Grasberg. Vor drei Jahren schleppten die Geschwister Thees und Elin am Ende der Sommerferien einen Hühnerstall von den Nachbarn zu sich nach Hause. „Das war mühsam“, erinnert sich Elin mit einem Lächeln. Das bleibt auch auf ihrem Gesicht, als sie sagt: „Eigentlich habe ich mir das nicht ausgesucht.“ Dabei blickt sie ihren Bruder von der Seite an. Er wollte mit der Geflügelzucht beginnen. Sie machte eben mit. Vier Hühner zogen damals auf dem elterlichen Grundstück ein. Das erste hieß Berta, ein Araukaner-Huhn. „Es wurden immer mehr“, beschreibt die 13-jährige Elin das, was folgte. Heute scharren und picken rund 70 Hühner auf der Bauernwiese, und Jungziegenbock Paul hält den Habicht fern. Sechs Hühner wollen sie bei der Rasse-, Park- und Ziergeflügelschau am 14. und 15. Oktober in Grasberg zeigen – als Mitglieder des veranstaltenden Nutz- und Rassegeflügelzucht-Vereins Grasberg und Umgebung.
Rund 530 Tiere werden zwei Tage lang in Vereinsheim und Reithalle zu sehen sein. Hühner, Gänse, Enten, Tauben, Fasane. Alles, was die etwa 100 Mitglieder des Vereins züchten. Allerdings darf nur am Wettbewerb um den Vereinsmeister-Titel teilnehmen, wer mindestens sechs Tiere einer Rasse, in einer Farbe und aus der eigenen Zucht aus dem Jahrgang 2017 präsentieren kann. Thees sagt: „Wir haben acht wildfarbige Araukaner.“ Der 15-Jährige mag diese Tiere, weil sie grüne Eier legen. Dazu picken Vorwerkhühner und Hybridhühner auf ihrer Wiese im transportablen Stall.
Anders ist es für Talea. Sie züchtet zusammen mit Bruder Cedric Hühner und bedauert: „Ich habe noch nicht genug Tiere.“ In diesem Jahr wird die 13-Jährige auf der Ausstellung darum nichts zeigen. Noch ist sie auf der Suche nach ihren Favoriten. Sie möchte gerne Zwerg-Brakel in Gold züchten. So hat jeder seine Lieblingsrasse. Schmunzelnd erzählt der Jugendleiter des Grasberger Vereins, Andreas Otten, die Geschichte seiner Lieblingshühner. Seit 1994 gehört er dem Verein an, als Folge eines Besuchs bei der Geflügelschau. Hühner gehalten hatte er schon, seit er acht Jahre alt war. Als 14-jähriger sprach ihn der damalige Jugendleiter und heutige Vereinsvorsitzende Günter Drewes an, ob er nicht im Verein mitmachen wolle. „Warum nicht“, sagte sich Otten, als er so alt war wie die Jungzüchter Talea, Elin und Thees. „Leider hatte ich Mischlinge“, erinnert er sich an seinen damaligen Tierbestand. Die waren nicht ausstellungsfähig. Bei den Züchtern geht es um die reinen Rassen. Er fragte damals den Fachmann, was es denn so gebe. Der zählte einige Rassen auf. Auch „Zwergseidenhühner“. Dieser Name gefiel ihm. Als er dem damaligen Jugendleiter aber sagte, dass er die Tiere mit dem fellartigen Gefieder in weiß züchten wolle, verzog dieser das Gesicht. Weiße Federn. Die werden doch schwarz, wenn die Tiere in der Erde wühlen und selbst nach dem Waschen bleibe ein Grauschleier im Brustgefieder. Das verderbe jede Chance auf einen Titel.
Kein Thema für Andreas Otten. Er ist den Zwergseidenhühnern bis heute treu geblieben. Etwa 40 der flauschig weichen, anhänglichen und familientauglichen Hühner picken und trippeln derzeit geschäftig im Auslauf. Anders als Elin und Thees, die Namen sagen wie Anneliese und Ursula, wenn sie über ihre Hühner sprechen, trug bei Otten nur das allererste Huhn einen Namen. „Lady Di“, in Erinnerung an die britische Prinzessin, die zu der Zeit gestorben war, als dieses Huhn Ottens Zucht begründete. Acht Jahre alt wurde diese Di und holte die Höchstnote bei der Landesverbandsjugendschau. Otten grinst: „Da war mein Jugendleiter ganz schön überrascht, dass ich mit einem weißen Huhn solche Noten bekomme.“
Hühnerzucht ist wieder modern, weiß Otten. Junge Paare und Familien legen Wert auf ökologische Eier. Bei keinem Huhn weiß man besser, was es frisst und wie es lebt, als beim eigenen. In diesem Sommer beispielsweise zog und drosch Thees selber Weizen, denn: „Ich mische mein Futter selber.“ Maiskörner dafür sammelt er auf abgeernteten Feldern, und Gerste und Hafer besorgte er auch in der Region. Er stellt zufrieden fest: „Die Hühner legen mehr Eier als normal.“ Jugendleiter Otten kommentiert: „Da kann man mal sehen, was das Futter bringt.“ Durch den Eierverkauf ihrer Mischlinge finanzieren sich Thees, Elin und Talea die Rassegeflügelzucht.
Fachwissen und Tipps bekommt man in einem Verein. Darum sind die Jugendlichen und auch Christine Arens eingetreten. Ihre dreijährige Tochter kann es gar nicht erwarten, von Ottens Zwergseidenhühner weiter zum Aufbau in die Ausstellungshalle zu fahren. Noch zählt sie das Alter an den Fingern ab. Einer mehr und sie darf auch in den Verein eintreten. Ab vier Jahre sei das möglich, so Otten. Bis 18 Jahre gehören die Mitglieder der Jugendgruppe an. Derzeit zählt der im Jahr 1896 gegründete Nutz- und Rassegeflügelzucht-Verein Grasberg acht junge Leute. „Thees, Elin, Talea und Cedric sind schon die Älteren.“ Alle zusammen bilden die größte Jugendgruppe im Kreisverband. Jugendsommerspiele, Transportkisten bauen, Osterbasteln, Fahrten zum Wettbewerb im Hähnekrähen nach Bremerhaven oder zur Deutschen Junggeflügelschau nach Hannover stehen auf ihrem Programm. Elin schwärmt: „Wir Jugendlichen verstehen uns alle.“
Die drei jungen Leute halten die Hühnerzucht für ein Hobby mit überschaubarem Zeitaufwand. Sie müssen zweimal am Tag Füttern und regelmäßig Ausmisten. Anders als beispielsweise ein Hund legen Hühner auf große Kuscheleinheiten kaum Wert, sind sie sich einig. Da bleibt noch genug Zeit für Fußball, Schützenverein und Jugendfeuerwehr.
Rasse-, Park- und Ziergeflügelschau, Grasberg, Vereinsheim und Reithalle Wörpedorfer Straße 17, Sonnabend, 14. Oktober, 10 bis 18 Uhr und Sonntag, 15. Oktober, 10 bis 17 Uhr. Freier Eintritt für Kinder bis 14 Jahre. Erwachsene 3,50 Euro pro Person.