Osterholz-Scharmbeck. Ob Acker-Witwenblume, Flockenblume, Wiesen-Margerite, Malve, Wiesen-Salbei, Origanum, Königskerze oder Kartäuser-Nelken – heimische Stauden stehen bei Gartenbesitzern hoch im Kurs. Sie haben das Zeug, Rhododendron, Scheinzypresse und Kirschlorbeer auf diesem Terrain zurückzudrängen. In dieser Annahme sehen sich auch die Stadtplaner aus dem Rathaus angesichts des Interesses bestätigt, auf das ihre jetzt gerade beendete Stauden-Aktion stieß. „Wir haben mit 500 Bewerbern kalkuliert, aber es sind annähernd 1000 geworden. Darüber haben wir uns sehr gefreut", berichtete Frank Wiesner, Leiter des Bauressorts. Trotz des beschränkten Budgets können immerhin über 800 Osterholz-Scharmbecker Haushalte mit Stauden-Paketen bedacht werden. Die mehrjährigen Blütenpflanzen, die eine hochwertige Nahrungsquelle für Insekten darstellen, werden zum Nulltarif abgegeben. Wiesner und sein Mitarbeiter Frieder Lüße hoffen auf Multiplikatoreffekte. Die farbenfrohen Dauerbrenner sind nicht nur äußerst nützlich für die Erhaltung der Artenvielfalt. Sie würden von Jahr zu Jahr schöner und seien pflegeleicht, versichert Lüße, in seinem ersten Berufsleben Gärtnermeister. Auf Dauer sogar pflegeleichter als ein Schottergarten.
Für die Finanzierung der kostenlosen Stauden-Abgabe und die ähnlich angelegte und ebenfalls erfolgreiche Sträucher-Aktion (500 Haushalte beliefert) aus dem vergangenen Jahr hatte der Stadtrat eine Summe von 20.000 Euro genehmigt. Osterholz-Scharmbeck lässt es sich was kosten, Wildbienen und Schwebfliegen an die „Futtertröge“ zu locken, mit blühenden Beeten, die auch eine Augenweide für die Bürger sind. Dafür bietet sich natürlich in erster Linie städtischer Grund und Boden an. „Wir haben damit 2013 angefangen, als der Meyerhoff-Kreisel insektenfreundlich bepflanzt wurde“, erinnert sich Wiesner. Als im selben Jahr die erkrankten Kastanien in der Straße Am Osterholze ersetzt wurden, streuten Bauhof-Mitarbeiter dort eine Wildblumensaat aus und pflanzten Strauchrosen. Für das Ufer des Scharmbecker Bachs wurde zusammen mit der Biologischen Station Osterholz das Konzept einer naturnahen Bepflanzung entwickelt. Das setzte sich peu à peu so fort. Hinter der Wurth und vor der Postfiliale am Marktplatz, an der Bahnhofstraße, beim „Rumpelstilzchen“ und auf der Marktweide entfaltet sich ebenfalls blühendes Leben.
Die auf Klima- und Artenschutz zielenden Aktivitäten seien ein Prozess, eine auf Dauer angelegte Aufgabe, erklären Lüße und Wiesner. Auch in diesem Jahr soll den Insekten was Neues blühen, zum Beispiel in Scharmbeckstotel. Botanisch „wild“ zugehen soll es demnächst bei den Ortsausgängen, auf Kompensationsflächen für Bauleitpläne und vor den Lärmschutzwänden der Bahn. Eine wichtige Rolle spielen auch Ackerrandstreifen, die von den Landwirten unter den Pflug genommen wurden, aber in städtischem Besitz sind. An dieser Stelle wird ein Interessensausgleich mit den betroffenen Betrieben ausgehandelt. Ein gelungenes Beispiel dafür ist der Wandmachersweg im Garlstedter Osten, wo am Rande eines riesigen Maisfeldes der Tisch für Wildbienen und Schmetterlinge reich und farbenfroh gedeckt ist: Vogelwicke, Wiesen-Margerite, Klatschmohn, Ferkelkraut, Wiesenbocksbart und Natternkopf gewähren Insekten Nahrung und einen Rückzugsort, den sie in der intensiv genutzten Feldflur vor allem im Sommer immer seltener finden. Auf insgesamt 35.000 Quadratmeter schätzt Lüße das Potenzial an landwirtschaftlich genutzten Flächen, aus denen die Stadt schöpfen kann. Schon jetzt seien zwischen 5000 und 8000 Quadratmeter an Ackerflächen für die insektenfreundliche Aussaat zurückgewonnen worden. 2000 Quadratmeter allein am Wandmachers Weg. Das Garlstedter Projekt geht auf eine B-Plan-Kompensation zurück.
