Osterholz-Scharmbeck. Die Diskussionen um Artenschwund und Klimawandel haben das gesellschaftliche Bewusstsein für den Wert von Bäumen zweifellos geschärft. Dass es aber zum Schutz von Eiche, Buche oder Ahorn einer für die kommunale Ebene gesondert gesetzten Rechtsnorm bedürfen soll, leuchtete im Bau- und Umweltausschuss der Stadt Osterholz-Scharmbeck nicht allen Sitzungsteilnehmern ein. Brunhilde Rühl (CDU) stellte die Notwendigkeit einer Baumschutzsatzung grundsätzlich infrage, indem sie für „weniger Vorschriften und Bürokratie sowie mehr Vertrauen“ warb. So entwickelte sich zwischen den Kommunalpolitikern eine längere Diskussion, obwohl der von Dezernent Manuel Reichel und Bauamtsleiter Frank Wiesner präsentierte Entwurf einer Satzung über den Schutz des städtischen Baumbestandes laut Tagesordnung lediglich nach „Kenntnisnahme“ verlangte, nicht aber nach Beratung. Die soll erst im Sommer folgen, wenn dieser Ausschuss erneut tagt.
Nicht alle Städte oder Gemeinden haben eine Baumschutzsatzung erlassen. Die Regelungen, wenn es sie denn gibt, sind von Kommune zu Kommune mitunter sehr verschieden. Dass sie aber eine hohe Relevanz haben, lässt sich an einer Zahl ermessen, die Frank Wiesner auf Nachfrage nannte: In dem von der Stadt für den öffentlichen Bereich vor nicht langer Zeit angelegten Kataster sind bereits 15 000 Bäume erfasst. Nach grober Schätzung des Ressortchefs könnten sich zu diesen noch weitere 10 000 gesellen.
Auf eine Überarbeitung der derzeit geltenden Satzung hatten die SPD-Stadtratsfraktion sowie die Ortsvorsteher von Sandhausen und Hülseberg gedrängt. Die Verwaltung ließ aber wissen, dass sie ohnehin eine Neufassung geplant hatte. Unter anderem deshalb, weil die Rechtsgrundlagen, auf denen die 1988 verfasste Satzung sich berief, veraltet seien. Das Bußgeld wird noch in D-Mark ausgewiesen. Ferner seien die Vorschriften zu den Ersatzpflanzungen rechtlich zu ungenau.
Brunhilde Rühl begründete ihre Skepsis gegenüber Vorschriften, Verboten und Sanktionierungen mit dem Wandel im gesellschaftlichen Bewusstsein. „Wir leben inzwischen bewusster mit der Natur. Auch gehe ich pfleglich mit dem um, was mir gehört.“ Da ging Reichel nicht mit. Er verwies auf in seiner Nachbarschaft ertappte Baumfrevler, die sich der Last mit dem Laub zu entledigen suchten. Außerdem sei es mit der von Rühl beschworenen Identifikation möglicherweise nicht so weit her, wenn der Baum beim Erwerb des Grundstücks schon vorhanden gewesen und dem neuen Eigentümer bei seinen Plänen im Weg sei. Jutta Kemmer von der Biologischen Station Osterholz (Bios), die von „Tabula rasa“-Erlebnissen aus ihrer Herkunftsgemeinde berichten konnte, Ausschussvorsitzender Jörg Monsees (SPD) und Grünen-Ratsherr Jörg Basler („Wir sollten um jeden Baum kämpfen!“) pflichteten ihm bei. Das tat sogar FDP-Mann Axel Kook, der angab, seine frühere von liberaler Grundeinstellung geprägte Haltung gegenüber diesem Thema revidiert zu haben.
Bußgeld erhöht
Jutta Kemmer hatte ihrem Referat ein Foto von einer 300 Jahre alten Buche vorangestellt. „So etwas sieht man im heutigen Stadtbild kaum noch.“ Denn die meisten Bäume seien längst gefällt worden, bevor sie ein hohes Alter erreichen konnten. Die Diplom-Biologin machte unter anderem auf Sauerstoffproduktion („Eine Buche erzeugt Sauerstoff für 50 Menschen“) und auf die Fähigkeit, CO2 zu binden, aufmerksam. Straßenbäume filterten die Schwebstoffe, spendeten Schatten und bremsten Lärm. Nicht zuletzt besäßen Bäume mit ausladender Krone hohe Habitatqualitäten. Hinsichtlich dieses Punktes empfahl sie, den Satzungsentwurf noch einmal zu überdenken, der beispielsweise Obstbäumen (mit Ausnahme von Walnussbäumen und Esskastanien) sowie Nadelbäumen (mit Ausnahme von Eiben) die Schutzbedürftigkeit beziehungsweise -würdigkeit abspricht. „Obstbäume, alt, hochstämmig und blühend, seien ökologisch wertvoll und böten vielen Lebewesen geschützte Räume im pestizidfreien Garten oder einer Streuobstwiese. In den Höhlen von Kiefern bezögen Eulen ihr Nachtquartier. Zapfen von Kiefern und Fichten stellen ebenso Nahrungsquellen dar wie Eicheln und Bucheckern.
Der Entwurf lehnt sich stark an die Fassung von 1988 sowie an die Mustersatzung des Deutschen Städtetages an. Die Voraussetzungen für den Schutz bleiben weitgehend unverändert. Bei einem Laubbaum beispielsweise ein Mindeststammumfang von einem Meter (gemessen in einem Meter Höhe). Pappeln sind ausgenommen.
Erhöht auf 10 000 Euro werden soll das angedrohte Bußgeld. Drakonische Strafen seien angemessen, kommentierte Basler. Der Freißenbütteler Ortsvorsteher Martin Kock hätte es insgesamt gerne etwas weniger restriktiv gehabt. Er wünschte sich eine Unterscheidung zwischen Stadt und Land, auch wegen der Grundstücksgrößen und der Bedürfnisse der Landwirtschaft. „Was kostet es, wenn jemand extra rausfährt, um nach Fledermäusen zu gucken?“
In die Satzung aufgenommen wurden auch zahlreiche Ausnahmen und Befreiungen vom Verbot des Griffs zu Axt und Säge. Basler wunderte sich über „Depressionen durch Verschattungen“ in einer Liste möglicher unerwünschter Nebenwirkungen, denen Bäumen zum Opfer fallen könnten. Ärzte hätten ihm doch eher „vom Gegenteil“ berichtet. Wiesner gab Entwarnung: „Taucht im Entwurf nicht mehr auf.“