Osterholz-Scharmbeck. „Wir vermissen unser Publikum“, sagt Bühnenleiterin Astrid Gries mit einem kleinen Seufzer. Man spürt, wie sehr die Mitglieder der Scharmbecker Speeldeel, die hinter dem Theater in OHZ steht, unter der derzeitigen Situation leiden. Theater ist nicht ihr Beruf, aber ihre Leidenschaft. Schauspieler wollen auf der Bühne stehen und ihre Zuschauer erfreuen. Und auch den vielen Helfern hinter und neben der Bühne geht es so. Aber: Die Corona-Pandemie lässt ihnen kaum Raum dafür. Jetzt startet die Theatertruppe den Versuch, den Kreis zu durchbrechen. Wann er zum Erfolg führt, steht nach der aktuellen Pandemie-Entwicklung allerdings in den Sternen.
„Wann wir das Stück aufführen können, wissen wir nicht“, stellt Gries nüchtern fest. Ein Stück mit einem Schauspieler soll es sein – das Minimum des Machbaren. Die Corona-Verordnung lässt nicht mehr zu. Personen aus zwei Haushalten können sich treffen. Wer weiß, wie aufwendig die Produktion eines Stückes ist und wie viele Personen normalerweise bei einer Inszenierung mitwirken, kann erahnen, wie schwierig das Vorhaben ist. Schauspieler Carsten Mehrtens und Regisseur Marne Ahrens haben sich auf das Experiment eingelassen. Zu zweit studieren sie derzeit das Stück „Die Sternstunde des Josef Bieder“ in der Neufassung von Eberhard Streul und Otto Schenk ein.
Ein schwieriges Unterfangen, das viele Unwegsamkeiten mit sich bringt. „Ich habe das Handy so eingestellt, dass es nach einer Stunde klingelt“, erzählt Marne Ahrens. Dann ist kräftiges Lüften angesagt. Und die Requisiteurin Evelyn Neuenburg arbeitet einige Zeit vor den beiden, damit keine Begegnung stattfindet. Sie stellt alles bereit, was Mehrtens und Ahrens brauchen. Ahrens übernimmt die Rolle seines Assistenten und die Technik. Jeden Tag beobachtet der Regisseur die Coronazahlen. Danach wird entschieden, ob eine Probe stattfindet. Keine idealen Bedingungen. Doch das Theater in OHZ wollte unbedingt etwas auf die Beine stellen.
Alles hat zwei Seiten, findet Marne Ahrens. Die Scharmbecker Speeldeel verfüge über viele Schauspieler und Mitwirkende, die gerne mitwirken wollen. Normalerweise suche man kein Stück für nur einen Schauspieler aus. Die aktuelle Situation mache es nötig. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, überhaupt etwas anbieten zu können, kam Carsten Mehrtens auf das Stück. „Ich hatte es irgendwann einmal gelesen und fand es ganz amüsant“, berichtet er. Gesehen hatte er es aber nicht. Unabhängig davon machte Marne Ahrens den gleichen Vorschlag. Er hatte vor längerer Zeit beruflich damit zu tun. Der gebürtige Bremerhavener kam mit 15 Jahren das erste Mal als Statist mit dem Theater in Berührung. Es war der Beginn einer Theaterlaufbahn. Malte Ahrens studierte Theaterwissenschaften. Nach einem Engagement als Regieassistent und Abendspielleiter am Bremerhavener Stadttheater wechselte er 1995 an das Oldenburgische Staatstheater, wo er als Schauspieler und Regisseur tätig war. Für das Theater in OHZ hat Ahrens schon viele Stücke inszeniert.
Stück ergab sich von allein
„Ich dachte erst, die beiden hätten sich abgesprochen“, erinnert sich Astrid Gries. Doch dem war nicht so. Die Wahl des Stückes und des Teams ergab sich somit fast von selber. Im Fokus des Schauspiels steht der Requisiteur Josef Biedermann. Durch einen Fehler sieht er sich unvermittelt einem vollen Zuschauerraum gegenüber. Dabei ist eigentlich an diesem Tag spielfrei und er will auf der Bühne das nächste Stück vorbereiten. Schüchtern versucht er, die Situation zu meistern. Doch immer mehr kommt er ins Plaudern, und schließlich erfahren die Zuschauer Geschichten und Anekdoten aus der Arbeit des Josef Bieder. „Die meisten Zuschauer haben vermutlich noch nie hinter die Kulissen eines Theaters geschaut“, sagt Ahrens. Hier bekämen sie einiges auf unterhaltsame Art geliefert. „Es ist Theater im Theater“, findet Carsten Mehrtens.
Für Mehrtens ist das Stück eine Herausforderung. Er muss jede Menge Text lernen. Schwierig ist das deshalb, weil er keine Stichwörter von Mitspielenden bekommt. Das erleichtert das Abrufen von Texten bei Aufführungen enorm. „Dazu kommt, dass er auch noch singen muss“, fügt Marne Ahrens an. Mehrtens sei kein ausgebildeter Sänger. Aber darauf komme es nicht an. Schließlich sei das Josef Bieder auch nicht, der in dem Stück einige Lieder anstimme.
Aber das Duo hat noch Zeit für Proben. Eigentlich sollte das Stück im Januar vor 40 bis maximal 50 Zuschauern Premiere feiern. Die Aufführungen sollen eine Stunde dauern, eine Pause gibt es nicht. Auch das Bistro bleibt geschlossen. Es soll kein Risiko eingegangen werden. Aber dieser Plan fällt nun auch ins Wasser. Angepeilt ist jetzt Anfang Februar. Doch selbst hinter diesem Termin steht mittlerweile ein großes Fragezeichen. „Wir werden kurzfristig entscheiden müssen“, erläutert Bühnenleiterin Astrid Gries. Deshalb gibt es noch keinen Kartenvorverkauf. Vielmehr würden kurzfristig Regelungen dazu getroffen. Auch ein Hygienekonzept werde maßgeschneidert auf die dann erforderlichen Vorschriften erstellt. Alle fiebern diesem Moment entgegen, wenn sich auf Gut Sandbeck der Vorhang wieder aufgeht.
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