Osterholz-Scharmbeck. Friederike und Andreas Leuschner haben es sich zusammen mit der vier Monate alten Tochter Alma in einem Strandkorb bequem gemacht. Am liebsten würde das Ehepaar die hölzerne Sitzgelegenheit mit den weiß-blauen Stoffbezügen mit zur Arbeit nehmen. Wäre aber nur unter hohem Aufwand zu bewerkstelligen. Der Arbeitsplatz der Eheleute, die gerade Friederike Leuschners Eltern in Scharmbeckstotel einen Besuch abstatten, befindet sich 15 000 Kilometer – fast eine halbe Erdballumrundung – entfernt auf den Salomonen, einem Inselstaat in der Südsee. Dabei würde sich ein Strandkorb dort sehr gut machen. Friederike Leuschner: „Von unserem Holzhaus bis zum Pazifik sind es 200 Meter.“ Mit dem jetzt dreieinhalbjährigen Malte waren die Leuschners Anfang 2017, wie damals im KREISBLATT berichtet, von Osterholz-Scharmbeck in den Südpazifik gereist. Im Auftrag des Bibelübersetzers Wycliff, einer als gemeinnützig anerkannten christlichen Organisation, sollen sie dort jene Bewohner der Salomonen, denen der Zugang zu Bildung ansonsten verwehrt ist, in die Lage versetzen, das Buch der Bücher in ihrer Muttersprache zu lesen. John Wycliff lebte im 14. Jahrhundert und gilt als erster Übersetzer der Bibel in die englische Sprache.
Andreas Leuschner tippt auf seinem Smartphone herum. Es erscheint ein Text. „Das ist Bughotu!“ Es handelt sich um eine Passage aus dem Matthäus-Evangelium, übersetzt in eine Sprache der Salomonen. Eine von insgesamt 75, die es dort gibt. „Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben. Viele von denen sind nie aufgeschrieben worden“, berichtet Andreas Leuschner. Eine ungeschriebene Sprache kann aber auch nicht wirklich im Schulunterricht verwendet werden. Die Bibel dient als Vehikel, um Teilen der indigenen Bevölkerung Lesen und Schreiben beizubringen, damit sie wiederum ihr Wissen mit den Mitbewohnern teilen. „97 Prozent der Menschen auf den Salomonen bekennen sich zum Christentum.“ Die Medien, besonders das Smartphone, spielen bei der Aufgabe, die den Leuschners gestellt wird, eine wichtige Rolle. Ein speziell für die Anforderungen der Wycliff-Gesellschaft entwickeltes Programm baut die Apps, mit deren Hilfe das neue Testament in 20 verschiedenen salomonischen Sprachen gelesen werden kann. Für das alte liegen erst drei Übersetzungen vor. „Das Smartphone gibt's auch auf den Salomonen“, berichtet Andreas Leuschner. „Allerdings wird es dort überwiegend zum Speichern von Bild- und Musikdateien genutzt. Oder als Taschenlampe für den Heimweg.“
Fast 20 Monate haben die jungen Eheleute in Papua-Neuguinea und auf den Salomonen verbracht. Sie büffelten Pidgin-English, das sich dort unter kolonialen Bedingungen ausgebildet hat und ihnen den Zugang zu den Inselbewohnern erleichterte. Schließlich legten sie eine Babypause ein. Die kleine Alma kam im Siegerland zur Welt, wo die jungen Leute voraussichtlich bis Mitte Juli leben werden. Dann wollen sie für drei weitere Jahre zurück zu den Salomonen.
Stelzen-Haus mit Outdoor-Bad
Friederike Leuschner vermisst die Herzlichkeit, die ihr dort begegnete, ihr Ehemann die Hilfsbereitschaft der Nachbarn („Ich bin handwerklich nicht so begabt, wie ich wünschte“). Beide sehnen sich zurück nach dem „ganz anderen Leben“, das sie dort führten. Nicht gerade wie Robinson Crusoe, aber immerhin ohne Strom aus der Steckdose, ohne Leitungswasser und mit einem rudimentär ausgestatteten Outdoor-Sanitärbereich. Das Gästehaus der Anglikanischen Kirche – die Salomonen gehören zum Commonwealth – entpuppte sich als größeres Blockhaus, das wie auf den Salomonen üblich auf Stelzen stand, damit die Luft dort zirkulieren und für eine angenehmere Raumtemperatur sorgen konnte. Im vom Ozean gemilderten tropischen Klima herrscht oft eine Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent. Die Menschen auf den Salomonen leben noch überwiegend vom Fischfang. Frauen tragen die von ihnen selbst angebauten Feldfrüchte auf den Markt in die Hauptstadt Honiara. Für die 40 Kilometer dorthin werden mit dem Bus auf der mit Schlaglöchern gespickten Straße zwei Stunden benötigt.
Die Leuschners haben die Erfahrung gemacht, dass Luxus auch eine Last sein kann. So sind sie froh, dass die viel geschmähte ständige Verfügbarkeit für sie wegen der überschaubaren Internetgeschwindigkeit kein Thema ist. Auf der anderen Seite verschweigen sie nicht, dass das sonnige Paradies auch seine Schattenseiten hat. Der Müll sei ein Problem. Beispielhaft dafür sei die traditionelle Bekleidung der Insulaner. Die früher aus Gras gearbeiteten Röcke wurden durch solche aus Plastik ersetzt. Gewöhnungsbedürftig außerdem, dass im salomonischen Alltag viele Dinge viel Zeit beanspruchen. „Wenn man keine Waschmaschine hat, braucht man für die Wäsche halt den ganzen Tag.“
Andreas Leuschner sagt, er könne verstehen, dass man die Segnungen der westlichen Zivilisation nicht missen möchte. Aber ihnen habe es an nichts gefehlt. Statt Luxus gab es dort die pure Südsee-Idylle: Mangroven, Ebenholz, Orchideen, Lagunen und Korallen, weiße Sandstrände und türkisblaues Meer. Wenn Malte eine Kokosnuss wollte, fand sich stets ein hilfsbereiter Klettermaxe, der sie aus der Palmenkrone in zehn Metern Höhe holte. Der Vater hat einen Tauchschein erworben. Dessen Frau wiederum freut sich auf frische Früchte, nicht vom Markt, sondern direkt vom Baum gepflückt.
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