Osterholz-Scharmbeck. Die Firma Faun Umwelttechnik treibt in Heilshorn den Bau von Wasserstoff-Fahrzeugen voran. Der Aufbauhersteller wird noch im laufenden Jahr 20 bereits bestellte Fahrgestelle mit Osterholzer Technik aufrüsten. Im kommenden Jahr soll dann eine Schippe draufgelegt werden: Für 2021 ist der Absatz von 100 weiteren Wasserstoff-Müllfahrzeugen geplant, wie die Redaktion bei einem Besuch von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil erfuhr.
Der Regierungschef nutzte die Gelegenheit, im flüsterleisen Lastwagen auf dem dritten Sitz mitzufahren. Mit Faun-Entwicklungschef Georg Sandkühler am Steuer und Geschäftsführer Patrick Hermanspann auf dem Beifahrersitz ging es für eine Runde raus auf das Firmengelände. Minuten später stieg Weil sichtlich begeistert aus dem Müllfahrzeug wieder aus. „Wasserstoff ist für Niedersachsen ein Riesenthema“, betonte er im Gespräch mit der Redaktion. Im „Land des Windes“ sei es relativ einfach möglich, Wasserstoff zu produzieren, um ihn dann in Kavernen im Boden zu parken und bei Bedarf zu nutzen.
Von Faun als Vorreiter in Sachen Wasserstoffantrieb für Sammelfahrzeuge zeigte er sich begeistert. Auch die geplante Müllvergärungsanlage der Abfall Service Gesellschaft in direkter Nachbarschaft zur Firma sei eine erstklassige Ergänzung. „In Zeiten, in denen man den Eindruck hat, man hangelt sich von Problem zu Problem, ist so etwas ein Stimmungsaufheller“, sagte Weil. In der Zuhörerschar spitzten unter anderem Landrat Bernd Lütjen, Bürgermeister Torsten Rohde und Matthias Kohlmann als Präsident der Stader Industrie- und Handelskammer und zugleich Faun-Finanzdirektor die Ohren. Zudem informierten sich einige Mitglieder des niedersächsischen Landtags vor Ort.
Johannes Kirchhoff, geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe, ging davon aus, dass 2025 mehr als die Hälfte aller kommunalen Sammelfahrzeuge mit Wasserstoff und Brennstoffzellen angetrieben werden. Die gesamte Branche sei im Aufbruch – auch in Heilshorn wurde schon Platz geschaffen, um die Produktion auszubauen.
Durch eine Kooperation mit der Nehlsen-Tochterfirma K-Tec ist eine Faun-Abteilung für Service und Ersatzteile von Osterholz-Scharmbeck nach Bremen umgezogen. Die Zusammenarbeit von Faun als Hersteller und Nehlsen als Betreiber von Sammel- und Kehrfahrzeugen sei eine perfekte Kombination, so Faun-Geschäftsführer Patrick Hermanspann. An zwei Fahrgestellen, einem Rohling und dem Endprodukt, erläuterte er die Modulbauweise. Faun rüstet die Lastwagen unter anderem mit Wasserstoff-Tanks, Brennstoffzelle, E-Motor, Batterien und Regeltechnik aus.
Leise und sparsam
Die Fahrgestelle kommen von Mercedes – die einzige Firma, die einen Rohling liefert. „Wenn Sie erst den Verbrennermotor, das Getriebe und andere Bauteile entfernen müssen, lohnt der Umbau nicht“, sagte Entwicklungschef Georg Sandkühler. Der Kunde erhalte ein Auto nach seinen Wünschen. Dazu schaue man sich vorab die Topografie des späteren Einsatzgebiets an und produziere auf Maß. Maximal können drei Brennstoffzellen mit je 30 Kilowatt Leistung installiert werden. Was wenig klingt, ist im Betrieb mehr als ausreichend. Denn Leistungsspitzen beim Anfahren würden über die Batterieleistung abgefedert. Die Brennstoffzelle produziere mit Wasserstoff Strom, der laufend in die Batterie fließe.
Die gut drei Mal höheren Anschaffungskosten von etwa 750 000 Euro je Fahrzeug könnten durch Energieeffizienz und längere Nutzungszeit wettgemacht werden, ist Hermanspann überzeugt. So verbrauche ein Sammelfahrzeug umgerechnet nur halb so viel Diesel wie ein herkömmlicher Müllwagen: also gut zwölf statt etwa 25 Liter je 100 Kilometer. Und weil er leiser sei, könne der Wagen in Städten auch frühmorgens und spätabends eingesetzt werden. Hinzu komme der emissionsfreie Betrieb in Umweltzonen. „Und es gibt auch Fördermittel für die Anschaffung.“
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