Verden/ Ritterhude. Im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit hat ein 19-Jähriger im August vorigen Jahres in Ritterhude versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verübt. Das Landgericht Verden hat am Freitag erwartungsgemäß seine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung angeordnet. Die große Jugendkammer folgte der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen, wonach dies angesichts des Krankheitsbildes des Angeklagten und der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten unumgänglich sei. Man habe daher davon abgesehen, auch noch eine Jugendstrafe zu verhängen, hieß es in der Urteilsbegründung am sechsten Prozesstag.
Ihre Plädoyers hatten Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidiger am Vormittag unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten, da auch schon die Einlassung des Heranwachsenden ohne Öffentlichkeit erfolgt war. Er habe darin „umfassende Angaben“ gemacht und auch ausführlich seine Lebenssituation geschildert, so die Vorsitzende Richterin. Bereits nach der Anklageschrift habe man ein Tatgeschehen zu betrachten gehabt, „das sich als tragischer Sachverhalt darstellte“. Als weitere „tragische Ebene“ sei hinzugekommen, dass es sich bei dem Angeklagten um einen jungen Mann handele, der im Laufe seines Lebens erkrankt sei und „nie die medizinische Behandlung erhielt, die er brauchte“.
"Krankhafte seelische Störung"
Der Sachverständige hatte erklärt, es habe lange an einer „leitliniengerechten Diagnostik“ gefehlt. Bei dem 19-Jährigen liege eindeutig eine krankhafte seelische Störung in Form einer undifferenzierten Schizophrenie vor. Zur Tatzeit sei seine Steuerungsfähigkeit sicher vermindert gewesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Angeklagte am Abend des 16. August versuchten Mord an seiner Mutter (43) begangen. Um einen schon einige Zeit zuvor gefassten Entschluss umzusetzen, worauf „Gewalt- und Folterfantasien“ auf einem später gefundenen Zettel schließen ließen, habe er ihr mit einem mitgebrachten schweren Hammer Schläge an den Kopf versetzt.
Zur Überzeugung der Kammer hat der 19-Jährige im Flur des Ritterhuder Reihenhauses mit bedingtem Tötungsvorsatz und heimtückisch agiert. Er habe die Arg- und Wehrlosigkeit der Mutter ausgenutzt, die nicht mit einem Angriff des Sohnes gerechnet habe. Seinen Tatplan habe er nicht weiter umsetzen können, weil seine jüngere Schwester eingegriffen und sich „wie ein Schutzschild“ über die bereits blutend am Boden liegende Frau gebeugt habe. Vielleicht habe die Schwester der Mutter sogar das Leben gerettet, so die Richterin. Die 17-Jährige hatte noch einen Hammerschlag an den Rücken und dadurch eine starke Prellung erlitten. Ihr Bruder war zu Fuß in einen nahe gelegenen Park geflüchtet, hatte selbst den Notruf verständigt und sich der Polizei „freiwillig gestellt“.
Opfer sagen nicht aus
Bei der Mutter waren im Krankenhaus potenziell lebensgefährliche Kopfverletzungen festgestellt worden. Eine auf die Vorgänge aufmerksam gewordene Nachbarin, von Beruf Arzthelferin, hatte noch vor Ort Erste Hilfe geleistet. Beide Opfer waren im Prozess zwar Nebenklägerinnen, wollten aber nicht aussagen. Für die Kammer bestand kein Zweifel, dass bei dem fast 20-jährigen Angeklagten das Jugendstrafrecht anzuwenden sei. Es sei von einer „deutlichen Reifeverzögerung“ auszugehen; in der Kindheit habe er „eine dramatische, traumatisierende Trennungssituation“ der Eltern erfahren, sei zudem quasi „psychiatrisch durch den Wolf gedreht“ worden. Eine Krankheits- und Behandlungseinsicht bestehe nicht.