Osterholz-Scharmbeck. Der Scharmbecker Bach hat an seinen Ufern einst viele Menschen ernährt. Starkes Gefälle am Rande der Geest ermöglichte den Betrieb etlicher Wassermühlen sowie gutes Auskommen und hohes Ansehen für die Tuchmacher in der Stadt. Vernachlässigt, begradigt und in Rohren gebändigt, verschwand er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber stellenweise aus dem Stadtbild. Für Philipp Rösner vom Bauforum Berlin "nicht genutztes Potenzial". Der Wasserlauf, andernorts schon wieder freigelegt und renaturiert, soll im Zuge der Innenstadtsanierung in Scharmbeck wieder an die frühere Bedeutung anknüpfen und vor allem beim Thema "Aufenthaltsqualität" eine Hauptrolle übernehmen. In ihrem städtebaulichen Entwurf, den Rösner und Philipp Quack am Dienstag im Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung vorstellten, geben die Architekten und Stadtplaner von der Spree folgendes Versprechen ab: "Durch die Öffnung des Scharmbecker Baches für die Stadt wird ein neuer, atmosphärischer Raum geschaffen, der in dieser Qualität eine Einmaligkeit für den Innenstadtbereich darstellt."
Brunhilde Rühl schlug für die städtische CDU-Fraktion einen ähnlich schwärmerischen Ton an ("Da geht einem das Herz auf!"), wie überhaupt der gesamte Fachausschuss den vom Sieger des Realisierungswettbewerbs präsentierten Entwurf mit großem Beifall aufnahm. Mit einem einstimmigen Votum wurden die nächsten Verfahrensschritte eingeleitet, mit denen die Neuordnung des mit Fördertopf-Millionen gepäppelten Sanierungsgebietes weiter vorankommen wird. Auf den städtebaulichen Entwurf können die Änderungen der Bebauungspläne aufsetzen, die in den kommenden Jahren vorgenommen werden müssen, um die Stadt zukunftsfähig zu machen. Gleichzeitig stellt er die Grundlage für den hochbaulichen Realisierungswettbewerb dar, den die Kirchengemeinde St. Willehadi für das geplante Begegnungszentrum ausgelobt hat und dessen Ergebnisse für Oktober erwartet werden.
Aufwertung des Baches
Der 50 Seiten starke Entwurf widmet dem Scharmbecker Bach hohe Aufmerksamkeit und weist ihm Schlüsselaufgaben zu ("Innerstädtischer Naturerlebnis- und Erholungsraum"). Ökologisch und wasserbaulich aufgewertet, könne er wieder in das Stadtbild "integriert werden". Mit dem Fließgewässer, das sich in Nord-Süd-Richtung durch die Stadt zieht, und der Platzabfolge mit dem Herzstück Kirchenplatz haben die Architekten im aktuellen Bestand des bearbeiteten Bereichs zwei Hauptstränge identifiziert, auf denen sie ihr Konzept aufbauten. Der Kirchenplatz mit seinem dreieckigen Grundriss wird im Entwurf gründlich umstrukturiert. Das neue Begegnungszentrum bildet die nördliche Raumkante des Platzes, während der Jennersche Garten "auf die Flucht der Kirche eingekürzt" wird und mit Bestandsgehölzen und einer neuen Baumreihe neben der St. Willehadi-Kirche die östliche Platzkante bildet. Südlich und westlich werde die Bebauung erhalten. Weitere wesentliche Elemente sind der ehemalige Mühlenteich als "grüne Oase" und das neue Entrée zum Stadtpark hin, das den Verzicht auf das Pastorenhaus voraussetzen würde.
Wasserterrasse
Die Berliner brachten eine gehörige Portion Detailschärfe in ihre Vorstellungen: So schlugen sie für das in Marktplatz-Reichweite liegende Regenrückhaltebecken ein schwimmendes Holzdeck vor, "das als eine Art Wasserterrasse zum Verweilen und Erholen einlädt". Es könne mit Liegestühlen ausgestattet und gastronomisch genutzt werden. Bauamtschef Frank Wiesner machte indes auf Nachfragen hin darauf aufmerksam, dass mit dem Votum für den Entwurf keine Festlegungen dieser Art getroffen würden. "Es handelt sich um eine strategische Planung, auf deren Basis dann weitergemacht werden kann."
Ungeachtet dessen riskierten die Sitzungsteilnehmer schon so manchen Blick mit der Lupe auf die Pläne. Während Wilfried Pallasch (Bürgerfraktionsgruppe) gelegentlich ein wenig Platzangst bekam, wenn er an Märkte, Feste und Konzerte dachte, erschien Anja Heuser (Grüne) der Platz vor der Kirche eher als zu groß, um ihn nachhaltig belebt zu bekommen. Jörg Monsees (SPD) mutete die Anordnung von Bäumen stellenweise "zu militärisch" an.