Frau Schuman, der Valentinstag steht vor der Tür. Für viele Menschen ist er der Tag der Liebe. Sagen Sie uns doch bitte, was ist Liebe?
Kerstin Schuman: In unserer westlichen Gesellschaft wird Liebe häufig mit der romantischen Liebe à la Hollywood gleichgesetzt. Eine körperliche, seelische und geistige Verbindung, die auf Erwiderung und Zugehörigkeit beruht. Liebe besteht häufig in der Beziehung zweier Menschen, die sich im besten Fall glücklich fühlen miteinander. Im Buddhismus dagegen ist Liebe ein selbstloses Gefühl, das wir einem anderen Lebewesen entgegenbringen in dem Wissen, dass wir dem anderen damit Gutes tun. Ein Gefühl ohne Erwartung.
Und was ist Verliebtsein?
Verliebtsein ist eine geistige, körperliche und/oder seelische Anziehung. Im Idealfall die Vorstufe zur Liebe. Der Wunsch, mit dem Anderen Zeit zu verbringen. Verliebtsein ist die Aufregung, die all die Glückshormone, Endorphine und Dopamine freisetzt, die uns ein dauerndes Hochgefühl vermitteln.
Kann so ein Valentinstag Paaren guttun?
Auf jeden Fall. Wenn Paare diesen Tag zur Beziehungspflege nutzen, gemeinsam miteinander schöne Momente erleben und sich Aufmerksamkeit schenken. Der Valentinstag hat wenig Wert, wenn es nur um teure Geschenke geht. Es geht darum, sich gegenseitig Aufmerksamkeit zu schenken, den anderen zu sehen und zu schätzen für all die Dinge, die man an ihm liebt.

Kerstin Schuman bietet psychologische Beratung in Worpswede an.
Was macht eine glückliche Beziehung aus?
Was bedeutet Glück? Vermutlich hat jeder Mensch eine andere Antwort auf diese Frage. Als Paartherapeutin sehe ich zwei Menschen, die eine enge Verbundenheit spüren, die sich reiben können und daran wachsen. Die offen und ehrlich miteinander sind, sich lieben und schätzen und nie aufhören, miteinander zu sprechen und auch die körperliche Nähe miteinander zu genießen.
Wann passt man denn zueinander?
Die Frage habe ich schon oft gehört. Grundsätzlich können alle Menschen miteinander glücklich sein, wenn die Anziehung stimmt. Statistisch gesehen steigt die Länge der Beziehungsdauer mit den Gemeinsamkeiten. Wenn zwei Menschen sich sehr ähnlich sind, verstehen sie sich quasi ohne Worte. Und Kommunikation ist in den meisten Beziehungen die größte Herausforderung. Aber auch Gegensätze ziehen sich an und geben uns die Chance, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Voraussetzung dafür ist, dass wir uns darauf einlassen und offen dafür sind, dass der andere eben anders ist.
Was passiert mit uns, wenn wir frisch verliebt sind?
Glückshormone durchfluten unseren Körper und sorgen für gute Stimmung, erhöhter Puls, Kribbeln im Bauch, Appetitlosigkeit, glänzende Augen. Eine sehr gesundheitsfördernde Droge, das Verliebtsein.
Zeigen Frauen ihre Liebe anders als Männer?
Aus meiner Praxis kann ich das pauschal nicht bestätigen. Ich sehe das eher typ- als geschlechtsabhängig. Bin ich eher ein Nähe- oder ein Freiheits-Typ. Bin ich eher sachlich oder eher emotional?
Wenn Liebe nicht erwidert wird, kann einem der Schmerz das ganze Leben vermiesen. Wie reagiert der Körper auf Liebeskummer?
Liebeskummer bedeutet den Verlust eines Menschen und kann sich genauso schmerzhaft äußern. Das können Depressionen, unkontrollierbare Weinkrämpfe, Herzschmerzen, Ängste, Schlafprobleme, Magenbeschwerden oder Symptome einer Grippe sein. Körper und Seele sind eins. Wenn es mir nicht gut geht, geht es meinem Körper auch nicht gut.
Kann das Herz tatsächlich vor Kummer erkranken?
Das sogenannte „Broken Heart Syndrome“ ist eine Herzerkrankung, die bei Patienten beobachtet wurde, die mit einem Trauerfall zu kämpfen hatten. Schmerzen in der Brust, Enge und Atemnot sind Symptome ähnlich einem Herzinfarkt. Durch den Stress schüttet der Körper Adrenalin aus, das dem Körper auch real physisch zu schaffen macht. In den meisten Fällen legen sich die Symptome nach einer Weile.
