Worpswede. Über prophetische Gaben verfügen Katharina Groth und David Didebulidze nach bisherigem Kenntnisstand nicht. Dennoch haben die beiden Kuratoren mit ihrem Projekt „Ausnahmezustand“ so manche Extremsituation, die diesen Titel rechtfertigte, heraufbeschworen. Die damalige Leiterin der Künstlerhäuser Worpswede und der aus Georgien stammende Künstler hatten ein Projekt mit vielen Variablen entworfen. In 16 Episoden, wie sie es nennen, haben sie vom Frühjahr bis Herbst 2018 das leer stehende Hotel Eichenhof mit Kunstausstellungen und Performances bespielt. Alle zwei Wochen gab es eine neue Inszenierung, über 60 Künstler nahmen an dem Projekt teil. All das war am Anfang nicht klar, vieles entstand im Verlauf und manches war auch äußeren Umständen geschuldet. Nun legen die beiden Verantwortlichen zusammen mit der Gestalterin Kornelia Hoffmann ein Buch vor, das dieses außergewöhnliche halbe Jahr zusammenfasst.
„Unser bester Mitarbeiter war ein Generator“, sagt Groth in der Rückschau. Der wurde nötig, denn irgendwann gab es keinen Strom, keine Heizung und kein Wasser mehr in den Räumen. Dann wieder gab es ganz viel Wasser, denn bei einem Unwetter war ein Baum ins Dach gefallen und der Starkregen flutete die Ausstellungsräume. Mehr Ausnahmezustand geht eigentlich nicht. Genau solche Situationen aber haben die Initiatoren gesucht. Sie haben sich bewusst aus der Komfortzone eines wohl organisierten Ausstellungsbetriebs hinaus und in ein Abenteuer hinein bewegt – und sind dabei auf Künstler gestoßen, die sich darauf ebenfalls einlassen konnten und die spontan in Abhängigkeit von äußeren Umständen agierten. Natürlich gab es vorher keinen Plan, das zu dokumentieren; auch die Idee des Buches wuchs mit dem Geschehen.
Mit dem Ausnahmezustand gelang es auch den Künstlerhäusern Worpswede ein Signal zu setzen. Als federführende Organisation im Hintergrund konnten sie sich mit diesem euphorisch aufgenommenen Projekt große Aufmerksamkeit in Worpswede sichern. Nach turbulenten Jahren galt es für den Verein, sich wieder positiv ins Gespräch zu bringen und im Ort sichtbar zu werden. Das ist geglückt, und nicht zufällig lässt Katharina Groth in einer dem Buch beiliegenden Broschüre auch noch einmal die Geschichte der Künstlerhäuser Revue passieren. Gleichzeitig ist dieses Buch auch ihr Abschiedsgeschenk an Worpswede. Seit Anfang des Jahres ist sie, wie berichtet, nicht mehr im Künstlerdorf tätig, die Künstlerhäuser haben sich mit ihrem neuen Leitbild eine andere Ausrichtung gegeben, die Ausstellungsreihen wie den Ausnahmezustand nicht mehr vorsehen. Groth hat in Bremen den Verlag NNBuch gegründet, der auch dieses Werk publiziert, und leitet das Künstlerstudio von Daniel Knorr in Berlin.
Für sie und Didebulidze sei es noch immer ein wenig unbegreiflich, was im Vorjahr passiert ist. Da helfe das Buch in den Händen, um sich zu vergewissern, dass es wirklich passiert ist, meint Katharina Groth. Und die Herangehensweise an die Publikation versucht, eben diesen Charakter des Unvorhersehbaren zu transportieren. Es ist keine komplette Bilanz, sondern eine Sammlung von Schlaglichtern.
Das Buch „Ausnahmezustand“,
herausgegeben
von Katharina Groth und David
Didebulidze
ist bei
NNBuch
erschienen und kostet 22 Euro. ISBN: 978-3-00-062322-6. An diesem Freitag, 31. Mai, stellen die beiden Kuratoren Katharina Groth und David
Didebulidze
das Buch ab 19 Uhr in der Worpsweder Kunsthalle vor.