Landkreis Osterholz. Die Lage bei den Freiwilligen Feuerwehren im Osterholzer Kreisgebiet ist allmählich alarmierend, der Dienstbetrieb kocht seit Pandemiebeginn auf Sparflamme: Versammlungen, Übungen, Wettbewerbe und vor allem auch die Aus- und Fortbildung – fast alles fällt aus oder ist auf das Allernötigste zusammengestrichen. Das bestätigt Pascal Radon, stellvertretender Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbands; er setzt hinzu, die Truppe sei „natürlich weiterhin rund um die Uhr einsatzbereit“. Je nach Anweisung der Kommune vor Ort beschäftigten sich kleinere Teams auch weiterhin damit, Technik, Fahrzeuge und Geräte zu prüfen und zu warten. Es geht darum, Motivation und Schlagkraft hoch zu halten, dem Coronavirus zum Trotz.
Der Osterholzer Verband und auch einzelne Gemeinde- und Ortsfeuerwehren halten deshalb bereits eigene Webinare ab, um ihren Mitgliedern das nötige Know-how digital zu vermitteln und um miteinander im Austausch zu bleiben. Ein Ersatz ist das nicht. „Mehr als die Hälfte der kompletten Ausbildung ist im Jahr 2020 ausgefallen“, berichtet Schwanewedes Feuerwehrchef Jörg Laude. Anderen Ortsbrandmeistern geht es auch nicht besser. Die erste Zwangspause lief von 16. März bis in den August hinein, seit 25. Oktober herrscht erneut Funkstille bei der Qualifizierung.
65 Prozent Rückgang
Laude hat einmal nachgerechnet, was das für die 54 Aktiven sowie die Kinder und Jugendlichen in Zahlen bedeutet: 4618 Dienst- und Ausbildungsstunden sowie 2250 Einsatzstunden kamen im Vorjahr zusammen. „Gegenüber 2019 ist das ein Rückgang von 65 Prozent.“
Für die Feuerwehrleute ergibt sich eine wichtige Folge, so Verbandsvize Radon, der in Worpswede tätig ist: Vor allem bei den Truppführer- und Gruppenführer-Ausbildungen bestehe inzwischen in allen 52 Ortswehren ein großer Nachholbedarf, desgleichen bei den wichtigen Lehrgängen mit hohem praktischen Anteil wie der Technischen Hilfeleistung oder dem Einsatz mit Gefahrstoffen. Digitale Angebote sollen dem jetzt in 2021 entgegenwirken – zumindest „in minimierter Form“.
Bildschirmkonferenzen ersetzen bereits heute die Kommandositzungen und Dienstversammlungen der Orts- und Gemeindebrandmeister. Gleichwohl fehlt den Aktiven die Schulung auf Gemeindeebene, in der Feuerwehrtechnischen Zentrale Pennigbüttel und für Führungskräfte in den Landesakademie-Standorten Celle und Loy. Leistungsvergleiche finden auch keine mehr statt. Wie in allen ehrenamtlichen Bereichen müssten nun eben neue Konzepte und Ideen den Betrieb in Schwung bringen, mahnt Pascal Radon. „Es geht darum, Engpässe zu vermeiden und abzubauen.“
Die Pandemie-Folgen verlangen den kreisweit 1700 Feuerwehr-Mitgliedern viel Disziplin und Besonnenheit ab, weiß der Verbandssprecher. Es sei zweifellos so, dass alle Abteilungen unter den geltenden Kontaktbeschränkungen leiden. Bei den Kinder- und Jugendfeuerwehren liege das auf der Hand: Einige Jugendfeuerwehren hätten den Dienstbetrieb im Kleinen digital abgehalten und mit Schnitzeljagden oder kleinen Geschenkverteilungen zur Adventszeit versucht, die Kameradschaft und den Kontakt aufrecht zu erhalten.
„Das wird natürlich von Tag zu Tag nicht einfacher, und es ist schon sehr rührend mit anzusehen, mit welch großer Geduld dieser Wegfall gelebt wird“, sagt Radon. Beim Nachwuchs bestehe ein großer Nachholbedarf an Diensten und Zusammenkünften und die Senioren vermissten den Klönschnack bei Kaffee und Kuchen ebenfalls, erläutert der Feuerwehrsprecher. „Es ist auch nicht zu verachten, wenn sich die Aktiven aus dem Landkreis mal wieder auf dem Tanzparkett treffen können.“ Radon denkt dabei an den Kreisfeuerwehrball: Der war für den 9. Januar in Grasberg geplant und konnte nun zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren nicht stattfinden - „eine kameradschaftliche Institution für den gesamten Landkreis.“
Der Kreisfeuerwehrverband Osterholz hat inzwischen auch die Delegiertenversammlung am 26. Februar mit Heringsessen in Hüttenbusch abgesagt. Die im Vorjahr ausgefallene Feuerwehrmesse mit Gewerbeschau in Neu St. Jürgen steht Ende April inzwischen erneut auf der Streichliste, desgleichen die mittlerweile auf 2022 verlegte Leitmesse „Interschutz“ im Juni in Hannover.
Für die Aktiven will der Verband in diesem Jahr trotz allem vier Seminar-Schwerpunkte setzen. Erstens der Kommunikations- und Führungsstil von Vorgesetzten. Damit habe man vor einem Jahr noch in Präsenz begonnen, so Radon. „Der Kasernenton hat schon lange ausgedient.“ Zweitens die psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte nach belastenden Situationen. Drittens stehen Fahrtrainings zumindest auf dem Wunschzettel für 2021. Und nicht zuletzt gebe es die Beteiligung an einer landesweiten Kampagne zum Thema „Gewalt gegen Einsatzkräfte“. Nicht nur physisch und handwerklich müssten die Mitglieder zu 100 Prozent da sein, unterstreicht Radon. Wenn sich Stress und seelische Belastung breit machten, werde es für die Helfer ungesund. „Wir sind gespannt, ob eine Transformation in die virtuelle Welt in Teilen sinnvoll und machbar ist – wünschenswert wäre es allemal.“
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