Worpswede. Mit der Verpflichtung von Katharina Ritter als künstlerische Leiterin sollte Konstanz in die Arbeit der Worpsweder Künstlerhäuser kommen. Nach turbulenten Jahren mit der konfliktreichen und zum Teil öffentlich ausgetragenen Trennung von Tim Voss und einer Übergangszeit mit Katharina Groth an der Spitze, wurde Ritter im vergangenen April als neue, langfristige Lösung vorgestellt. Nicht mal zwölf Monate später hat nun auch sie, wie berichtet, verkündet, Worpswede wieder zu verlassen. Nach einem Jahr verlängerte sie ihren Arbeitsvertrag nicht, den Künstlerhäusern steht zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren ein Leitungswechsel ins Haus.
Ritter war in einer schwierigen Situation angetreten, die Künstlerhäuser waren – und sind immer noch – in einem Prozess der Neuaufstellung. Eine Machbarkeitsstudie entstand 2018, ein neues Leitbild folgte. Gleichzeitig sind die Martin-Kausche-Ateliers stark renovierungsbedürftig, zur konzeptionellen Neuausrichtung kommt somit die Notwendigkeit der baulichen Veränderungen. Mit dem Abriss des temporären Forums im vergangenen Jahr hat die Institution am Weg Vor den Pferdeweiden zudem einen wichtigen Arbeits- und Gemeinschaftsbereich verloren.
Katharina Ritter hatte sich neben diesen Themen vor allem auf die Fahnen geschrieben, die Arbeit der Künstlerhäuser in Worpswede wieder deutlich sichtbarer zu machen. Mit großer Verve präsentierte sie Projekte öffentlich und begann, verschiedene Kooperationen und Stipendien aufzulegen und inhaltlich mit Leben zu füllen. Der „frische Wind“, der zu ihrer Einstellung versprochen wurde, blies spürbar und kräftig. Die gebürtige Saarländerin fühlte sich wohl im Künstlerdorf, wie sie noch im Januar im Gespräch mit dieser Zeitung beteuerte. „Ich mag den Norden sehr, und ich würde gerne länger bleiben“, sagte die 37-Jährige vor gut zwei Monaten. Umso überraschender kam jetzt die Ankündigung, dass ihre Mission doch nach nur einem Jahr endet.
Die Entscheidung habe sie „schweren Herzens“ getroffen, sagte Katharina Ritter auf Nachfrage. Sie habe den Zusammenhalt in Worpswede sehr genossen. Und: „Gerne wäre ich geblieben, aber nicht unter allem Umständen. Ich habe das Gefühl, dass ich so meine Arbeit nicht vernünftig machen kann.“ Damit spielt sie vor allem auf die fehlende Planungssicherheit an. Ihr Arbeitsvertrag sollte befristet bleiben, zudem beinhaltete er mit 20 Wochenarbeitsstunden nur eine halbe Stelle. Das reiche hinten wie vorne nicht, so Ritter: Weder für die tatsächliche Arbeit, für die mindestens eine volle Stelle nötig sei, noch dauerhaft fürs eigene Auskommen.
Prekäre Arbeitsbedingungen
Das ist der offizielle Teil der Begründung, Ritter spricht in aller Vorsicht aber auch von „unterschiedlichen Strategien und Vorgehensweisen“. Dass es ebenso wie bei ihren Vorgängern Verwerfungen mit dem Vorstand des Trägervereins der Einrichtung gegeben habe, dementiert Vorstandsmitglied Susanne Weichberger. Sie bedauert vor allem den Weggang Ritters, der auch für sie überraschend gekommen sei. Auf der andren Seite zeigt sie Verständnis für den Schritt: „Wir hätten gerne verlängert und andere Konditionen geboten, aber wir können kein Geld versprechen, das wir nicht haben.“
Die institutionelle Förderung, aus der der Arbeitsplatz finanziert wird, werde immer nur für ein Jahr gewährt. Dann muss neu verhandelt werden zwischen den Künstlerhäusern auf der einen und den Geldgebern Gemeinde, Kreis und Land auf der anderen Seite. Dem Verein seien die Hände gebunden, auch wenn er gerne anders agieren wollte, so Weichberger. Sie sieht, ebenso wie Ritter, die Künstlerhäuser dennoch auf einem guten Weg, vieles sei aber nach wie vor erst in den Anfängen, etwa die angestrebte, engere Kooperation mit dem Museumsverbund oder die Pläne zur Bausanierung, die mit Studenten der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) vorangetrieben werden.
Auch der Trägerverein habe sich in den vergangenen vier Jahren saniert. Die Mitgliederzahlen sind laut Weichberger von 25 auf 140 gestiegen; frühere Schulden seien abgebaut, man schreibe wieder schwarze Zahlen. Für sie steht der Verein „so gut da, wie schon lange nicht mehr.“ Und sie sieht die Künstlerhäuser auch nach wie vor als „gute und faire Arbeitgeber“, die ihrer künstlerischen Leitung weithegend freie Hand ließen. Die Nachfolge Ritters ist bereits geklärt und wird auf zwei Schultern verteilt: Philine und Bhima Griem sollen die Künstlerhäuser ab April gemeinschaftlich leiten. Das Berliner Künstlerehepaar war 2018 Initiator des Projektes „Stadtflucht“ im damaligen Forum und war nach einer ersten Bewerbung bereits im vergangenen Jahr in die engere Wahl für die Leitungsfunktion gekommen.
„Für die Arbeit sind sowohl Kunstverstand als auch strukturelle Faktoren von Bedeutung“, begründet Susanne Weichberger die Entscheidung. Diese haben sich bei Katharina Ritter vereint. Nun sollen der Künstler Bhima Griem und die Geisteswissenschaftlerin Philine Griem ihre Erfahrungen einbringen. Und sie verbinden Urbanes mit Worpswede: Beide lebten und arbeiteten zuletzt in Berlin-Kreuzberg, Philine Griem aber wuchs in Worpswede auf. Aktuell sollten sie, ihr Mann und der gemeinsame Sohn nur für ein mehrmonatiges Familien-Stipendium ins Künstlerdorf zurückkehren. Nun bleiben sie vermutlich länger.