Verden/Osterholz-Scharmbeck. Wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung ist ein 42-Jähriger vom Landgericht Verden zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die große Jugendkammer sah es als zweifelsfrei erwiesen an, dass der Mann eine 38-jährige Frau in der gemeinsamen Wohnung in Osterholz-Scharmbeck erst mit Fausthieben traktiert und dann mit einem Elektrokabel geschlagen und gewürgt hat. Auch die 14-jährige gemeinsame Tochter erhielt einen Faustschlag ins Gesicht. Wegen seiner starken Alkoholisierung war von verminderter Steuerungs- und Schuldfähigkeit auszugehen.
An beide Nebenklägerinnen muss der mehrfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte Schmerzensgeld zahlen. Er hatte die massiven Gewalttätigkeiten im Prozess ebenso bestritten wie die Vorwürfe der vielfachen Beleidigung von Polizeibeamten und eines Arztes. Die Forderung des Verteidigers lautete auf Freispruch. Das Gericht folgte allerdings in vollem Umfang den Anträgen der Staatsanwältin.
Schon am zweiten Verhandlungstag war es zeitweise hoch her gegangen. Der Angeklagte hatte seinem geballten Unmut wiederholt Luft gemacht, warf aussagenden Polizisten „mexikanische“ Polizeimethoden vor und wollte gar von einem Zeugen wissen, wie viel Geld er für seine Aussage bekommen habe. Das ihm zustehende Fragerecht nutzte der 42-Jährige für Verbalattacken auf den Polizisten und redete sich dabei immer mehr in Rage.
Auch die Tochter geschlagen
Die Polizei war am 20. August 2018 von der 14-jährigen Tochter gerufen worden. Die war vom Angeklagten ebenfalls geschlagen worden, als sie ihrer Mutter im Schlafzimmer zu Hilfe eilen wollte. Auch eine jüngere Tochter hat angegeben, die massiven Gewalttätigkeiten gegen die Mutter beobachtet zu haben. Sie sei mehrmals in das Zimmer gegangen und habe versucht, den Angreifer „wegzujagen“, hatte sie gegenüber einer Polizeikommissarin gesagt. Der Mann habe schließlich „von allein“ von der Frau abgelassen. Die Beamtin berichtete vor der 3. großen Strafkammer (Jugendschutzkammer), das Mädchen habe in der damaligen Vernehmung auch ihre Angst um die Mutter zum Ausdruck gebracht: „Wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre Mama nicht mehr am Leben.“ Die Zeugin erklärte, es sei zunächst wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt worden.
Dass der Angeklagte sich auf ganzer Linie falsch beschuldigt und vor allem durch die Ordnungshüter unrechtmäßig behandelt fühlt, hatte er auch im Verlaufe der Vernehmung einer der beteiligten Beamten zum Ausdruck gebracht. Der Zeuge referierte eindrucksvoll, wie der „erheblich alkoholisierte“ und immer aggressiver werdende Mann sich an dem späten Sommerabend aufgeführt habe, nachdem die alarmierten Beamten in der Wohnung eingetroffen waren. Es habe, kurz gefasst, viel Kraft und Mühe gekostet, den Mann überhaupt aus dem Haus und in den Streifenwagen zu bringen. Auf der Fahrt zur Dienststelle habe er, so der Zeuge, vollmundig gedroht: „Ganz Osterholz wird Euch fertigmachen!“
Einer Blutentnahme habe er zuerst zugestimmt, sich dann jedoch energisch geweigert. So seien Zwangsmaßnahmen erforderlich gewesen. Seine diesbezüglichen Erinnerungen schilderte der beteiligte Mediziner aus Bremen vor Gericht ausgesprochen anschaulich. Vier Beamte und er seien zu dem Randalierenden in die Gewahrsamszelle gegangen, in der es „wie in einer mittleren Eckkneipe“ gerochen habe. Alle seien mit dem „überhaupt nicht kooperativen“ Mann, der um sich trat, schlug und schimpfte, „intensiv beschäftigt“ gewesen, ehe es endlich gelungen sei, die Blutprobe zu erhalten, so der Arzt. Der Angeklagte hatte ihn damals bei weitem nicht nur „Sch… Doc“ genannt.
Ein Rechtsmediziner gab Auskunft über die bei der 38-jährigen Frau festgestellten Verletzungen. Dazu zählten auch ein sogenanntes Brillenhämatom, „klassische Stockschlagverletzungen“, die zur mutmaßlichen Verwendung eines Kabels passten, das „wie eine Peitsche“ benutzt wurde, sowie „streifenförmige Rötungen“ am Hals, die „Drosselmarken“ gewesen sein könnten. Auch die Frau soll reichlich Alkohol konsumiert haben, bevor es in der Küche zum Streit mit dem Angeklagten gekommen war. Dort soll sie bereits heftig geohrfeigt worden sein.