Aschwarden. Alle wollen Esel Niklaus mit Äpfeln füttern. Danach stürmen die Drei- und Vierjährigen in den Stall, um zu zeigen, wo ihre Ziegen und Hühner wohnen. Der Bauernhof-Kindergarten sei einmalig in Deutschland, sagt Kindergartenleiterin Bettina Mittendorf. So einmalig wie der Kindergarten dürfte auch der Streit sein, den der Betreiber-Verein derzeit mit der Gemeinde führt. Die hat dem Kindergarten das Budget gekürzt – nachdem Überschüsse laut Gemeinde nicht zurückgezahlt und Steuergelder für Projekte ausgegeben worden seien, die politisch nicht genehmigt waren. Es geht angeblich um rund 25 000 Euro. Ein Kindergarten vor dem Aus.
Wenn man Leiterin Bettina Mittendorf und Mitarbeiterin Julia Bahr zuhört, gewinnt man den Eindruck, dass der 2006 gegründete Bauernhof-Kindergarten am Rande der Gemeinde politisch nie gewollt war. Dabei habe das Konzept der Einrichtung deutschlandweit Seltenheitswert: „In anderen Bauernhof-Kindergärten dürfen Kinder dem Bauern nur mal über die Schulter gucken“, sagt die Kindergartenleiterin. In der Osterstader Marsch hingegen sei der Kindergarten ein Bauernhof. Alle Produkte, die erwirtschaftet würden, würden auch von den 25 Kindern und neun Mitarbeitern verwendet: Vom selbst gezogenen Kürbis bis zur Wolle der Kindergarten-Schafe.
Umso überraschter war der Kindergarten-Vorstand, als im Juni Post aus dem Rathaus kam: Damit wurde ab Juli eine monatliche Kürzung der Zuschüsse um 5000 Euro angekündigt. Julia Bahr: "Es kam uns vor wie eine Strafsanktion.“ Die Entscheidung der Gemeinde stelle den Kindergarten vor eine existenzbedrohende Situation. "Mit dem Oktober werden wir unseren Kontokorrentrahmen von 15 000 Euro ausgereizt haben."
Den Oktober schafft der Verein nach eigener Darstellung nur mithilfe von Spenden. Danach sei Schluss. „Ab November können wir nicht mehr existieren. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Mittendorf. Ein Anwalt sei eingeschaltet, Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Schwaneweder Verwaltung eingereicht. Ohne eine Freigabe einer sofortigen Zahlung von 5000 Euro werde der Kindergarten seinen laufenden Verpflichtungen nicht nachkommen können, betroffen seien insbesondere Personalkosten.
Die beiden Frauen verstehen nicht, wie die Gemeinde tatenlos zusehe, wie der Kindergarten in die Insolvenz rutsche. „Zumal in Schwanewede 50 Kindergartenplätze fehlen“, sagt Julia Bahr. Sogar Familien aus München und Köln zögen bewusst nach Aschwarden, um dem eigenen Nachwuchs den Besuch des Bauernhof-Kindergartens zu ermöglichen. Die Eltern des Bauernhof-Kindergartens haben sich bereits mit einem Brief an Bürgermeister und Fraktionsvorsitzende gewandt.
Als der Kindergarten gegründet wurde, habe es genug Kindergartenplätze gegeben, berichtet Schwanewedes Bürgermeister Harald Stehnken. Diese seien inzwischen auch in Schwanewede Mangelware, weshalb die Gemeinde 170 neue Plätze schaffe. Dennoch solle der Bauernhof-Kindergarten als zusätzliches, alternatives Angebot bestehen bleiben. Der Wille, die Einrichtung zu fördern, spiegele sich seit Jahren in den hohen Ausgaben der Gemeinde für dieses Alternativangebot wider. Nach Angaben von Stehnkes Vertreter Jens Bunk wird ein Bauernhofkindergarten-Kind von der Gemeinde mit gut 800 Euro monatlich bezuschusst. Dies sei in etwa der Betrag, mit dem die betreuungsintensiveren Krippenkinder in kommunalen Kindergärten bezuschusst werden.
Dass die Gemeinde dem Kindergartenverein nun trotzdem das monatliche Budget gekürzt hat, dafür gibt es offenbar gleich mehrere Gründe. Hauptgrund war nach Angaben der Verwaltung eine Auflistung des Bauernhof-Kindergartens seiner Ausgaben und Einnahmen in 2018. Demnach hatte der Verein weniger ausgegeben als eingenommen. Die Rede ist in der Verwaltung von Zuschüssen in Höhe von rund 19 000 Euro, die der Verein an die Gemeinde zurückzahlen müsste. Die Gemeinde vermutet, dass auch in den Folgejahren Überschüsse erwirtschaftet wurden.
Die Kindergartenleitung habe jedoch dem Rathaus gegenüber deutlich gemacht, dass der Verein keine Rückzahlung leisten könne. Stehnken: „Wir tun alles, um den Kindergarten zu erhalten. Aber die Frage ist, wie viel Geld darf man geben. Es sind Steuergelder.“
Die Verwaltung hat den Paritätischen Wohlfahrtsverband inzwischen um eine Mediation gebeten. Der Paritätische soll klären, wie sein Verbandsmitglied in Zukunft wirtschaftlicher geführt werden könne. „Wir müssen unsere Ausgaben vor dem Rechnungsprüfungsamt verantworten“, betont der Bürgermeister.
Ein Thema werden bei den Gesprächen Ausgaben des Kindergartens sein, die die Gemeinde ausdrücklich nicht bewilligt haben will. Laut Verwaltung geht es um rund 5600 Euro, die unter anderem für eine abgelehnte Kutsche und Kaufnebenkosten eines abgelehnten Weidenankaufs angefallen und der Gemeinde in Rechnung gestellt wurden.
Unglücklich ist die Verwaltung auch damit, dass der Verein die Besoldung seines Personals nach eigenem Gutdünken festgelegt habe. „Der Verein hat das Personal wesentlich höher eingruppiert, als das bei Bediensteten von Gemeinden und Kirchen üblich ist“, erläutert Stehnken. Zudem erhielten die Mitarbeiter nach Recherchen der Gemeinde 60 freie Tage jährlich. In anderen Einrichtungen seien 40 Tage üblich.
Der Alltag im Kindergarten läuft derzeit noch fast unverändert. Pia (4) lässt sich von Bettina Mittendorf an diesem Morgen ein noch warmes Hühnerei an die Wange drücken. Neben den Hühnern sollte eigentlich am Wochenende ein zweiter Esel Quartier beziehen. Doch bisher fehlte das Geld, die Box auszubauen. Die Gemeinde weigert sich zu zahlen, da der Verein mitgeteilt hat, dass er ohne finanzielle Hilfe nicht weiter bestehen könne. Den Esel hat der Verein aber schon gekauft – mit dem Geld der Gemeinde. Ein Esel ohne Stall. Bettina Mittendorf wusste bisher nicht, wie sie das Problem lösen soll.