Dass die Stadt sich mit einem ganzen Wildblumen-Katalog für den Artenschutz stark macht, ist nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Bewerbung für das Förderprogramm „Modellprojekte zur Klimaanpassung und Modernisierung in urbanen Räumen“ zu sehen, bei der sie vom CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt unterstützt wird. Gefordert von den teilnehmenden Gemeinden und Städten sind „konzeptionelle und investive Projekte mit hoher Wirksamkeit für den Klimaschutz“, außerdem hohe fachliche Qualität oder hohes Innovationspotenzial. Das Programm versteht sich als „Beitrag des Bundes zur klimaangepassten Stadtentwicklung durch eine gezielte Entwicklung von Grünflächen zur Nutzung der in urbanen Räumen lebenden Menschen“.

Wilderer am Werk: Bei der Hardlage ist die klaffende Lücke bereits für die Nachpflanzung markiert worden.
Die Stadt ist im vergangenen Dezember über die Aufnahme in das für Städte und Gemeinden bestimmte Förderprogramm informiert worden. Der Förderantrag beinhaltete drei Projektskizzen: Nachpflanzung von Bäumen, Umgestaltung von Verkehrsseitenräumen und die Rückholung von Ackerrandstreifen, Ausgabe von Sträuchern, Bäumen und Stauden an Bürger der Stadt. Die über einen Zeitraum von in der Regel vier Jahren geförderten Projekte würden mit einem Betrag von bis zu 2,7 Millionen Euro finanziert werden, von denen die Stadt einen zehnprozentigen Eigenanteil zu leisten hätte. Welche Projekte tatsächlich gefördert werden, wird auf Grundlage einer Vor-Ort-Inspektion möglicherweise noch in diesem Quartal entschieden. Ob das gewünschte Geld vom Bund nach Osterholz-Scharmbeck fließt, ist also noch nicht ausgemacht. Aber die Chancen, glaubt Wiesner, stehen so schlecht nicht.
Wilderei in städtischen Beeten
Die bunten Blüten stehen so hoch im Kurs, dass sie sogar Wilderer anlocken. Hinter der Wurth sei das im vergangenen Jahr geschehen, führt Lüße beispielhaft an. „Und an der Hardlage müssen wir demnächst ebenfalls nachpflanzen.“ Wiesner und Lüße haben kein Problem damit, wenn sich Spaziergänger im Vorübergehen einen Strauß Osterglocken pflücken, doch das Ausplündern von städtisch gepflegten Staudenbeeten ist eine andere Kategorie. Wiesner betont aber, dass ein Frevel dieser Art bisher eine Ausnahmeerscheinung ist. Die Verwendung von Stauden ist natürlich teurer als der Einsatz von Saatgut, der städtische Verlust also schmerzlicher. Stauden kommen vor allem auf kleineren Flächen zum Einsatz, während die größeren unter Verwendung von Saatgut bestellt werden. Lüße: „Stauden brauchen zunächst mehr Pflege, dafür ist der sichtbare Erfolg schneller da.“ Die mit Saatgut ins Wachstum gebrachten Pflanzen werden lediglich nach der Blüte gemäht. „Doch ganz ohne Aufsicht geht’s auch hier nicht.“
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Stauden-Auslieferung ab 10. Mai
Die von der Stadt Osterholz-Scharmbeck Mitte April ausgerufene und nun abgeschlossene Stauden-Aktion ist auf großes Interesse gestoßen. Die Pflanzen werden vom 10. Mai bis 11. Juni direkt an die jeweiligen Haushalte ausgeliefert. „Wir haben jene berücksichtigt, die zuerst bestellt hatten. Wer dieses Mal kein Glück hatte, bekommt bei der nächstmöglichen städtischen Pflanz-Aktion erneut die Chance, kostenlos Pflanzen bei der Stadt zu bestellen“, betont Frieder Lüße vom Fachbereich Stadtplanung und Bauen im städtischen Rathaus. Die bestellten Staudenpakete werden im genannten Zeitraum von Mitarbeitenden des städtischen Bauhofs kontaktlos direkt an der Pforte oder vor die Haustür der angegebenen Adresse abgelegt. Diese aufgrund der Corona-Pandemie gewählte Vorgehensweise soll eine reibungslose Auslieferung zum Schutz aller ermöglichen. Die Stauden werden voretikettiert und frei von Torf ausgeliefert. Die Verpackungen können über den „Gelben Sack“ recycelt werden. Ein Rechtsanspruch auf die bestellte Ware besteht nicht. Alle Osterholzer, die bei der Bestellung eine E-Mail-Adresse angegeben haben, werden auf diese Weise über das Vorgehen informiert. Bestellungen von Interessenten aus dem Umkreis, die nicht wohnhaft in Osterholz-
Scharmbeck sind, konnten wie angekündigt nicht berücksichtigt werden.