Wenn Dorota Albers Porzellan in die Hand nimmt, formt sie es zu zarten floralen Elementen als eine Hommage an die Natur. Der kreative Prozess von Katja Wunderling beginnt bereits beim Sammeln und Auswählen von Naturmaterialien, die sie später in ihren Zeichnungen und Assemblagen weiter verarbeitet. Unter dem Titel „flora organica“ zeigen die beiden Künstlerinnen jetzt ihre Arbeiten im Village, präsentiert vom Neuen Worpsweder Kunstverein.
Dem Porzellan eine andere Nische in der bildenden Kunst zu geben und es mit anderen Materialien zu verbinden, war ein Anliegen von Dorota Albers, als sie begann, ihre zarten Kelche zu formen. Dabei wurden Erinnerungen der Künstlerin, die heute in Stade lebt, an ihre polnische Heimat wach. Dort lebte sie am Rande des Waldes, dessen Boden im Frühjahr mit einem Blütenteppich von Buschwindröschen bedeckt war.
Mit einer großformatigen Arbeit schuf sie eine Hommage an diese Schönheit der Natur. Die aus Porzellan geformten Blütenkelche wurden gebrannt, mit einem grünen Faden versehen und in einen feinen Draht eingewebt. So entstand ein großer Blütenteppich, auf dem sich die Blüten an einigen Stellen verdichten und andere frei lassen. Ergebnis ist eine große Zartheit und Leichtigkeit, akzentuiert durch das zarte Grün.
Eher an die Meereswelt, an Korallen, die gleichermaßen bizarr und fragil sind, dachte die Künstlerin, als sie Körper aus einzelnen Porzellanformen entwickelte. Dicht aneinander sitzen die einzelnen weißen Porzellan-Elemente, deren Einheit nur manchmal unterbrochen wird. Feinen Blütenfasern gleich kommt aus jedem einzelnen ein zarter Faden, der am Ende rot oder grün leuchtet.
Für diese Arbeiten nähte die Künstlerin die einzelnen Formen mit einem Draht auf ein Metallgitter, zog dieses dann zu einem Ganzen zusammen, das sie in einen Holzrahmen einbrachte, bevor sie schließlich den Drahtfaden am Ende mit Farbe versah. Auf diese Weise schafft Dorota Albers eindrucksvolle, poetische Arbeiten, mit denen sie auch philosophischen Fragen des Lebens nachgeht. Es sind die Gedanken nach dem Werden und Vergehen und nach dem Kreislauf der Natur, die die Künstlerin bewegen.
Katja Wunderling streift oft durch die Natur, um Materialien zu sammeln, die später Teil ihrer Arbeiten werden. Wie etwa ein Wandobjekt, aufgebaut aus den Samenschoten eines Trompetenbaumes. Die feinen Materialien wie Samen, Nadeln oder Blütenhülsen finden ihren Platz auf mit Halbkreidegrund bemalten Packpapier.
Unglaubliche Feinarbeit
Früher konzentrierte sich die Künstlerin, die in Nürnberg lebt und arbeitet, auf die Radierung. Auch wenn sie heute immer noch mit der Radiernadel arbeitet, hat sie sich von der eigentlichen Technik entfernt. Ihren Arbeitsgrund baut sie aus Knochenleim, Kreide und weißpigmentiertem Leinöl auf, das sie auf Packpapier streicht, ebenso wie aus Eitempera, Ölkreide und auch den Naturmaterialien wie etwa Senfsaat oder Samenhülsen.
Mit der Radiernadel entstehen Ritzungen und Zeichnungen. Obwohl die Linien durch das Einritzen vertieft sind, wirken sie erhaben, so als schwebten sie fast auf der Oberfläche. Es sind filigrane Linien, vielfach übereinander gelegt und verwoben, die wie organische Formen erscheinen, wie man sie vielleicht unter dem Mikroskop sehen könnte. Eine unglaubliche Feinarbeit führt zu diesen Ergebnissen, die ebenso einen ornamentalen Charakter aufweisen. Ein tiefes, meditatives Versenken in das Material und die technischen Möglichkeiten der Künstlerin bringen diese oft auch archaisch anmutenden Bilder hervor. Andere erscheinen wie Chiffren aus einer vergangenen Zeit und Kultur. Dazu hat die Künstlerin wiederum Karton mit einer Farb- und Materialmischung bedeckt, um mit der Nadel die feinen weißen Linien herauszuarbeiten. Gleichzeitig entwickelt sie durch einzelnen Reiskörner zusätzliche Zeichen. Eine reliefartige, plastische Oberfläche erreicht Wunderling, wenn sie Transparentpapier in mehreren Lagen schichtet und Formen herausritzt.
Mit „flora organia“ präsentieren Dorota Albers und Katja Wunderling, die sich vorher nicht kannten, eine Ausstellung, in der sie sich in Technik, Ausdruck und Philosophie hervorragend ergänzen. Die meditative Versenkung bleibt schließlich nicht allein bei den Kunstschaffenden, auch der Betrachter vermag sich in die Bilder hinein zu vertiefen, um ihre Poesie und Magie zu spüren.
Noch bis zum 26. Mai ist die Ausstellung in den Räumen des Neuen Worpsweder Kunstvereins im Village zu sehen.