Das Thema Zeitreisen fasziniert seit Jahrzehnten neben der Wissenschaft auch eine beständig wachsende Anzahl an Buch- und Filmautoren. Von Orson Welles bis zu den Schöpfern der Zeichentrickserie „Family Guy“ haben sich zahlreiche Literatur- und Filmschaffende mit dem Sujet und den damit einhergehenden Möglichkeiten und Folgen befasst. Nun reiht sich auch der in Beckedorf lebende Autor Bernhard de Reese in die Reihe dieser Autoren ein. Er hat mit der Erzählung „Die Zeitreisen des Friedrich Krollmann“ sein nunmehr zehntes Buch veröffentlicht.
Allerdings nähert sich de Reese dem Thema Zeitreisen auf etwas andere Art als der Großteil seiner belletristischen Vorgänger. In deren Werken – sowohl in der fantastischen Literatur als auch im Film – nutzen die Protagonisten die Möglichkeit der Zeitreise meistens dafür, in der Vergangenheit erlittenes Unrecht oder künftig drohende Katastrophen zu verhindern. Beispiele dafür sind Filme wie „12 Monkeys“, „The Butterfly Effect“, „Donnie Darko“ und Steven Spielbergs „Zurück in die Zukunft“-Trilogie. Der Titelheld in de Reeses Buch limitiert seine Zeitreisen indes auf den zeitlichen Abschnitt seines eigenen Lebens. Zusätzlich ist er in die Position des für weitere anwesende Personen unsicht- und unhörbaren Zuschauers verdammt.
„Ich habe bewusst den Ansatz gewählt, dass bei einer Zeitreise in die Vergangenheit die Ereignisse nicht rückwirkend verändert werden können. Im Buch habe ich dargelegt, weshalb dies eine Irrealität darstellen würde. Man müsste sonst von da an alle Folgeereignisse – somit auch die Erinnerungen der beteiligten Menschen – verändern", erläutert der Autor seinen Ansatz unter Berufung auf wissenschaftliche Ausführungen, beispielsweise von Harald Lesch.
Die literarische Gattung der Erzählung hat de Reese indes wörtlich genommen: Nahezu das gesamte Buch besteht aus einem Dialog, in dem der Titelheld Krollmann seine Erlebnisse dem lyrischen Ich Siegfried Brummer in einem betont literarischen Duktus berichtet. Diese Erzählweise gestattet sowohl den Figuren als auch dem Autoren reichlich Raum für interpretative und philosophische Zwischenexkurse über die Zeit, das Leben und das Menschsein an sich. Darauf liegt der thematische Schwerpunkt des Werks.
Die Zeitreisen von Krollmann gestalten sich vor allem im Vergleich zu Geschichten ähnlicher Art ziemlich undramatisch und die daraus gewonnenen Erkenntnisse über das eigene Sein weniger spektakulär, auch wenn der Autor selbst das ganz anders sieht: „Es ist doch spektakulär, dieselbe Situation ein zweites Mal zu erleben, diesmal aber zig Jahre später und mit ganz anderen Augen“, sagt Bernhard de Reese.
Da Titelheld Krollmann für seine Zeitreisen keinerlei technische Hilfsmittel, sondern lediglich meditative Momente benötigt und zudem bei seinen Aufenthalten in Vergangenheit und Zukunft als Einziger seiner physischen Präsenz überhaupt gewahr wird, stellt sich dem Leser die Frage, ob es sich bei dessen Fähigkeit des Zeitreisens lediglich um eine bestimmte Form der Hellsichtigkeit handelt. Diese Frage bleibt bis zuletzt unbeantwortet. De Reeses Romanheld ist jedenfalls aufgrund seiner Fähigkeit einem großen psychischen Druck ausgesetzt. De Reese bleibt auch mit seinem jüngsten Buch seinem Stil treu. Der von ihm bekannte vergnügliche Plauderton wird diesmal auch durch das Setting bedingt, in dem de Reese seinen Protagonisten dessen Geschichte erzählen lässt. Geografisch ist die Erzählung einmal mehr im norddeutschen Raum angesiedelt.
Die Priorität, die er in Stil und Narration gesetzt hat, sei auch den eigenen literarischen Vorlieben geschuldet, erklärt der Autor. Er sei ein Freund der Veröffentlichungen des Verlags „Das Gute Buch“. „Beim ‚Guten Buch‘ geht es meistens nicht um spektakuläre Außergewöhnlichkeiten, sondern um authentische Lebenswahrheiten, die manchmal beim Leser ihre Spuren hinterlassen“, erklärt de Reese die zugrunde liegende Philosophie.
Das literarische Schreiben bedeute für ihn unter anderem auch eine Herausforderung zum Wissenserwerb: „Man muss notgedrungen über dies und das intensiver nachdenken und Informationen einholen. Kurz gesagt: Man lernt hinzu.“ Erschienen sind „Die Zeitreisen des Friedrich Krollmann“ indes nicht im Verlag „Das Gute Buch“, sondern in dem vom Autoren im Jahr 2016 selbst gegründeten und betriebenen Rema-Verlag, über den neben de Reese selbst aktuell neun weitere regionale Autoren publizieren.
Um Geld gehe es ihm nicht, betont der ehemaligen Deutsch- und Sportlehrer. Der Beckedorfer betont: „Mein Verlag ist nicht auf Profit angelegt. Er soll Menschen die Möglichkeit geben, Texte, die ihnen persönlich und eventuell ihrem Umfeld etwas bedeuten, zu einem kleinen, vielleicht auch hinsichtlich der Covergestaltung augenfreundlichen Buch zu machen.“
Weitere Informationen
Das Buch "Die Zeitreisen des Friedrich Krollmann“ ist sowohl in Vegesacker Buchhandlungen als auch über zahlreiche Online-Versandhäuser erhältlich.