Lilienthal. Wie hoch sind wir? Ziemlich hoch. Oder doch nicht? Und wohin fliegen wir jetzt? Keine Angst, wir sitzen auf einer Bank unten auf sicherem Boden in der Schoofmoor-Halle. Trotzdem geht es in unserem Kopf gerade ziemlich rund, wir fliegen nämlich kreuz und quer durch die Halle, ohne den Boden unter unseren Füßen zu verlassen. Der Hallenflugtag des TV Falkenberg macht’s möglich.
Gut 40 Modellflieger, auch von befreundeten Vereinen in Oldenburg, Delmenhorst und Bremen, haben sich in der Schoofmoor-Halle eingefunden, und auch die Zuschauertribüne ist bis zum frühen Nahmittag gut gefüllt, als die Modellflugsparte des TVF ihren traditionellen Hallenflugtag veranstaltet. In diesem Jahr haben sich Spartenleiter Roger Bartsch und Organisator Andreas Eichler etwas Neues ausgedacht: einen Wettbewerb im FPV-Fliegen für Micro-Racer, auch bekannt als Drohnen.
Daneben wird das übliche Programm geboten: Durch die Halle sausen viele Hubschrauber, manche mit einem Rotor oben und kleinem Heckrotor, andere mit zwei Kopfrotoren und manche mit einem doppelten Rotor, dessen Teile sich gegenläufig drehen – „Koax“ nennt sich die Bauart, die besonders für Anfänger geeignet sein soll.
Einige Vereinsmitglieder haben „Scale-Modelle“ mitgebracht, naturgetreue Nachbildungen richtiger Flugzeuge, aber die meisten vergnügen sich mit den „fliegenden Wandisolierungen“, wie Roger Bartsch die Fluggeräte nennt, die nur aus Flügeln und Motor bestehen. Das Material ist Depron, ein Schaumstoff, der noch leichter ist als Styropor. „Jetzt wurde was Neues entdeckt“, berichtet Roger Bartsch: EPP, ebenfalls ein Schaumstoff, genauso leicht wie Depron, aber elastischer, so dass er viel weniger bruchempfindlich ist. Nur leider fasst er sich ein wenig klebrig an, wie an einem Modell festzustellen ist, und das klebrige Gefühl an den Fingern wird man so schnell nicht wieder los.
Ein Flugsimulator für die Zuschauer
Die Zuschauer auf der Tribüne beschäftigen solche Fragen weniger. Für sie wurde ein Flugsimulator aufgebaut, mit dem sie am Bildschirm ein Flugzeug steuern können. Auf einer Leinwand erleben sie die neuesten Errungenschaften der TVF-Flieger: Fliegen per Micro-Racer, auch „FPV-Fliegen“, das Kürzel steht für „First Person View“. Die kleinen Drohnen mit Kamera gibt es mit zwei, drei oder vier Rotoren – die zweiflügligen sind, wie Andreas Eichler erklärt, schnell bei geringem Stromverbrauch, während die Geräte mit drei oder vier Rotoren wendiger sind, so dass sie um engere Kurven fliegen können.
Damit ist man beim Wettbewerb im Vorteil. Der führt durch die ganze Halle. Dort sind Tore aus ummanteltem Kunststoff aufgebaut, die durchflogen werden müssen, und Slaloms aus Stangen. Die Piloten setzen sich ihre Drohnenbrillen auf und sehen die Halle nun so, wie es ihnen die Kamera in ihren Micro-Racern zeigt – als wären sie selbst an Bord. Zwölf Teilnehmer fliegen zuerst jeder eine Runde für sich, dann sind die drei Schnellsten im Finale drei Runden lang gleichzeitig in der Luft. Es gewinnt Marc Borgert vor Malte Menal und Oliver Rieper, alle kommen aus Ristedt. „Die sind schon deutlich erfahrener im FPV-Flug, das hat man gemerkt“, meint Andreas Eichler.
Auch Wiebke Timm aus Grasberg fliegt seit einiger Zeit mit Drohnen, wobei sie dieses Wort mit seinen Assoziationen nicht recht mag. „Eigentlich ist eine Drohne alles was fliegt, ohne dass jemand drinsitzt“, erklärt sie. Sie ist durch ihren Lebensgefährten zu diesem Hobby gekommen und fliegt mit einem Quadscopter QX 90, bei dem der diagonale Abstand der vier Rotoren zueinander 90 Millimeter beträgt. Bisher hat sie Hubschrauber geflogen. Aber in letzter Zeit seien Quadcopter billiger geworden, sagt sie, und da habe sie es mal ausprobiert.
Ist das schwieriger als „Line of Sight“, also normaler Modellflug, bei dem man sein Fluggerät vom Boden aus sieht? Für sie sei es einfacher, sagt sie, denn sie sei kurzsichtig, und da bei Kurzsichtigen das räumliche Sehen nicht so gut funktioniere, könne sie aus größerer Entfernung nicht immer erkennen, ob ihr Hubschrauber gerade auf sie zufliege oder von ihr weg. Das kann große Auswirkungen auf den Kurs haben, da man, wenn das eigene Fluggerät auf einen zufliegt, blitzschnell umdenken muss – was in der einen Richtung links ist, verkehrt sich in rechts und umgekehrt. Da schafft man es nicht immer rechtzeitig, Hirn und Finger an der Fernsteuerung in Einklang zu bringen.
Beim FPV-Fliegen mit großer Bildschirmbrille fühlt man sich, als sitze man selbst in seinem Flieger. Einige Mitglieder seiner Sparte hätten schon vor zehn Jahren erste Versuche gestartet, damals noch mit der Kamera in der Nase von Flugzeugen, erklärt Roger Bartsch. Da war sie bruchgefährdet. „Bruchgefahr hat man immer im Modellflug“, sagt Bartsch, aber in der Nase habe die Kamera eine viel bessere Sicht als aus dem Cockpit heraus. Seitdem es die Micro-Racer gibt, ist das FPV-Fliegen populärer geworden, und man kann sogar ungefragt und unangemeldet mitfliegen, wenn man eine Bildschirmbrille hat, denn die Bilder, die die Kamera sendet, sind frei empfangbar.
Also mal eben bei einem anderen Piloten mitfliegen. Die Wände der Schoofmoor-Halle scheinen auf den Passagier zuzubrausen, einem Flugzeug wird gerade noch ausgewichen, die engen Kurven spürt man deutlich im Magen, obwohl man doch sicher auf einer Bank sitzt, aber es ist kaum möglich, die eigene Höhe zu bestimmen. „Jetzt sind Sie 2,50 Meter hoch“, sagt Wiebke Timm. Schon sind es nur noch 1,50 Meter, und da sieht man nur noch zwei Schuhe und Hosenbeine. Wir sind gelandet und haben es gar nicht gemerkt.
Wer das Flugerlebnis nachempfinden will: Jeden Freitag veranstaltet die Modellflugsparte des TVF von 20 bis 22 Uhr in der Sporthalle an der Ostlandstraße ein FPV-Fliegen. Zuschauer sind willkommen. Wer eine Drohne besitzt und eine Flughaftpflichtversicherung, darf mitfliegen.
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