Jürgen Christian Findorff – die Geburt des Mannes, der als Kopf hinter der Besiedlung des Teufelsmoores gilt, jährt sich 2020 zum 300. Mal – er wurde am 22. Februar 1720 geboren. Ihm und seinem Wirken widmet sich eine Ausstellung in der Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck. Sie wurde zu seinem Geburtstag eröffnet. Doch die Coronakrise und die Schließung des Museums verhinderten einen Besuch der Allgemeinheit. Wir stellen die Ausstellung und ihre Inhalte in einer kleinen Serie vor. Heute: Die Umgestaltung der Klosterkirche und der neue Friedhof.
Landkreis Osterholz. Lutz Bernsdorf und Wilhelm Berger nennen den Bereich „Komplex 6“ – eine sehr sachliche Darstellung der beiden Ausstellungsmacher. Dahinter steckt ein Projekt, das nicht nur kirchenpolitisch von großer Tragweite war, sondern auch für die Entwicklung des damaligen Fleckens Osterholz. Im Jahr 1766 gab das Herzogtum Kurhannover grünes Licht für die Erweiterung der altehrwürdigen Klosterkirche und den Neubau eines Friedhofs. Auch dafür war Jürgen Christian Findorff verantwortlich. Im Auftrag von Oberamtmann Conrad Friedrich Meiners hatte er bereits 1764 entsprechende Pläne entworfen.
Zuzug neuer Bürger
Dass es ausgerechnet wieder Findorff war, der sich mit diesem wichtigen Projekt befasste, kam nicht von ungefähr – er war auch mit dem Bau der Worpsweder Zionskirche beziehungsweise ihrer Fertigstellung anno 1759 befasst. „Mit diesem Bau hatte sich Findorff auch einen Namen als Kirchenbaumeister erworben, sodass es etliche Anfragen zu Baumaßnahmen gab“, schreibt Berger hierzu in einem Beitrag des „Heimat Rundblick“ im Sommer 2018.
Hintergrund der Pläne war die Erweiterung des Fleckens Osterholz. Durch den Zuzug neuer Bürger. „Man brauchte Platz in der Kirche und auf dem Friedhof“, sagt Bernsdorf. Damit fasst er das zusammen, was Findorff am 23. Dezember 1764 in sein „Gantz gehorsamstes Pro-Memoria“ schrieb. „Nicht nur der zum Stande gekommene Anbau von 25 Feuer Stellen an dem Flecken Osterholz, sondern auch die im Wercke seyende Vorrichtung eines anderweitigen Anbaus bey der Ziegeley hierselbst von 30 bis 40 familien“ mache die Erweiterung notwendig.
Für die Klosterkirche sah Findorff ein völlig neues Raumkonzept vor. Seine Maxime war es, innerhalb der alten Mauern mehr Platz für die Gläubigen zu schaffen. Zentrales Element der Pläne war die Versetzung des Altars im Erdgeschoss. Er sollte mit der Kanzel zusammengefasst und nahezu zentral positioniert werden. Findorff rückte von der längs ausgerichteten Klosterkirche mit Altar im Ostchor ab. Künftig sollten Altar und Kanzel vor dem südlichen Querschiff stehen. Findorff lag es am Herzen, dass der Altar und die Kanzel von allen Seiten gut einsehbar sind. Seine Zeichnungen zeigen, dass es nur wenige Plätze gab, von denen aus die Besucher nichts sahen. Daran ließ sich auch nichts ändern, denn Schuld daran waren die Stützpfeiler.
Doch nicht nur für das Erdgeschoss hatte Findorff neue Pläne. Dort sollten Emporen entstehen, um den Raum maximal auszunutzen. Berger zitiert im „Heimat Rundblick“ aus den Findorffschen Plänen: „Da die Sitzplätze als ,Kirchenstühle‘ verkauft wurden, war die von Findorff favorisierte ,Saalkirche‘ mit dem liturgischen Zentrum in der Mitte der Südwand des Kirchengebäudes auch finanziell interessant.“
Aber nicht nur im Innern wollte Findorff Hand anlegen, sondern auch an die Fassade. Der Eingang an der Nordseite sollte um ein Joch weiter nach Osten verlegt werden. Außen sah Findorff einen Windfang doppelter Funktion vor: Er sollte das Kirchenschiff vor Witterungseinflüssen schützen und den Aufgang zu den neuen Emporen aufnehmen. Ein weiterer Eingang befindet sich übrigens heute zwischen dem vierten und fünften Pfeiler und führt in die Vorhalle.
Was in der Ausstellung nicht zur Sprache kommt: Findorff hatte keine weiteren Bau- und Sanierungsmaßnahmen vorgesehen – ein Fehler, wie sich einige Jahre später herausstellte. Nach einem schweren Sturm im April 1769 musste der Südturm der Klosterkirche wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Der Nordturm, der bis heute existiert, konnte gerade so erhalten werden. In beiden Türmen gab es auch Glocken: zwei im Nord-, drei im Südturm. Zwei der Südturm-Glocken wurden nach Worpswede, die dritte in den 1780er-Jahren nach Gnarrenburg abgegeben.
Das Kapazitätsproblem gab es durch den Zuzug von neuen Bewohnern nicht nur in der Kirche. Auch der Begräbnisplatz neben der Klosterkirche war voll belegt. Deshalb sollte es einen neuen Friedhof an dem Weg geben, der von Osterholz nach Scharmbeck führte. Findorff sah einen viereckigen Platz vor, der in vier Felder für 73 Grabstellen aufgeteilt wurde. „Eine Grabstelle sollte 8 Fuß breit und 13 Fuß lang werden und für 4 Gräber Platz bieten“, informiert die Tafel der Findorffausstellung.
Der Andrang war so groß, dass die Grabstellen bereits vergeben worden waren, bevor überhaupt mit dem Bau begonnen werden konnte. Alleine vier Grabstellen hatte sich Oberamtmann Meiners gesichert. Er war es auch, der sich die sechseckige Kapelle mit dem rechteckigen Anbau auf den Friedhof stellen ließ. Offiziell, so die historischen Quellen, wurde das Bauwerk, das Meiners aus eigener Tasche bezahlt hatte, als „Pavillon“ bezeichnet.
Findorff hatte für den neuen Friedhof eine Einfriedung mit Feldsteinen vorgesehen. Doch diese Pläne wurden in der Form nicht realisiert. So sind nur noch die West- und Nordseite mit Feldsteinen gebaut. Die Südseite zur heutigen Hauptstraße wurde aus gebrannten Steinen der ehemaligen Osterholzer Ziegelei ausgeführt. Insgesamt sind es 3000 Steine sowie 438 sogenannte Saumsteine.
Die Ausstellung in der Museumsanlage ist jeweils zu den Öffnungszeiten sonnabends und sonntags von 11 bis 18 Uhr sowie dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Auch telefonische Vereinbarungen sind möglich. Gruppenveranstaltungen und Führungen finden bis Ende August nicht statt. Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 0 47 91 / 13 105 sowie unter www.museumsanlage-osterholz-scharmbeck.de.