Eine kurze Zeit schien es so, als sollte das einzige Ergebnis einer zweistündigen Diskussion über den Mangel an Kindergartenplätzen sein, dass der Sozialausschuss beschloss, eine ähnliche Diskussion künftig in jeder Sitzung zu führen. Dann aber kam doch noch ein greifbares Ergebnis zustande: Die Verwaltung soll dafür sorgen, dass zum nächsten Jahr mindestens je eine Krippen-, Kindergarten- und Hortgruppe eingerichtet wird, wenn möglich in der Christoph-Tornée-Schule.
Es war ein Novum in dieser Wahlperiode: Sämtliche Fraktionen und Gruppen des Gemeinderats hatten im Sozialausschuss einen gemeinsamen Antrag gestellt. Beinahe wäre dabei allerdings nicht viel herausgekommen. Die Verwaltung hatte versucht, auf 14 Fragen der Sozialpolitiker zur Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen Antworten zu geben.
„In den vergangenen Jahren drückte uns an vielen Ecken und Kanten der Schuh“, meinte Tanja Ruczynski (CDU). Zwar seien im vorigen Jahr drei Krippengruppen in der Christoph-Tornée-Schule eingerichtet worden, aber in diesem Jahr sehe es so aus, als würden ab Sommer Kindergartenplätze fehlen. Deshalb sollte die Verwaltung, so lautete der gemeinsame Antrag aller Fraktionen und Gruppen, alle maßgeblichen Daten auflisten und ein Konzept erstellen, mit dem die Gemeinde flexibler reagieren könne als bisher.
Langer Weg bis zum Beschluss
Welche Probleme es dabei gibt, verdeutlichte Fachbereichsleiter Andreas Cordes an einem Beispiel: Vor anderthalb Jahren habe man eine Hortgruppe geschlossen, jetzt herrsche Platzmangel. Einerseits versuche man zu vermeiden, für viel Geld zu viele Plätze vorzuhalten, andererseits wisse man gerade im Hort- und Krippenbereich nie, wie viele Eltern Plätze benötigten. „Wenn das eine Problem gelöst ist, tut sich das nächste auf.“
Natürlich hatte die Verwaltung trotzdem die geforderten Zahlen geliefert. Am 1. August dieses Jahres werden 292 Kinder einen Anspruch auf einen Krippenplatz haben und 515 Kinder einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Bis zum 1. April 2016 steigen diese Zahlen auf 315 beziehungsweise 576. Ab dem Sommer werden, weil bei den „Wümmekiekern“ eine neue Krippengruppe gebildet wird und zudem im Waldorfkindergarten einige neue Kindergartenplätze entstehen, 156 Kinder unter drei und 513 Kinder über drei Jahren untergebracht werden können.
Zwei Krippenkinder sind noch unversorgt sowie zehn Kindergartenkinder. 20 weiteren Kindern über drei Jahren kann kein Platz in der gewünschten Einrichtung angeboten werden. Im Hortbereich fehlen elf Plätze. Mit den Zuzügen, die durch die Neubaugebiete zu erwarten sind, werden sich die Zahlen für Krippen- und Kindergartenkinder um je 25 erhöhen.
Christina Klene (Grüne) erinnerte daran, dass im Schulausschuss drei Tage zuvor Gutachter Wolf Krämer-Mandeau einen Bedarf von je drei neuen Krippen- und Kindergartengruppen prognostiziert habe. Dabei sei er aber auch davon ausgegangen, dass alle unter vierjährigen Kinder für eine Krippe angemeldet würden, sagte Cordes. Diese Argumentation passte Jens Erdmann (SPD) nicht, dem die bisherige Debatte ohnehin zu defensiv vorkam: Man könne nicht in einem Ausschuss sagen, die Aussagen des Gutachters seien in Ordnung, und sie im anderen Ausschuss in Frage stellen.
Insgesamt werde, unabhängig von der Entwicklung der Einwohnerzahl, der Anteil der Kinder, die eine Tagesstätte besuchten, steigen. Daher könnte eine große, zentral gelegene Einrichtung eine Pufferfunktion übernehmen. Oder vielleicht könne eine Schule, die freie Räume habe, Kindergarten- oder Krippengruppen aufnehmen. „Wir hangeln uns von einem Halbjahr zum nächsten, und die Eltern sind in einer ganz beschissenen Situation“, klagte Erdmann.
Auch eine Mutter meinte in einer eingeschobenen Fragestunde, es werde immer nur gesagt, was nicht gehe und warum es nicht gehe. Dabei koste Konzeptlosigkeit mit ständigen Notlösungen die Gemeinde mehr als eine verlässliche Betreuung. Olaf Blau, der als Mitglied der Initiative „Familienthaler“, die ein kommunales Bündnis für Familien in die Wege leiten will, an der Sitzung teilnahm, wies darauf hin, dass sich in der Tornée-Schule noch leere Räume befinden, die zwei Krippengruppen und den Hort aus der „Schatzkiste“ aufnehmen könnten. Die nötigen Umbauten könnten mit wenig Aufwand rückgängig gemacht werden, wenn die Kinderzahlen wieder zurückgingen.
Für Bürgermeister Willy Hollatz lautet die Frage: „Wie viel mehr brauchen wir und wie schnell?“ Es sei wenig hilfreich, wenn der Sozialausschuss drei neue Krippen- und drei neue Kindergartengruppen fordere, und der Finanzausschuss bewillige die Mittel dafür nicht. Es sei auch fraglich, ob eine große Einrichtung als Puffer für die Gemeinde bezahlbar wäre. Die Politik müsse sagen, ob sie über das nötige Maß hinaus investieren wolle. Dann hätte die Verwaltung einen Arbeitsauftrag.
Andreas Cordes ging im Schnelldurchlauf die restlichen Fragen durch. Dann wurde nach zwei Stunden Diskussion beschlossen, dass die Situation der Kinderbetreuung ständiger Tagesordnungspunkt in jeder Ausschusssitzung sein soll. Fast schien es so, als sollte es das einzige Ergebnis bleiben, da erkundigte sich Christina Klene nach dem nächsten Punkt, der kurzfristige Maßnahmen gegen den Platzmangel betraf. Und da merkten auch die übrigen Ausschussmitglieder, dass sie noch nicht ganz fertig waren. Es solle so schnell wie möglich festgestellt werden, wie weit die Tornée-Schule für Krippe oder Kindergarten nutzbar sei, forderte Jens Erdmann.
Dann solle der Beschluss heißen: „Die Verwaltung wird beauftragt, für das Jahr 2015/16 neue Gruppen zu schaffen, möglichst in der Tornée-Schule. Im Nachtragshaushalt wird Geld für mindestens eine Krippen-, eine Kindergarten- und eine Hortgruppe eingestellt“, schlug Willy Hollatz vor. Dieser Antrag wurde mit sechs Stimmen gegen die Stimme von Christina Klene, die zwei Kindergartengruppen für nötig hielt, angenommen.