Worpswede. Am ersten Tag ihrer Sommerreise hat Gabriele Andretta am Dienstag Worpswede besucht. Die Präsidentin des niedersächsischen Landtags ist formal die erste Frau im Land, dennoch hatte ihr Besuch wenig mit Etikette und Protokoll zu tun, umso mehr aber mit inhaltlicher Tiefe und einem nachhaltigen Interesse am Künstlerort. Wie oft sie schon zu Gast war, konnte die Sozialdemokratin nicht beziffern, Termin und Inhalt der letzten Visite aber habe sie noch deutlich vor Augen: 2014 war sie, damals als Vizepräsidentin des Landtags, zur Eröffnung der Ausstellung zu „125 Jahre Künstlerkolonie“ vor Ort, aber auch zuvor hatte sie sich schon mehrfach über den Masterplan und die Entwicklung Worpswedes aus erster Hand berichten lassen.
Entsprechend gut informiert reiste Andretta aus Celle, der ersten Station ihrer Reise, an. Mit den drei Eckpunkten Barkenhoff, Käseglocke und Große Kunstschau in zwei Stunden war das Programm komprimiert, aber alles andere als oberflächlich. Zur Begrüßung hat Landrat Bernd Lütjen, der zusammen mit Vertretern der Orts- und Landespolitik und aus dem Museumsverbund den Besuch begleitete, an Andrettas Visite im Jahr 2012 erinnert. Damals habe sie sich von dem gerade am Beginn der Umsetzung befindlichen Masterplan Worpswedes tief beeindruckt gezeigt. Nun gehe es darum, aufzuzeigen, wie sich in den vergangenen sieben Jahren der Ort weiterentwickelt habe und wo es zukünftig noch hingehen solle.
Thema: Stipendiatenförderung
Gabriele Andretta sprach von sich aus mehrfach das heikle Thema der Stipendiaten-Förderung an. Sie selbst machte keinen Hehl daraus, dass sie die Entscheidung des Landes, das Programm im Jahr 2014 in Worpswede nicht mehr fortzuführen und stattdessen in Lüneburg zu konzentrieren, als nicht optimal empfindet. Damit rannte sie vor Ort offene Türen ein: Wie wichtig die Förderung junger Künstler und die Konfrontation der Worpsweder Traditionen mit zeitgenössischen Positionen für einen lebendigen Künstlerort sind, wurde ihr an allen Stopps deutlich gemacht.
Jörg van den Berg, Leiter der Großen Kunstschau, verdeutlichte die Bedeutung der neuen Sichtweisen auf das „alte Worpswede“ mit dem aktuellen Konzept für sein Haus, in dem er in allen Ausstellungen frische Perspektiven aufs Bekannte herzustellen versucht. „Beharrungssehnsüchten“ wolle er entgegen wirken, sagte er. Bestes Beispiel ist dabei die Rotunde, die Andretta ebenfalls gut kannte, aber so wie aktuell inszeniert noch nicht erlebt hatte.
Zentraler Punkt des Besuchs war aber die Käseglocke, denn sie gab den Ausschlag dafür, überhaupt nach Worpswede zu kommen. Thema der Sommerreise sind „100 Jahre Bauhaus“, und damit war der Bogen zu Bruno Taut, nach dessen Plänen – aber ohne seine Zustimmung – der Rundbau einst entstand, geschlagen. Den Weg dorthin, durch den Wald vom Barkenhoff aus, nahm die erste Frau im Land dann auch gerne zu Fuß in Angriff – auf High Heels und mit einem Lächeln. Immerhin sei sie mit diesem Schuhwerk auch schon Motorrad gefahren, wischte sie eventuelle Bedenken fort. Dass man unterwegs kurz die Orientierung verlor, lag dann auch weniger an den äußeren Umständen als vielmehr an den intensiven Gesprächen, die auch zwischen den Stationen die volle Aufmerksamkeit beanspruchten. Zurück auf den richtigen Pfad fand man dann schnell, und am Ende des Tages stand ein überzeugendes Fazit der Präsidentin: Sie verlasse den Ort nicht „zugepackt“, sondern inspiriert. „Wir wissen im Land, was wir an unserem Worpswede haben“, sagte Gabriele Andretta zum Abschied.
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