Die Bandmaschine schnurrt, der Klang aus den Lautsprechern ist glasklar und satt, die Handgriffe sitzen. Monika Götz-Bellmer legt ein Tonband mit Seemannsliedern von Jan Behrens auf das riesige Abspielgerät. Dass beides – das Bandmaterial wie die mächtige Maschine von Telefunken – zig Jahrzehnte auf dem Buckel haben, ist nicht zu hören. Von Verschleiß keine Spur, die Aufnahme ist professionell, und die Frau an den Regler, weiß, was sie da tut. Monika Götz-Bellmer war zeit ihres Berufslebens Tontechnikerin bei Radio Bremen, von dort stammen auch die irgendwann ausrangierten Geräte und Bänder. Über ihr „Leben mit dem Radio“ hat die Worpswederin nun ein Buch geschrieben.
„Liebe Hörer, vergessen Sie bitte nicht, die Antenne zu erden!“, so heißt das mittlerweile sechste Werk der Hobby-Autorin. Klingt technisch, war aber vor allem in den frühen Jahren von Radio Bremen eine sinnvolle und regelmäßige Ansage, damit Zuhörer überhaupt Programme empfangen konnten. In Zeiten von Internet-Streaming kaum mehr vorstellbar. Monika Götz kam als 17-jährige Auszubildende 1963 zu dem Sender, der in ihrem Geburtsjahr 1945 gegründet wurde und im Dezember 2020 seinen 75. Geburtstag feierte. Auch wenn sie die ersten Nachkriegsjahre nur als Hörerin in ihrem Elternhaus in Oslebshausen erlebte, hat sie gerade diese Gründerjahre später zum Inhalt mehrerer Sendungen gemacht.
Sie war zwar Toningenieurin, aber sie habe sich immer mehr für den Inhalt der Sendungen als für die Technik an sich interessiert, sagt Götz-Bellmer. Schnell begann sie, auch als Autorin zu arbeiten und eigene Sendungen sowie Hörspiele zu produzieren. Sie hat ein Stück Rundfunkgeschichte miterlebt und ihren Teil davon gestaltet, aber zu einem nostalgischen oder gar rührseligen Erinnerungswerk fühlte sie sich nicht berufen. In ihrem Buch nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Sie nennt zwar viele Akteure nicht beim Namen, aber Eingeweihten ist meist klar, von wem sie schreibt. Es geht um den sozialdemokratischen Filz in Bremen, der oft dafür gesorgt habe, dass nicht der beste Bewerber, sondern der mit dem richtigen Parteibuch einen Posten bekam. Es geht um inkompetente Kollegen, denen nicht selten das journalistische Rüstzeug gefehlt habe. Und es geht auch um eine junge Frau in einem Beruf, der zu ihrer Zeit eine Männerdomäne gewesen sei. Auch in einem Sender wie Radio Bremen, der immer als besonders fortschrittlich und aufgeklärt galt, hätten alte, weiße Männer das Sagen gehabt, die allzu gerne jungen Kolleginnen gegenüber übergriffig geworden seien. Erst mit Einzug der 68er-Generation seien diese verkrusteten, patriarchalischen Strukturen aufgebrochen worden, erinnert sich die Autorin. Aber es gibt auch andere Erinnerungen, zum Beispiel an Persönlichkeiten wie Hans Günther Oesterreich, der den Sender gründete, oder Hans-Joachim Kulenkampff, mit dem sie einst ein mehrstündiges, biografisches Feature produzierte.
Nach mehr als 40 Berufsjahren ging Monika Götz-Bellmer 2005 vorzeitig in den Ruhestand. Der Sender musste Personal abbauen, sie nutzte die Gelegenheit für einen Neustart und zog nach Worpswede. Im selben Jahr erschien ihr erstes Buch. Sie schrieb über ihre Familiengeschichte und über Friedrich Schiller, zu dem es verwandtschaftliche Beziehungen gab, über Partnersuche im Internet, ihren Kollegen Robert Friedrich und über das Dasein als Künstler in Worpswede. Sie begann selber zu malen und richtete sich in ihrem neuen Haus wieder ein Studio ein. Dabei half ihr ein Techniker, der ihre Geräte schon bei Radio Bremen wartete. Noch heute ist der mittlerweile über 80-Jährige zuweilen bei ihr im Einsatz.
Zu den analogen Maschinen, bei denen die Bänder tatsächlich noch im wahrsten Sinne des Wortes geschnitten werden, ist auch digitale Technik dazugekommen. Monika Götz-Bellmer bearbeitet manche Aufnahme am Computer, lieber aber greift sie zu Schere und Spezialkleber, um etwa Klangcollagen für Freunde zu Geburtstagen zu produzieren. Aus herausgeschnittenen Versprechern bekannter Politiker hat sie sich neue „Reden“ zusammengeklebt und diese mit weiterem Material gemischt.
Fände sich die 75-Jährige heute, in einem komplett computergesteuerten Regieraum noch zurecht? „Na klar“, sagt sie, „man müsste mir nur zeigen, wo das Pult angeht!“ Den Rest verlerne man nicht. Wie sie eine Stimme einpegeln muss, damit sie in Relation zur Musik bestehen kann, ist Götz-Bellmer sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen. Die Musik sei heute klanglich viel komprimierter, dem werde nicht immer genügend Rechnung getragen, kritisiert sie.
Aber wenn sie nicht gerade schreibt, schneidet oder malt, höre sie noch immer gerne Radio. Die Sendungen auf den meisten Wellen seien zwar beliebiger geworden, aber gute Moderatoren gebe es immer noch, ist sie überzeugt. Dennoch, in den vergangenen Jahren nahm das Schreiben immer mehr Raum ein, ihr siebtes Buch ist fast fertig. Es ist Hans-Joachim Kulenkampff gewidmet. Der Bremer Showmaster würde am 27. April 100 Jahre alt, bis dahin soll das Werk über ihn vorliegen. Ein Kapitel über „Kuli“ ist aber auch schon im aktuellen Buch zu lesen.
Weitere Informationen
„Liebe Hörer, vergessen Sie bitte nicht, die Antenne zu erden! – Ein Leben mit dem Radio“ von Monika Götz-Bellmer ist im Selbstverlag erschienen und kostet 14,95 Euro. Es ist erhältlich bei der Albatros Buchhandlung in Bremen, Fedelhören 91, oder online auf www.albatros-buch.de. Informationen zur Autorin gibt es unter https://historyradio.de.
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