Landkreis Osterholz. Das aktuelle Hochsommerwetter soll sich nach jüngsten Prognosen noch eine Weile halten. Was Kinder, die ihre Ferien daheim verbringen, mit der Aussicht auf ein ungetrübtes Freibadvergnügen freuen mag, ist für die Landwirtschaft alles andere als eine gute Nachricht. Im knochentrockenen Norden rechnen die Bauernverbände mit deutlichen Einbußen für die Betriebe, sei es auf dem Sektor Viehhaltung oder im Gemüse- und Getreideanbau. „Es wird langsam brenzlig“, warnt Uwe Huljus, Geschäftsführer des Landvolk-Kreisverbandes Osterholz.
Neben vielen Menschen leidet auch das Vieh unter der sengenden Hitze. Und weil auf den ausgedörrten Wiesen kein Gras mehr wachsen will, droht zu allem Überfluss das Futter für die Rinder knapp zu werden. Die Tiere müssten noch nicht hungern, versichert Huljus. Diesen Zustand würde kein Bauer hinnehmen. In vielen Fällen müsste aber zugefüttert werden, damit die Tiere nicht darben. „Das geschieht bei der Weidehaltung, die aber aus verschiedenen Gründen rückläufig ist, im Stall, wenn die Kühe abends von der Fläche geholt werden oder zum Melken reinkommen.“
Die Landwirte müssen entweder auf Vorräte zurückgreifen, die im Vorjahr angelegt wurden, oder jetzt schon Futter zukaufen. Huljus rechnet angesichts verglühender Landschaften mit steigenden Preisen. Wenn es ganz schlimm kommt, der Regen auch in den kommenden Wochen ausbleibt, dann muss, so der Geschäftsführer, wohl oder übel der „Tierbestand runtergefahren werden“.
Mit anderen Worten: Vieh wird früher als geplant geschlachtet. Jungtiere könnten in den deutschen Süden verkauft werden, der von der Dürre weitgehend verschont geblieben ist. Selbst wenn in der kommenden Woche kräftige Niederschläge einsetzen würden, käme das für Huljus allenfalls einer Schadensbegrenzung gleich. „Auch wenn das Gras wieder wächst, wird es nicht den gewohnten Eiweiß- und Energiegehalt besitzen und am Ende Futter fehlen.“ Viele Betriebe müssen jetzt das Heu verfüttern, dass sie normalerweise beispielsweise an Pferdepensionen verkaufen.
Landwirtschaft im Wandel
Robert Habeck, Grünen-Chef und Agrarminister Schleswig-Holsteins, hat sich angesichts des „Seuchenjahrs für die Landwirtschaft“ für eine Umsteuerung zu einer flächengebundenen Landwirtschaft ausgesprochen: „Ein Betrieb sollte nur so viele Tiere haben, wie er mit dem Ertrag seiner Flächen grundsätzlich ernähren kann.“ Bauern, die weniger Kühe haben, würden dann eine höhere Prämie bekommen. So könne das „industrielle Wachstum mit zu vielen Tieren auf engem Raum und zu viel Güllebedarf samt entsprechenden Nitraten im Grundwasser“ gestoppt werden. Habeck schwebt mit Blick auf den Klimawandel eine „Obergrenze“ von zwei Kühen pro Hektar vor.
Hans Lütjen-Wellner, Biobauer im Teufelsmoor, gibt Habeck indirekt Recht. Seine 300 Rinder der Rassen Charolais und Limousin stehen von Mai bis November auf den Weiden. Weil die sich in einem Naturschutzgebiet ausbreiten, darf er rechnerisch nur 1,5 Rinder pro Hektar halten. Da fällt trotz Trockenheit genügend Grasland für die einzelnen Tiere ab. „Diese extensive Wirtschaftsweise ist unserer Natur geschuldet. Damit werden wir in diesem Jahr im Gegensatz zu vielen viehintensiven Betrieben mit einem blauen Auge davonkommen.“ Lütjen-Wellner kann sich den Hinweis aber nicht verkneifen, dass unter den genannten Bedingungen nur selten wirklich gute Erträge erzielt werden können.
Huljus gibt den Hinweis, dass das Wirtschaften auf dem Agrarsektor schon im vergangenen Jahr durch extreme Wetterverhältnisse erschwert wurde. „Da hatten wir von August an bis in den Herbst hinein ständig Regen.“ Weil die versumpften Flächen nicht befahren werden konnten, musste hohes Gras auf den Feldern überwintern. „Im Frühjahr ist also altes und junges Gras zusammen geschnitten worden, worunter die Qualität gelitten hat.“ Seither sei wenig Gras nachgewachsen. Viele Felder hätten bereits die dritte Mahd hinter sich und in der Summe so viel eingefahren „wie sonst schon im ersten Schnitt“. Neben der Vieh- und der Getreidewirtschaft ist inzwischen auch der Maisanbau in der Landwirtschaft zum bedeutenden Faktor geworden. Doch auch da müssen die Erwartungen nach unten geschraubt werden. An manchen Stellen ist zwar Regen gefallen, und auch sonst sind die Wachstumsbedingungen nicht überall gleich gut oder schlecht. Doch Huljus weiß, dass der Mais an „vielen Stellen vertrocknet ist und vorzeitig gehäckselt werden muss.“
„Ich hatte heute Erntefest“, stellte Carl-Wilhelm Rathjen am Dienstag sarkastisch fest. Da hatte er gerade Stroh reingeholt, nachdem er am Montag den letzten Weizen gedroschen hatte. „Darüber bin ich jetzt froh, denn wenn es irgendwo brennt, ist auch dieser geringe Ertrag weg.“ Bei dem Werschenreger suchen die Kühe immer wieder den Stall auf, um dort Schatten zu finden und zu fressen. „Die Situation ist katastrophal. Bis zu 60 Zentimeter Trockenrisse im Boden.“ Zum Glück könne sein Vieh von den Reserven des vergangenen Jahres zehren.
Lütjen-Wellner hat schon viele trockene Sommer erlebt. Aber an eine Durststrecke von einem Vierteljahr praktisch ohne Regen vermag er sich nicht zu erinnern. „Der Mais wächst noch an feuchten Standorten, aber ansonsten ist die Vegetation praktisch zum Erliegen gekommen.“ Auch Lütjen-Wellner wird kein Heu verkaufen können, sondern versuchen müssen, mit den vorhandenen Futtervorräten über den Winter zu kommen.