Ritterhude. Irgendwo im Landkreis Osterholz kann sich nun stündlich ein weiteres Schleiereulenküken den Weg ins Leben picken. Obwohl dies im geschützten Dunkel eines Nistkastens passiert, wird Thorsten Dröse das Ereignis nicht verpassen. Mithilfe von drei Kameras hat der Hobby-Ornithologe das Schleiereulenpaar und seinen Nachwuchs rund um die Uhr im Blick. Und nicht nur er kann die nächtlichen Jäger beobachten. Die Kameras sind ans Internet angeschlossen. Dadurch sind die Aufnahmen für jeden Eulenfan abrufbar.
Die genaue Lage des Nistkastens möchte der Naturschützer lieber nicht preisgeben. Die Eulen sollen nicht gestört werden. Auch ist es nicht sein Haus in dem die scheuen Vögel bereits seit 27 Jahren regelmäßig ihre Küken großziehen. „Bei einer Lebenserwartung von etwa 15 Jahren, dürfte es die zweite oder dritte Generation sein, die aktuell dort brütet“, vermutet er.

Thorsten Dröse hat in einem Schleiereulen-Nistkasten Web-Cams installiert. Der Film vom Eulen-Leben ist im Internet zu sehen.
Im vorigen Jahr sei er zur Eulenschutzgruppe der Biologischen Station (Bios) Osterholz gestoßen, berichtet der 39-jährige Ritterhuder. Bei einem der Treffen habe er den anderen Mitgliedern berichtet, dass er Web-Cams in Nistkästen anbringen könne. Sonja Maehder von der Bios sei daraufhin auf ihn zugekommen. Sie habe ihm von der Familie erzählt, bei der seit Jahren Schleiereulen brüteten. Sie hätten bereits einige Kameras, bräuchten aber Hilfe dabei, die Bilder ins Internet hochzuladen. Thorsten Dröse half gern.
„Ich habe mich schon ganz früh für Vögel interessiert“, erzählt er. In seiner Kindheit habe er vom Küchenfenster aus Schwarze Milane beobachtet. Anfang der 2000er-Jahre kam das Fotografieren dazu. „Ich habe in der Hamme-Niederung alles fotografiert: Gänse, Kiebitze, Libellen, Falter; das war spannend, ich konnte nicht damit aufhören.“ Stundenlang verharre er an einem Ort, manchmal bis zu zehn Stunden, um eine bestimmte Szene festzuhalten. „Irgendwann entwickelt man ein Gespür dafür; man guckt genauer hin und entdeckt wieder etwas Neues“, sagt er.
Gleichzeitig habe er viel über die Tiere gelesen. Dann habe er angefangen, zu seinen Fotos, die er von den heimischen Vögeln gemacht hatte, Steckbriefe im Internet anzulegen. Mehr noch. Er begann, diese Informationen in einem Stammbaum zu sortieren. Dabei griff er auf die Systematik des schwedischen Botanikers und Zoologen Carl von Linné zurück.
Und dann, auf einer seiner Fototouren durch die Hamme-Niederung, bei der er eigentlich Schwarz- und Braunkehlchen aber auch das Steinkäuzchen im Visier gehabt hatte, sei plötzlich dieser riesige Schatten über ihm gewesen. Er sei fast erstarrt. „Mir war klar, das musste etwas Großes sein.“ Als er hoch blickte, entdeckte er ihn: den Seeadler. „Für mich war das, als würde ich einen Säbelzahntiger sehen“, erzählt Dröse. Schließlich flog dieser Adler nicht irgendwo, sondern vor seiner eigenen Haustür.
Warten auf den Steinkauz
All das lenkte Thorsten Dröses Schritte zum Naturschutz. „Erst engagierte ich mich allein.“ Dann habe er sich dem organisierten Naturschutz angeschlossen. Als er im vorigen Jahr von der Eulenschutzgruppe erfuhr, war er begeistert. Das war genau sein Ding. Inzwischen habe sich innerhalb der Gruppe eine Untergruppe gebildet. Eine, die sich auf Steinkäuze konzentriert. In der engagiere er sich besonders. Denn: „Es gibt im ganzen Landkreis keine Nachweise von diesem Vogel.“ Erst im südlichen Oldenburger Land, im Bereich Verden und im Landkreis Cuxhaven wissen die Naturschützer, leben Steinkäuze. Dass diese den Weg in den Kreis Osterholz finden, sei aber wenig wahrscheinlich. „Steinkäuze legen keine großen Entfernungen zurück“, sagt Dröse.

Der 39-jährige Ritterhuder fotografiert leidenschaftlich gern Tiere. Neben Eulen und Falken zählt vor allem der Eisvogel zu seinen Favoriten.
Um Informationen zu sammeln, wie sie diese kleine Eule vielleicht doch im Landkreis ansiedeln oder den eventuell unbemerkt vor Ort lebenden Vögeln am besten helfen können, besuchte Thorsten Dröse mit einem weiteren Mitglied der Steinkauz-Gruppe den Steinkauz-Experten Otto Kimmel. Seit 1974 ist dieser im Steinkauz-Schutz aktiv. Unter anderem lernten die beiden Osterholzer von ihm, wie eine Niströhre für den Steinkauz idealerweise aussehen und wie sie angebracht werden soll. Einige Röhren hätten sie bereits aufgehängt, weitere würden folgen. Ob diese Nisthilfen eines Tages angenommen werden, will er im Blick behalten.
Im Nistkasten des Schleiereulenpaares sind unterdessen aus den neun gelegten und bebrüteten Eiern die ersten sechs Küken geschlüpft. Ihre Mutter füttert sie mit den toten Mäusen, die das Männchen in den Nistkasten trägt. Bis zu drei Mäuse verputzt ein Küken am Tag. So lange die Jungen kleiner sind, füttert ihre Mutter sie mit schnabelgerechten Häppchen. „Aber schon bald verschlingen sie die Mäuse im Ganzen“, sagt Dröse
Die Küken sind alle unterschiedlich groß. Der Grund: Das Weibchen hat die Eier im Abstand von zwei bis drei Tagen gelegt. Tritt Nahrungsknappheit ein, haben dadurch zumindest die älteren Schleiereulen-Küken eine Überlebenschance. Wie viele Küken am Ende in diesem Nistkasten schlüpfen und flügge werden, werden die Web-Cams in den kommenden Wochen zeigen. Unter der Internet-Adresse https://www.eulenschutz.de lässt Thorsten Dröse alle Eulen-Fans am Leben von Familie Schleiereule teilhaben.