Lilienthal. Lebensrettung oder letzte Ölung? Das mochten sich die knapp 100 Gäste in der Kirche von Sankt Jürgen fragen. Dort verlieh der Freundeskreis Dat Huus op’n Bulten den Heinrich-Schmidt-Barrien-Preis an das Bremer Institut für Niederdeutsche Sprache (INS). Dieses Institut in seinem olen Snoorhuus, das die wissenschaftliche Pflege des Plattdeutschen betreibt, ist in seiner Existenz gefährdet, weil die Bundesländer Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen seine Finanzierung einstellen wollen.
Seit dem Jahr 2000 wird der Heinrich-Schmidt-Barrien-Preis in Form einer hölzernen Büste des Schriftstellers verliehen, anfangs durch den Bremer Kulturverein Freizeit 2000, seit 2006 durch den Freundeskreis Dat Huus op’n Bulten, benannt nach dem Wohnhaus von Schmidt-Barrien auf einer Wurt in Frankenburg. „In een lüttschen Kark mang de Wischen, mit Hinnerks Graf op’n Karkhoff, un sien Fro liggt ook doarbi“, wie der Moderator Walter Henschen zur Begrüßung sagte. Johannes Rehder-Plümpe, der Vorsitzende des Freundeskreises, hielt es für angebracht, vor falschen Erwartungen hinsichtlich des diesjährigen Preisträgers zu warnen: Das Institut für Niederdeutsche Sprache sei gar nicht bei allen Plattsnackers bekannt. „Dat is ‘ne ernste Saak“, meinte er, und viele wollten lieber etwas „Kommodiges“ zum Schmunzeln.
„Plattdeutsch ist nicht gestrig“
Da passte es gut, was Hans Helge Ott, früherer Leiter des Hörspiels bei Radio Bremen und Preisträger des Vorjahrs, über sein eines Jahr „Wohngemeinschaft mit Hinnerk“ erzählte. In dieser Zeit habe er mehr über die niederdeutsche Sprache nachgedacht als je zuvor. „Brauchen wir die eigentlich? Wir können uns ja auch anders verständigen. Aber vielleicht können wir uns auf platt ja besser verstehen.“ Eine große Abneigung habe er aber gegen die Leute, die mit dem Plattdeutschen eine rückwärtsgewandte Welt propagierten. Er habe als Hörfunkchef Exposés zugeschickt bekommen, die auch aus den 40er-Jahren stammen könnten. Aber nicht das Plattdeutsche sei gestrig, sondern die, die damit in die angeblich „gute alte Zeit“ zurück wollten. Die plattdeutsche Sprache bedeute für ihre Sprecher eine gewisse Intimität. „Es wäre verdammt schade, wenn es sie nicht mehr gäbe.“
„Us Platt bewohr us dit ole Snoorhuus“ stehe am Giebel des Instituts im Bremer Schnoor, sagte Laudator Gerd Spiekermann, ehemals Redakteur für Niederdeutsch beim NDR und im Jahr 2000 erster Heinrich-Schmidt-Barrien-Preisträger. Aber allein ums Bewahren sei es dem INS, das von Heinrich Schmidt-Barrien mitbegründet wurde, nie gegangen. Es habe ein niederdeutsches Autorenlexikon herausgegeben, es betreue die plattdeutschen Nachrichten auf Radio Bremen, es habe dafür gesorgt, dass Plattdeutsch in die EU-Charta der Minderheitensprachen aufgenommen worden sei, und es sei der am breitesten aufgestellte Dienstleister niederdeutscher Kultur- und Spracharbeit. „Wer wissen will, ob es ein Wörterbuch Kasachisch-Platt gibt, der ruft in Bremen an.“
„Ik heff bis in’t laatst nich kloorkregen, woso dat keen Geld meer gifft“, sagte Gerd Spiekermann. Aber anscheinend suchten die Bundesländer nach anderen Wegen. Auch habe das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim seine Bereitschaft erklärt, das INS vielleicht unter sein Dach zu nehmen.
Vorerst bezeichnet Herwig Dust, Vizebaas des INS-Trägervereins, der zusammen mit Jutta Engbers, Birgit Lemmermann, Almut Heibült, dem Institutsleiter Reinhard Goltz und der Bibliothekarin Christel Hallasimowitsch den Preis entgegennahm, die Rückzugspläne der vier Bundesländer als „Schmierenkomödie“. „Wo heet dat Stück?“, fragte er. Arbeitstitel vielleicht in Anlehnung an Vorschläge der mittleren Behördenebenen: „Koordinierungsstelle“? Die Mitarbeiter des INS hätten sich immer mit ihrer Arbeit identifiziert. „Se hett dat nich bloots maakt, se hett dat leeft.“
Für Reinhard Goltz käme als Titel des derzeitigen Stücks infrage: „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Man wisse nicht, ob die Arbeit weitergehe, und die Verhandlungen kämen nicht recht voran. Der Staat wolle die Arbeit des Vereins übernehmen, obwohl er davon nichts verstehe. Deshalb sei der Preis nicht nur ein Symbol, sondern vor allem eine wichtige Anerkennung.