Pennigbüttel. 100 Jahre Reit- und Fahrverein Pennigbüttel – ein stolzes Jubiläum, das in diesen Tagen beim großen Pfingstturnier im Osterholz-Scharmbecker Nordwesten gefeiert wird. Der Reitverein, wie er der Einfachheit halber meistens genannt wird, hat indes zwei Mitglieder in seinen Reihen, welche die 100er-Marke in trauter Zweisamkeit längst geknackt haben. Heidi und Hinrich Wehmann bringen es in Summe auf 113 Jahre Vereinszugehörigkeit.
Es überrascht nicht, dass sich die Pennigbütteler Eheleute auf dem Vereinsgelände kennen und lieben gelernt haben. Er war bei den Ponyreitern, sie bei den Voltigierern. Heidi Wehmann kramt schmunzelnd ein altes Schwarz-Weiß-Foto hervor. Es stammt vom Tag der Trauung im Jahre 1975. Auf der einen Seite stehen die jungen Ponyreiter Spalier, auf der anderen haben sich die Voltigier-Kinder aufgestellt, von denen es damals 58 gab, nachdem Heidi Wehmann 1972 die Arbeit des Übungsleiters Erwin Gerding fortgesetzt hatte. Vom Hof zum Standesamt wurde die Braut in der Kutsche chauffiert.
Während die gebürtige Rheinländerin als Tochter eines Bäckermeisters mit sechs Jahren nach Osterholz-Scharmbeck kam (und dann nach Pennigbüttel, weil Voltigieren ihr Lieblingssport war), ist Hinrich Wehmann wie von selbst beim RuFv Pennigbüttel gelandet. Schließlich war sein 2014 im Alter von 99 Jahren verstorbener Vater lange im Vorstand des Vereins. Martin Wehmann war bis zur niedersächsischen Gebietsreform 1974 auch Bürgermeister von Pennigbüttel, nach der Eingliederung der bis dahin selbstständigen Gemeinde 1974 in die Kreisstadt Ortsvorsteher und alles in allem 45 Jahre erster Bürger Pennigbüttels. Die Amtsstube des mit dem Bundesverdienstkreuz dekorierten Gemeindeoberhaupts war das „kleinste Rathaus der Welt“, das noch heute das Wehmannsche Grundstück schmückt. Im einstigen Schweinestall, der zum Verwaltungssitz umfunktioniert wurde, werden heute prächtige Brautsträuße gebunden. Heidi Wehmanns Floristikfachgeschäft „Blumen-Rathaus“ floriert.
Mutter kochte für die Richter
Beide Eheleute haben sich längst aus der ehrenamtlichen Arbeit für den Reitverein zurückgezogen. Die einst so erfolgreichen Voltigiergruppen existieren nicht mehr, und Hinrich Wehmanns Freizeit wurde eingeschränkt, als er vom Vater stärker in den landwirtschaftlichen Familienbetrieb eingebunden wurde. Die Verbindung ist aber nie ganz abgerissen, auch dank der monatlichen Stammtische, zu dem sich die Veteranen treffen. „Und wenn Turnier ist, bin ich noch immer jeden Tag viele Stunden auf dem Dressur-Platz.“
Dann werden Erfahrungen mit den früheren Weggefährten ausgetauscht und Erinnerungen wach an die Kindheit. „Es war eine ganz andere Zeit, aber eine sehr schöne.“ Auf dem elterlichen Hof wurden während der Turniere auswärtige Reiter und deren Pferde einquartiert. Im Dorf drehte sich alles um den Pferdesport. „Es gab nichts anderes.“ Mittags rückten die Wertungsrichter mit knurrenden Mägen an. „Mutter hat gekocht. Das war ein Aufstand!“ Dass die weit gereisten Turnierteilnehmer in Pennigbüttel übernachteten, war damals üblich. „Manche hatten schließlich mit dem Trecker oder der Kutsche eine ganze Tagesreise unternommen.“
Damals wurden für den Wettkampf häufig Arbeitspferde aufgeboten, heute sind es teure Spezialisten. „Deshalb nimmt auch keiner mehr ein Quartier in Anspruch. Die Reiter treffen mit ihren Pferdeanhängern zu den Prüfungen ein und fahren dann wieder heim.“
Das aktuelle Turnier hat mit über 2000 Nennungen eine Rekordbeteiligung. Dafür braucht es eine perfekte Organisation und Infrastruktur. In der Jugendzeit des heute 69-jährigen Hinrich Wehmann ging es vergleichsweise familiär zu. Es wurde viel improvisiert. „Die Nennungen wurden mit der Post geschickt. Es gab ja kein Internet.“ Deshalb wurden die Zettel einfach in der Stube ausgebreitet. Sie zu ordnen, verlangte über Stunden den konzentrierten Einsatz mehrerer Männer.
Heidi Wehmann präsentiert noch eine weitere alte Aufnahme. Es zeigt die Pennigbütteler Voltigiererinnen bei einem Auftritt 1978 in Lilienthal-Frankenburg. Ganz rechts die mit Abstand kleinste, die jetzige Pennigbütteler Ortsvorsteherin Martina de Wolff. Sie ist die älteste Tochter der Wehmanns. Damals drei Jahre alt. Ihre Mutter erzählt, dass die Faltenröcke der Mädels von den Damen des Reitvereins genäht wurden. „Es wurde immer was abgeschnitten von den blauen Stoffballen, die im Kaufhaus Reuter gekauft wurden.“
Überhaupt ging wenig ohne den Einsatz der Ehrenamtlichen. Etwa beim Bau der Reithalle oder wenn für die Feier des Reiterkönigs aufgetischt wurde. Hinrich Wehmann holte den Titel 1979. 50 Berittene gaben ihm mit voller Musikkapelle Geleit. „Mittags gab es Hochzeitssuppe und Braten. Mutter kochte für 100 Leute, denn es gab ja kein Catering.“
Das Jubiläumsturnier endet am Sonntag mit einer Feier im Zelt. Den genauen Zeitplan des Turniers gibt es unter www.rfv-pennigbuettel.de/pfingstturnier-pennigbüttel.
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