Eheringe, Ketten, Münzen, Silberbesteck: Bürger lassen persönliche Dinge in Tarmstedt schätzen Mit dem Familienschmuck zum Experten

Tarmstedt. Die alte Brosche von Oma, der ausgediente Ehering aus besseren Zeiten, Zahngold der Großtante, die Halsketten der verstorbenen Mutter, eine Münz-Sammlung – nicht wenige Menschen haben so etwas im Schlafzimmerschrank oder in der Wohnzimmerschublade liegen. Wie viel dieser Schmuck, dieses Silberbesteck oder anderes wert sind, weiß kaum jemand.
04.05.2016, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Irene Niehaus

Die alte Brosche von Oma, der ausgediente Ehering aus besseren Zeiten, Zahngold der Großtante, die Halsketten der verstorbenen Mutter, eine Münz-Sammlung – nicht wenige Menschen haben so etwas im Schlafzimmerschrank oder in der Wohnzimmerschublade liegen. Wie viel dieser Schmuck, dieses Silberbesteck oder anderes wert sind, weiß kaum jemand. Um genau das festzustellen, sind viele Interessierte zu Renken Optik in Tarmstedt gekommen. Ein Experte hat dort kostenlos persönliche Dinge geschätzt.

Pünktlich zum Einlass steht Hans-Henrich Lohmann vor der Geschäftstür. Er ist extra aus Burgsittensen gekommen, mitgebracht hat er zahllose Ketten, Armbänder, alte Uhren, Trachtenplaketten, Zahngold. „Ich habe zu Hause alles zusammengesucht, bei uns liegt es eh nur herum“, erzählt der 72-Jährige. Nun will Lohmann es endlich mal schätzen lassen. Große Erwartungen hat er nicht und ist auch nicht enttäuscht, als ihm Experte Tobias Albrecht die Taschenuhren wieder zurückgibt. „Die haben keinen Wert, nur einen ideellen.“ Am Ende bekommt Lohmann knapp 300 Euro ausgezahlt. Er will sich jetzt überlegen, ob er von dem Geld in Urlaub fährt oder es innerhalb der Familie verschenkt.

Mit einem gut gefüllten Einkaufskorb tritt eine Tarmstedterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, an Tobias Albrecht heran. „Schütten Sie aus, in dem Job wird man zum Entfesselungskünstler“, sagt Albrecht und nimmt die verhedderten Ketten, Armbänder und anderes entgegen. Mit seiner kleinen schwarzen Lupe, die alles 20-fach vergrößert, überprüft Albrecht Material und Stempel. Die meisten Gold-Schmuckstücke haben die Prägung 333, 585 oder 750. 750 etwa bedeutet einen Feingoldgehalt von 75 Prozent, das sind 18 Karat Gold. Albrecht bildet vor sich kleine Häufchen für Silber, Gold, für Versilbertes und für Vergoldetes. Seine Kundin hat den Schmuck früher selbst getragen und mag ihn nicht mehr, anderes hat sie geschenkt bekommen oder geerbt. Ihre Tochter wolle ihn auch nicht. Albrechts kleine Rechenmaschine rattert unentwegt. Am Ende kommen 1006,55 Euro heraus. Die Frau ist sprachlos, sagt sie, sie habe nur mit 100 Euro gerechnet. Albrecht zahlt den Betrag aus, von dem Geld will sich die Frau eine neue Brille kaufen oder ein schönes Schmuckstück.

Münze aus dem Dreikaiserjahr

Etwas ganz anderes legt die nächste Kundin dem Experten auf den Tisch. Sie möchte gerne wissen, wie viel die vier Münzen wert sind, die sie aus der kleinen Plastiktüte herausfischt. Drei stammen aus der DDR, sagt Albrecht und reicht sie ihr sofort wieder zurück, die vierte untersucht er mit der Lupe und schaut in einen Katalog. „Stammt aus dem Dreikaiserjahr, aber wegen der Beschädigung am Rand würde ich sie nicht kaufen“, sagt er.

Etwas sehr viel Schwereres hat ein Seniorenehepaar dabei. Die beiden wollen das alte Familien-Silber loswerden. „Da wird nicht viel bei rauskommen, ist nur versilbert“, meint Albrecht, schade, denn er weiß, wie teuer solche Bestecke früher waren. Für die vielen Gabeln, Messer und Löffeln bekommt das Paar gerade mal 25 Euro. „Wir sind negativ überrascht, aber man kriegt nicht mehr dafür“, sagt der Rentner. Für die kleinen Silberbarren, die sie mitbringen, gibt es dann aber noch gut 250 Euro. „Wir brauchen die Dinge nicht mehr, sie liegen nur in der Schublade herum“.

Einen Koffer voller römischer Münzen zeigt ein junger Mann Tobias Albrecht. „Habe ich geerbt“. Einen Schatz? Die Antwort des Experten ist ernüchternd. „Die Münz-Sammler werden weniger, wir kaufen es gar nicht an. Man kann für die eine oder andere Münze noch was bekommen, aber nicht mehr als Paket“, erzählt Albrecht. Neben vielen Jahren Erfahrung, einem guten Auge und seiner Lupe braucht er eine Waage. Mit einer Schieblehre misst er die Größe von Steinen, mit einem Spezialgerät testet er Diamanten. Um Gold zu prüfen und den Feingoldgehalt zu bestimmen, setzt er auch eine Schieferplatte ein, auf die das Gold gerieben wird, und spezielle Säure, die unedle Legierungsmetalle zersetzt. Den aktuellen Goldpreis hat Albrecht immer im Kopf.

An den beiden Tagen, an denen er in Tarmstedt Schmuck taxiert, hat er gut zu tun. „Der Job macht mir Spaß, ich habe mit vielen Leuten Umgang und höre viel über die Herkunft der Gegenstände.“ Die einen Kunden seien überrascht, wie viel ihre Sachen wert seien, andere fielen aus allen Wolken, wenn sie den niedrigen Preis einer früher mal sehr teuren Uhr oder Goldkette hörten. „Einmal kam ein älterer Bauunternehmer mit einer Uhr zu mir, die mal 120 000 Mark gekostet hat, jetzt war sie nur noch 6000 Euro wert.“ Er habe dem Senior geraten, die Uhr wieder mitzunehmen.

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