Lilienthal. Wer als Bürgermeister oder Landrat kandidiert, geht ein Risiko ein. Er muss seinen womöglich gut bezahlten Job aufgeben. Was ist, wenn er nach fünf Jahren nicht wiedergewählt wird? Ein Rückkehrrecht in den alten Job gibt es nicht. Daher gilt in Bremen und Niedersachsen eine großzügige Pensionsregelung: Wer nach fünf Jahren ausscheidet, bekommt ein Ruhegehalt in Höhe von 35 Prozent seines letzten Verdienstes. Die Pension wird lebenslang gezahlt, auch wenn der Ex-Bürgermeister einen gut dotierten Job findet. Eine „Luxusversorgung“ sei das, schimpft der Lilienthaler Gert Vogels, „eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit“ gegenüber Arbeitern und Angestellten, die lange und hart für ihre Rente arbeiten müssten.
Dass hoch verschuldete Kommunen wie Lilienthal ihren ausgeschiedenen Bürgermeistern schon nach fünf Jahren lebenslang üppige Ruhestandsbezüge zahlen, bringt Vogels auf die Palme. Bei einem Bürgermeister-Gehalt von 7000 Euro mache die Pension 2450 Euro aus. Davon könnten Arbeiter und Angestellte nur träumen. Die Gemeinde koste diese Sofortpension Jahr für Jahr 29 400 Euro.
Wenn ein Ex-Bürgermeister aus dem Amt scheidet und im neuen Job weniger verdient, bekommt er die Pension oben drauf. Wenn er als Bürgermeister monatlich 7000 Euro bekam, darf er nach dem Ausscheiden bis zu 4550 Euro verdienen, dann fließt die 2450-Euro-Rente ungekürzt. Verdient er mehr, fällt die Pension weg. „So ist es“, sagt die Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann. „Der Sinn der Regelung ist, dass man nach dem Ausscheiden den gleichen Stand hat. Damit soll die Attraktivität des Bürgermeisteramts gesichert werden.“
Einige Beispielrechnungen präsentiert der Bund der Steuerzahler in seiner Broschüre „Die Versorgung der Bürgermeister in Niedersachsen“, die im Internet zu finden ist. Der Verband kritisiert die Regelung als „Überversorgung“. In Bayern und Nordrhein-Westfalen bekämen Bürgermeister und Landräte die Pension erst nach zehn Jahren im Amt.
„Es wird immer schwerer, geeignete Bewerber zu finden“, setzt Jana Lindemann, die Sprecherin des Landkreises, dagegen. Dass in Lilienthal fünf Bürgermeisterkandidaten antraten, sei die absolute Ausnahme gewesen. Die Verkürzung der Wahlperiode von fünf auf acht Jahre habe „die Hemmschwelle noch erhöht. Die Betroffenen müssen ihren Beruf aufgeben. Dabei wissen sie nicht, ob es für fünf Jahre oder für zehn Jahre ist.“ Die Pensionsansprüche seien als Absicherung gedacht.
Schwenke: Sonst fällt man tief
Im Landkreis spiele die Pensionsregelung keine große Rolle, sagt Lindemann. Die meisten Bürgermeister seien seit mehreren Wahlperioden im Amt. Landrat Bernd Lütjen und Osterholz-Scharmbecks Bürgermeister Torsten Rohde hätten vorher lange Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet und schon dadurch Pensionsansprüche erworben.
Gert Vogels findet solche Argumente lächerlich. Er hat Mails an Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil und die Fraktionsvorsitzenden aller im Landtag vertretenen Parteien geschickt. Nur die CDU-Fraktion hat geantwortet: Die Schieflage sei durch die Verkürzung der Amtszeit von acht auf fünf Jahre entstanden, die Union setze sich für die Verlängerung ein.
In Vogels Augen gehen solche Argumente am Thema vorbei. Viele Kommunen seien hoch verschuldet, sie schafften es nicht mal ihre Haushalte auszugleichen, auch darum sei die großzügige Pensionsregelung überhaupt nicht zu rechtfertigen. Wahlbeamte in Mecklenburg-Vorpommern bekämen erst nach 14 Jahren im Amt eine Pension, in Brandenburg nach acht Jahren und zwar frühestens im Alter von 46 Jahren. Hessen habe entschieden, dass Landräte und Bürgermeister erst nach acht Jahren eine Pension bekämen und das frühestens mit 56 Jahren.
Stefan Schwenke, seit 16 Jahren Bürgermeister in Worpswede, hält die Sofortpension für gerechtfertigt. „Ich habe bei meiner ersten Wahl eine Lebensstellung als Beamter aufgegeben“, sagt Schwenke der Redaktion. „Ich hatte keine Chance in mein altes Beamtenverhältnis zurückzukehren. Das Risiko habe ich in Kauf genommen.“ Eine Grundabsicherung sei nötig: „Sonst fällt man tief. Für mich wäre es schwierig geworden, wenn ich nach fünf Jahren nicht wiedergewählt worden wäre“. Für den 54-Jährigen hat im vergangenen September die dritte Amtsperiode begonnen.
„Wenn man gutes Personal will für diesen verantwortungsvollen und nicht immer vergnügungssteuerpflichtigen Job, dann muss es eine Grundabsicherung geben“, findet Worpswedes Bürgermeister. „Man muss auch die große Verantwortung bedenken“, sagt der Jurist Schwenke. „Man läuft Gefahr mit einem Bein im Gefängnis zu stehen. Wenn was passiert, ist es immer der Bürgermeister, der dafür als Verantwortlicher geradestehen muss, auch strafrechtlich, etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung, wenn jemand auf dem Bürgersteig gestolpert und hingefallen ist.“