Kristian Tangermann möchte Bürgermeister werden. Gemeinsam mit fünf anderen Kandidaten stellt sich der Christdemokrat am 11. September zur Wahl für den Posten an der Spitze der Lilienthaler Verwaltung.
11. November 2011 – das Datum hat Kristian Tangermann sofort parat. Denn im Monat zuvor fanden die letzten Kommunalwahlen in Niedersachsen statt, bis dahin war er Stadtrat in seiner Heimatstadt Winsen/Luhe, seine Frau war Kreisrätin. Die Legislatur bestimmte die Lebensplanung. Es galt, die Jobs zu Ende zu führen, so das Selbstverständnis. Dann erst kam der Neustart in Seebergen. Politik ist mobilitätsfeindlich, habe er damals gemerkt: „Früher war man gut vernetzt, bekam zig Einladungen. Danach fing alles wieder bei Null an.“
Für manche ist er in Lilienthal immer noch „der Neue“. Was auch damit zu tun hat, dass er Berufspendler ist und zum Arbeiten nach Berlin fährt. Seit 15 Jahren ist er mit seiner Partnerin zusammen, seit zehn Jahren sind die beiden verheiratet, aber die „Netto-Ehezeit“ – so nennen sie das mit einem Grinsen im Gesicht – betrage wohl so um drei Jahre. Aber das halte die Beziehung auch frisch, meint der gelernte Bankkaufmann und Jurist.
Vorher lebte das Paar in Holzminden und beide pendelten. Die zweite Frau im Leben Kristian Tangermanns hieß lange Zeit Ursula von der Leyen. Rein beruflich betrachtet kam sie sogar an erster Stelle: Nach dem Jura-Studium wurde Tangermann ihr persönlicher Referent, ging später mit ihr zusammen vom Familien- ins Bundesarbeitsministerium, wo er heute in der Grundsatzabteilung als stellvertretender Referatsleiter tätig ist. Zwischenzeitlich wechselte er für zwei Jahre ins Büro von David McAllister nach Hannover, ehe es ihn wieder nach Berlin zog.
Politik ist auch Theaterbühne
Was will ein so weit gereister Bundes- und Landespolitiker als Bürgermeister in Lilienthal? „Durchaus berechtigt“ findet Tangermann die Frage und sagt, in der Lokalpolitik lasse sich viel mehr gestalten als viele glaubten. Und er antwortet mit der eigenen Vita: Wie bei fast jedem Polit-Profi kam auch bei ihm der Einsteig über die Kommunalpolitik. Als 17-Jähriger gründete er einen Stadtjugendring. Die Eltern, die er als eher unpolitisch beschreibt, mussten mit zum Notar, weil er die Dokumente noch nicht unterschreiben durfte. Mit 20 saß er bereits im Stadtrat.
Er war der erste in der Familie, der sich für eine akademische Laufbahn entschied. Für einen Überflieger ist er zu bodenständig, aber die Aufzählung der Posten und Ämter, die der heute 40-Jährige schon innehatte, kann durchaus schwindelig machen. „Wenn man nicht Nein sagen kann und sich nicht außerordentlich dumm anstellt, dann kommt das eine zum anderen“, stapelt er ein bisschen tief.
Er möchte Dinge bewegen und ihn ärgern die Leute, die immer sagen, „Die in Brüssel oder Berlin“ – oder auch: „die in Osterholz“ – würden die Handlungsmöglichkeiten zu weit einschränken. „Man kann viel machen und dieses Machen muss man sich trauen“, das ist Tangermanns Erfahrung in der Politik auf verschiedenen Ebenen. Und: „Keine Ebene will die andere ärgern, und häufig dient der gegenseitige Vorwurf der Machtlosigkeit als Ausrede fürs eigene Nicht-Handeln.“
Zum Handeln gehört für den CDU-Mann auch ein gewisses Maß an Folklore: Ratssitzungen seien die Theaterbühne, wo alle das vorführten, was sie für ihr Publikum für geeignet hielten. Wichtig sei, dass man wieder lerne, sich besser zuzuhören. Das meint er sowohl innerparteilich als auch für die politische Kultur in Lilienthal insgesamt. „Das ist in den vergangenen Jahren schon unter die Räder gekommen. Am gegenseitigen Respekt und daran, dem anderen auch mal zu unterstellen, dass auch er die Gemeinde positiv voranbringen will, müssen wir arbeiten. Politik beginnt mit dem Wahrnehmen der Wirklichkeit – so banal das ist, das ist das Wesentliche.“ Selber zu quatschen und zu erzählen, was richtig sei, sei kein guter Anfang für einen Dialog, meint Tangermann und sagt das auch so.
Genau hingehört hat der Wahl-Seeberger bei der Diskussion um die immer weiter auseinander gehende Schere zwischen Lilienthals Zentrum und den Randbezirken: „Da ist dann gerne mal von ,Außenbereichen' die Rede –das ist ja schon in der Wortwahl gruselig. Das habe ich vorher auch noch nie so gehört.“ Bewusst habe er sich fürs ländliche Wohnen in Seebergen entschieden. Er selbst stammt von einem Bauernhof, und das Trennende dieser Begriffswahl findet er ausgrenzend. Eine der ersten Fragen, die ihm in Lilienthal immer wieder gestellt wurde, hieß: „Wie stehen Sie zur Linie 4.“ Das sei absurd gewesen, die Straßenbahn fuhr noch gar nicht, aber alles war entschieden. „Trotzdem war die Frage immer noch da und trennte weite Teile der Bevölkerung, teilweise bis in die Familien hinein und bis heute. Diese Gräben muss man dringend wieder zuschütten.“
Gräben zuschütten – das ist etwas, das auch in seiner Partei funktioniert hat, im Ortsverband wie im Bund. Als Kristian Tangermann sich Anfang der 90er-Jahre politisierte, sei die entscheidende Frage gewesen: „Findet man den Kohl doof oder toll.“ Er fand ihn „ziemlich gut“. Und trotzdem kam die Partei zu ihm und nicht er zu ihr: Ein Schulfreund hatte ihn in die Schülerunion geholt. „Der wollte gerne Kreisvorsitzender werden und brauchte dafür ein paar neuen Mitglieder.“ Manchmal stellen sich die Weichen für ein ganzes Leben beinahe wie von selbst.