Landkreis Osterholz. 48 Stunden vor der entscheidenden Haushaltsdebatte im Kreistag hat sich der Finanzausschuss eine gründliche Lektüre des Zahlenwerks verkniffen. Da am Sitzungstag auch noch vorbereitende Fraktionssitzungen ausstanden, hielten zumindest die großen Fraktionen ihr Pulver trocken. Stattdessen schlug die Stunde der sogenannten Kleinen. Statt über den Etat-Entwurf 2018 zu beraten – immerhin ein 194-Millionen-Euro-Paket mit einem erwarteten Plus von 161 000 Euro –, ging es einmal mehr um das Geld, das größtenteils noch gar nicht im Haushalt steht, sondern vorläufig auf einem Verwahrkonto lagert: Die Ausgleichszahlungen, die die Kreisverwaltung bei der Genehmigung von Windparks erhebt.
Knapp zwei Millionen Euro hat der Landkreis nach dem Bundesnaturschutzgesetz so zuletzt eingenommen. Gerade mal 226 000 Euro davon sollen laut Verwaltung im kommenden Jahr für Biotope, Renaturierungen und andere Kompensationsmaßnahmen investiert werden. Wie berichtet, möchte die Freidemokratin Brigitte Glinka erreichen, dass die Ablösesummen nicht dem Zugriff der Politik entzogen werden. Sie könne sich nicht erinnern, an dem entsprechenden Grundsatzbeschluss mitgewirkt zu haben, der die Lösung mit der Bewirtschaftung eines Anderkontos durch die Umwelt- und Naturschutzbehörde vorsieht. „Wenn ich gewusst hätte, um welche Ausmaße es hier geht, hätte ich dem niemals zugestimmt.“
„Natürlich muss das Geld zweckgebunden ausgegeben werden“, räumte Glinka ein. Aber die Politik habe zu entscheiden, wann, wo und wie viel investiert werde, forderte sie. Am besten solle der Öko-Ablass im örtlich-zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Bauvorhaben in die Umwelt gesteckt werden; dann wachse auch die Akzeptanz bei den Bürgern.
Dass von einem Windpark in Meyenburg-Aschwarden vor allem die Dörfer im Teufelsmoor profitieren, sei jedenfalls in der Gemeinde Schwanewede schwer zu vermitteln, argumentierte Glinka. Sie wolle den jeweiligen Kommunen ein Mitspracherecht einräumen und beantragte, die Fraktionen sollten sich darüber zumindest mal Gedanken machen. Der Landkreis solle alle bereits rechtskräftig gezahlten Gelder, aktuell 1,97 Millionen Euro, vom Verwahrkonto in die Finanzplanung des Kreishaushalts nehmen.
Während sie selbst und AfD-Mann Thorben Freese dafür stimmten, enthielten sich Linke und Grüne der Stimme; SPD und CDU votierten mit Nein. Vorausgegangen waren einige polemische Wortgefechte zwischen Glinka und der Verwaltungsriege, die von den Sozialdemokraten unterstützt wurde. Den Vorwurf eines Schattenhaushalts und einer dubiosen Beschlusslage ließen Landrat Bernd Lütjen, Finanzdezernent Werner Schauer und Kämmerei-Chef Dieter Leckow erwartungsgemäß nicht auf sich sitzen. Selbstredend folge man in allem Recht und Gesetz; das Verfahren, das Glinka als langwierig und intransparent bemängelt hatte, sei nicht nur sinnvoll und praktikabel, sondern auch einstimmige Beschlusslage, und damit bindend für die Kreisverwaltung.
Kurt Klepsch, Björn Herrmann und Peter Schnaars (alle SPD) verwiesen Glinkas Anliegen an den zuständigen Fachausschuss für Umweltplanung und Bauwesen - wohl wissend, dass die Liberale dort gar nicht vertreten ist, sondern nur durch ihren Gruppen-Kollegen Jürgen Ahlers (Bürgerfraktion). Die FDP-Frau keilte zurück: „Ich werde niemanden um Erlaubnis bitten, wenn ich hier eine Frage habe und ich lasse mich auch nicht maßregeln.“
Überraschend oder nicht
Landrat Lütjen zeigte sich verwundert, dass Glinka ihre Frage seit Januar nun zum wiederholten Male vorbringe. Die Antworten seien stets gleich und der Drucksache 2015/253 zu entnehmen, die öffentlich einsehbar im Internet steht. Er sehe da auch eine Holschuld der Abgeordneten, sich kundig zu machen, setzte der Verwaltungschef schmallippig hinzu. Tatsächlich hatte es im Dezember-Kreistag 2015 in besagter Sitzungsvorlage geheißen, es seien „Beträge von mehreren hunderttausend Euro pro Windpark“ zu erwarten.
Glinka blieb unbeirrt. Auf Nachfrage erfuhr sie, der Kreistag werde auch bei über- oder außerplanmäßigen Ausgaben informiert - allerdings nicht im Vorfeld, was die FDP-Abgeordnete allein schon deshalb wurmt, weil die von ihr besonders kritisierte Biotop-Maßnahme Günnemoor noch immer nicht endabgerechnet worden ist. Wie berichtet, glaubt Glinka, dass bei dem Wiedervernässungsprojekt im Zeichen des Naturschutzes länger und tiefer abgetorft worden sein könnte als ökologisch nötig und wünschenswert.
Unterstützung erhielt die Liberale von Thorben Freese, der von Landrat Lütjen erfuhr, es spräche zwar prinzipiell nichts gegen eine Einbindung etwa des Umweltausschusses. Wegen der hohen fachlichen Auflagen an eine Maßnahme und der dünnen Personalbesetzung habe man die Abwicklung und das Timing in den Händen der Behörde lassen wollen. „Wir können ja mit dem Geld auch nicht einfach machen, was wir wollen.“ Es werde ohnehin noch einige Jahre dauern, bis der Landkreis die geplanten Ausgleichsmaßnahmen abgearbeitet haben. Eine Ausschussbeteiligung würde in der Behörde weitere Ressourcen binden.
Die Verwaltung habe überdies zugesagt, die Abgeordneten zu informieren, wenn das Günnemoor-Projekt abgerechnet ist, betonte Lütjen weiter. Und Leckow sagte, etwaige Nachzahlungen wie Erstattungen würden ebenfalls über das Verwahrkonto abgewickelt. „Alles wird ordnungsgemäß bilanziert“, betonte der Kämmerer. Etwas anderes lasse sich die Verwaltung nicht nachsagen.