Ist der Liebeskummer nach einer langen Beziehung größer als nach ein paar Wochen Verliebtsein?
Der Volksmund sagt, dass das Verarbeiten einer Beziehung noch einmal halb so lange dauert wie die Beziehung selbst. Ich denke, das hat eher mit der Intensität der Beziehung zu tun. Je intensiver die Beziehung, um so intensiver auch das Gefühl des Verlusts. Den Schmerz zu verarbeiten braucht die Zeit, die es braucht. Schwieriger ist es, wenn die Trennung ein Gefühl von Wertlosigkeit auslöst, denn dann geht es an unser innerstes Selbstbild, und dann braucht es auch Zeit, das eigene Selbstwertgefühl wieder ins Lot zu bringen.
Der erste Liebeskummer ist oft der schlimmste, sagt man. Sehen Sie das auch so?
Das würde bedeuten, dass es mit den Erfahrungen besser oder einfacher wird. Das zeigt meine Erfahrung nicht. Jeder Liebeskummer ist auf seine Art schmerzhaft, und da kann der erste so schmerzhaft wie der letzte sein.
Wie können Eltern ihren Kindern helfen, aus dem seelischen Loch nach dem Aus der jungen Liebe herauszukommen?
Das was Eltern immer tun können, wenn es den eigenen Kindern nicht gut geht. Zuhören, Verständnis zeigen, da sein. Auch wenn die Stimmung gar nicht besser wird, die Geschichte zum zehnten Mal auf den Tisch kommt oder das Kind gar nicht sprechen möchte. Sich erinnern, wie es bei einem selbst war, wenn man so traurig war. Das schafft Verständnis. Und ja, es kommen bestimmt noch einige interessante Menschen und ja, das wird bestimmt nicht die letzte Liebe sein aber nein, solche Sprüche sind gut gemeint, aber helfen überhaupt nicht.
Auch Erwachsene leiden Höllenqualen, wenn sie verlassen wurden. Gehen Männer anders mit dem Herzschmerz um als Frauen?
Meine Erfahrung zeigt, dass Frauen mehr sprechen als Männer. Mit Freunden und Freundinnen, dem (Ex)-Partner, Arbeitskollegen und Kolleginnen. Warum, wieso, weshalb? Frauen suchen häufig Antworten und Verbündete im Gespräch, während Männer das gerne mit sich ausmachen. Häufig suchen Frauen in einer solchen Situation auch eher therapeutische Hilfe als Männer.
Fast jeder mit Liebeskummer hofft darauf, dass der Ex-Partner zurückkommt. Wie hilfreich ist da Hoffnung?
In diesem Moment ist der Partner gegangen und macht auch keine Anstalten zurückzukommen, meidet den Kontakt. Wir haben nur diesen Moment in unserem Leben. Die Vergangenheit ist vergangen und die Zukunft noch nicht da. Die Hoffnung verlängert das Leiden und versetzt uns in die passive Opferrolle. Das fühlt sich hilflos an und kostet alle Energie. Keine gute Idee.
Manche stürzen sich in ein neues Abenteuer, andere betrinken sich – gibt es einen Erste-Hilfe-Plan für den Gefühlssumpf?
Was tut mir gut, was gibt mir Kraft und trotz allem helle Momente? Ausgehen mit Freunden, spazieren gehen, ein heißes Bad, mit dem Haustier kuscheln. Was Körper und Seele gut tut ist erlaubt. Akzeptieren, was ist. In dem Moment müssen wir durch den Strudel durch, damit es besser werden kann. Und dann darf ich überlegen, was ist das Gute im Schlechten? Endlich kann ich wieder tun, was ich möchte, ohne zu fragen? Worauf ich meine Gedanken richte, dahin geht meine Energie.
Was empfehlen Sie bei Liebeskummer?
Wenn Sie allein nicht rauskommen aus dem Sumpf, suchen Sie sich Hilfe. Vielleicht sind Freunde nicht immer die besten Ratgeber und können es vielleicht irgendwann nicht mehr hören. Dann kann es hilfreich sein, sich einen Coach zu nehmen.
+++ Dieser Text wurde aktualisiert um 22:13 Uhr +++