Ritterhude. Künftig habe kein Unternehmer mehr einen Grund, sich in Ritterhude anzusiedeln. „Unser Argument war im Wesentlichen immer der geringere Gewerbesteuersatz gegenüber Bremen“, erklärt Horst Kammeier im Gespräch mit der Redaktion. Mit diesem Hinweis sei es ihm mit seinen verschiedenen Verwaltungs- und Entwicklungsgesellschaften in den vergangenen 30 Jahren gelungen, „weit über 100 Firmen“ im Landkreis Osterholz zu etablieren. Gut die Hälfte davon hätten sich in Ritterhude niedergelassen. Erhöhe der Rat diesen Donnerstag (20. Februar, 19 Uhr im Rathaus) den Hebesatz, gebe es diesen Vorteil nicht mehr.
Zusammen mit Schwanewede verlangt Ritterhude den höchsten Gewerbesteuer-Hebesatz im Landkreis Osterholz. Aktuell liegt er bei 450 von Hundert. Zum Vergleich: Lilienthal nimmt 390, die Kreisstadt 420 von Hundert. Eine Nachfrage bei der Handelskammer Bremen ergab, dass Ritterhude mit der geplanten Hebesatz-Erhöhung auf 470 von Hundert auch Bremen toppen würde. Nachdem die Hansestadt für 2018 und 2019 den Hebesatz auf 470 von Hundert angehoben hatte, gilt ab 1. Januar dieses Jahres wieder der alte Hebesatz von 460 von Hundert. „Dies hat zumindest den Vorteil, dass die Gemeinde keine neuen Gewerbegebiete mehr ausweisen muss“, spricht Kammeier ein Problem der Kommune an.
Die Vorsitzende der Interessengemeinschaft Ritterhuder Betriebe (IRB), Simone Schröter, verfolgt die Diskussion über die Gewerbesteuer mit Sorge. „Die Höhe des Hebesatzes ist nicht nur ausschlaggebend dafür, wo ich mich mit meinem Gewerbe ansiedele, sondern auch, ob ich bleibe.“ Alle Unternehmen, die etwas produzierten oder Büroräume für ihr Gewerbe benötigten, könnten abwandern, warnt sie. Nur Geschäfte, die der Nahversorgung dienten und auf Kundenzulauf angewiesen seien, wie Bäcker und Friseure, hätten keine Alternative. Nun könnte argumentiert werden, dass die Politik den Bedenken der Gewerbetreibenden bereits entgegengekommen sei, so Schröter. Statt der anfangs empfohlenen Erhöhung um 40 Prozentpunkte, stehe ja nun eine Anhebung um 20 Prozentpunkte im Raum. Die Mitglieder der IRB lehnen aber jegliche Anhebung ab. Die Belastung sei groß genug, sagt Schröter.
Horst Kammeier gab außerdem zu bedenken, dass Ritterhudes Gewerbetreibenden soziale Projekte wie den Neujahrsempfang, den Bürgerbus, Sportvereine, Feuerwehr und mehr unterstützen würden.
„Aus meiner Sicht ist es in heutiger Zeit völlig unverständlich, Steuern zu erhöhen“, sagt Kammeier. Einem Bericht dieser Zeitung habe er entnommen, dass der Kreis über 220 000 Euro Negativzinsen an Banken zahlen müsse. Daraus schließe er, dass der Landkreis auf einem zweistelligen Millionenüberschuss sitze. „Allen geht es gut, nur den Gemeinden nicht.“ Aus betriebswirtschaftlicher Sicht halte er es für klug, wenn die Gemeinde bei den „derzeit extrem niedrigen Zinsen“ einen Kredit aufnähme. Damit könne sie „alle sofort erforderlichen Aufgaben“, wie die Straßensanierung, angehen. Da das Vermögen der Gemeinde höher als ihre Verbindlichkeiten sei, müsse dies möglich sein, so Kammeier: „Noch besser wäre es, der Landkreis würde die Gemeinde entlasten und ihr 'Spargeld' zur Verfügung stellen; dadurch würde keine Geldvernichtung durch Negativzinsen entstehen.“
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