausgegrenzt worden war und sein Geschäft weit unter Preis verkaufen musste.
Mike Frank ist vom Bremer Senat zu einem Besuch eingeladen worden, nachdem im Focke-Museum die Ausstellung "Julius Frank - eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika" eröffnet worden ist. Die Grundlage dafür bildet der Nachlass, den Mike Frank und seine Schwester Barbara dem Museum anvertraut haben. Eine Kiste mit alten Fotos und Unterlagen kam 2021 aus den USA in Bremen an. Im Bremer Rathaus weiß man die Geste der Versöhnung zu würdigen: Bürgermeister Andreas Bovenschulte wird Mike Frank in der kommenden Woche im Rathaus empfangen.
Vortrag über Wiedergutmachungsverfahren
Schon einen Tag vor der Ankunft ist am Dienstag, 24. Januar, ein Vortrag im Focke-Museum zu hören, der sich mit dem Wiedergutmachungsverfahren beschäftigt, das Julius Frank nach dem Krieg von den USA aus angestrengt hatte. Was ihm dabei widerfuhr, hat Miriam Röttger in einer Masterarbeit an der Universität Oldenburg aufgearbeitet. Ab 19 Uhr wird sie darüber berichten.
Am 26. Januar wird sich Mike Frank im Laufe des Vormittags zunächst die Julius-Frank- Ausstellung ansehen und später mit dem Team unter der Leitung von Karin Walter zusammenkommen, das die Präsentation erarbeitet hat. Danach wird der Ehrengast im Bremer Rathaus erwartet. Abends steht ab 18 Uhr im Museum eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Wege der Erinnerung" auf dem Programm, bei der die Volkshochschule Lilienthal und das Museum kooperieren.
Die drei aktuell laufenden Ausstellungen sollen zum Anlass genommen werden, sich mit der Erinnerungskultur auseinander zu setzen. Experten wollen darüber diskutieren, welchen kuratorischen Herausforderungen Museumsmacher beim Umgang mit der NS-Geschichte gegenüber stehen. Auch geht es um die Frage, wie die Opfer der Verbrechen angemessen im Ausstellungskontext repräsentiert werden können oder wie die historischen Zusammenhänge und ihre bis in die Gegenwart reichenden Auswirkungen einer jungen Generation vermittelbar sind. Auf dem Podium werden John Gerardu, Katrin Rickerts, Olaf Schlote, Karin Walter, Jan Werquet sitzen. Auch Mike Frank wird erwartet.
Treffen im Heimatmuseum
Die Gemeinde Lilienthal will zusammen mit dem Heimatverein am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus gedenken: Um 11 Uhr sollen auf den Stolpersteinen vor dem Atelier Kühn, dem ehemaligen Atelier des Fotografen Julius Frank, Blumen niedergelegt werden. Diesmal wird auch Mike Frank dabei sein. Anschließend zeigt der Heimatverein Lilienthal in seinen Räumen an der Feldhäuser Straße den historischen Film vom Festumzug anlässlich der 700-Jahr-Feier 1932, den Julius Frank gedreht hat. Den 15-minütigen Film kennt Mike Frank noch nicht, der Film gibt unter anderem Einblick in das alte Lilienthal. Sowohl die Blumenniederlegung vor dem Geschäft an der Hauptstraße und das Treffen im Heimatmuseum sind öffentlich.