Ritterhude. Mehr als 50 Jahre lang war das Grundstück Am Weißen Rieden 3 ein Produktionsstandort für Maschinen und Anlagen, für Fördertechnik und Stahlbau. Ab dem 31. März gehört das der Vergangenheit an. Die Firma Asel gibt den Standort auf und siedelt mit ihrer Produktion nach Bremerhaven in die Hallen der ehemaligen Seebeck-Werft um. Drei Asel-Niederlassungen – aus Ritterhude, Schiffdorf und Bremerhaven – würden sie dort mit circa 450 Leuten zusammenfassen, berichtet Matthias Cercel, Vorstand der Asel AG. 27 Mitarbeiter davon gehörten zur bisherigen Niederlassung in Ritterhude.
Laut Cercel wäre die Asel AG gern mit ihrer Niederlassung in Ritterhude geblieben. Er habe sogar an eine Erweiterung des Standorts gedacht, wollte eine gegenüber liegende Wiese kaufen und darauf eine Lagerhalle errichten. „Diese Pläne wurden total abgeblockt“, fasst Cercel die Gespräche zusammen, die er mit den zuständigen Behörden geführt habe. Ritterhudes Bürgermeisterin Susanne Geils versichert wiederum, die Gemeinde hätte der Firma gern geholfen. Doch so einfach sei das nicht.
Statt den Standort zu vergrößern, wurde der Firma Asel letztlich der Boden unter den Füßen weggezogen: Das Grundstück wurde verkauft; der neue Eigentümer hat für die Fläche die Aufstellung eines Bebauungsplans beantragt. Er will dort Doppelhäuser bauen. „Wir waren nur Pächter“, bestätigt Cercel. „Wir haben die Firma Hoefs 2015 aus der Insolvenz übernommen.“ Die Leitung der Niederlassung übertrug Cercel dem vormaligen Geschäftsführer, Alexander Hoefs. Dessen Familie den Betrieb 1958 als Schlosserei in Bremen-Burg gegründet. 1964 siedelte die Firma nach Lesumstotel um.
Keine Kaufoption
Das Firmengrundstück, so berichtet Matthias Cercel, konnte die Asel AG nicht erwerben. Auf der Fläche hatte ein Investor seine Hand. „Ich kam 2010 in die Situation, einen Kompagnon ins Boot zu holen“, bestätigt Alexander Hoefs. Das Grundstück diente als Sicherheit. „Dieser Kompagnon hat mich im vorigen Juli um eine Vollmacht gebeten, selbstständig nach einem Käufer für das Grundstück suchen zu können“, so Hoefs. Er selbst sei in die Aktion nicht involviert gewesen.
Dass das Gewerbegrundstück nun zum Wohngebiet werden kann, hat Hoefs überrascht. Er selbst habe noch 2018 mit den Behörden über diese Option gesprochen. Ihm sei damals signalisiert worden, dass das nicht einfach wäre, da zunächst der Flächennutzungsplan umgewandelt werden müsse. Und eine Wohnbebauung müsse sich dann an der umliegenden Bebauung orientieren. „Wieso sehen die Pläne des neuen Eigentümers nun vor, das komplette Grundstück zu bebauen?“, fragt er nun.
Ihm sei stets gesagt worden, dass das nicht gehe. Hoefs spricht von einer „roten Linie“, die laut Behördenauskunft über sein Grundstück verlaufe und über die hinaus er nicht bauen dürfe. Jetzt scheine es diese Grenze nicht mehr zu geben. Hätte er gewusst, dass das möglich ist, wären die Voraussetzung für einen Verkauf ganz andere gewesen, meint Alexander Hoefs. Hoefs und Cercel fragen sich zudem, was weiter passiert, wenn die Gemeinde die bisherige Gewerbefläche in Wohngebiet umwandelt. „Wir sind nicht die einzigen, die dort ein Gewerbe betreiben“, sagt Alexander Hoefs.
„Für das Grundstück der Firma Hoefs, heute Asel, gibt es keinen Bebauungsplan“, erklärt Ritterhudes Bauamtsleiter Michael Keßler auf Nachfrage unserer Zeitung. Das sei das Problem. Als Hoefs vor einigen Jahren den Betrieb vergrößern wollte, habe es deshalb Ortstermine mit der Gemeinde und dem Landkreis gegeben. Denn ohne Bebauungsplan gilt Paragraf 34 des Baugesetzbuchs. Das heißt: Ein Bauvorhaben muss sich an der umliegenden Bebauung orientieren. Für den Anlagenbauer bedeutete dies, dass sich die Produktionshallen nicht über die durch die Nachbarhäuser vorgegebene Baugrenze hinaus erstrecken durfte. „Das ist wohl die rote Linie, von der Herr Hoefs spricht“, meint Keßler.
Alternativ hätte Hoefs selbst einen Bebauungsplan aufstellen lassen können. „Aber dann wäre er in Konflikt mit der benachbarten Wohnbebauung gekommen“, sagt der Bauamtsleiter. Denn bei der Aufstellung eines Bebauungsplans hätte der Betrieb nachweisen müssen, dass er alle aktuell gültigen gesetzlichen Vorgaben – etwa bezüglich der Lärmbelastung – einhalte. Anders als beim Paragrafen 34 hätte die Produktion keinen Bestandschutz gehabt. Am Ende hätte ein Bebauungsplan dem Betrieb wohl mehr geschadet als genutzt: „Deshalb war das nicht ratsam“, sagt Keßler.
Bei der Umwandlung des Gewerbegebiets in ein Wohngebiet dürfte es umgekehrt jedoch keinen Konflikt mit der Nachbarschaft geben. Und, so betont Keßler: „Ein Bebauungsplan darf etwas anderes schaffen; das ist seine Funktion.“ Er ermögliche es auch, eben nicht so zu bauen, wie es die Umgebung vorgibt. Wegen des fehlenden Nutzungskonflikts und der Regelungsmöglichkeiten eines Bebauungsplans sei es daher theoretisch möglich, das gesamte Firmenareal zu überplanen und mit Häusern zu bebauen. Die „rote Linie“ gebe es dann tatsächlich nicht mehr.
Was Hoefs' und Cercels Hinweis auf andere Gewerbebetriebe betrifft, so sind Keßler und Geils keine bekannt. Zumindest keine, die durch eine Umwandlung der Fläche in ein Wohngebiet in ihrer Existenz bedroht würden. „Aber wir haben bisher auch erst den Aufstellungsbeschluss gefasst“, so Keßler. Diese Fragen würden in diesem Stadium noch nicht behandelt.