Worpswede/Borgfeld. Auf ihrem Hinterteil tragen sie das Friedenssymbol, an ihren Seiten hängen Transparente mit der Aufschrift „Friedensritt“: Sieben hellbraune Pferde und Ponys traben durch Bremen, hinter ihnen ein knappes Dutzend Erwachsene und Kinder auf Fahrrädern. Auf ihrem zehn Tage dauernden Ritt kommt die Gruppe am Wochenende auch nach Worpswede. Auf dem Gelände der Naturreitschule am Weyerberg von Uta Schröder werden die Aktivisten von Sonnabend bis Sonntag ihr Lager aufschlagen. Für Sonnabend ab 20 Uhr ist dort auch eine Veranstaltung mit dem Juristen und Autor Heinrich Hannover geplant.
Seit dem Jahr 1984 reiten und radeln Friedensaktivisten jedes Jahr von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt, um mit Aktionen auf ihr Anliegen hinzuweisen. Sie unterstützen mit Musik und Straßentheater Initiativen vor Ort – in Bremen sind es verschiedene Friedensinitiativen – in ihrem Kampf gegen Militäreinrichtungen, Waffenexporte und Atomanlagen. „Wir sind immer in verschiedenen Gegenden unterwegs, nämlich dort, wo es etwas Regionales gibt, das uns beziehungsweise unser Anliegen betrifft“, berichtet Mitinitiatorin Ute Radermacher. Die Tierärztin aus Marienheide bei Köln ist seit 1988 bei den Reiterinnen und Reitern für den Frieden aktiv. „Der gedankliche Kern ist unsere Ablehnung von Waffenproduktion und Waffenexporten an sich, denn die Verteilung von Waffen, egal auf welchem Wege, hat noch niemals zu Frieden oder Besserung geführt, sondern immerzu nur zu immer mehr Krieg und Zerstörung.“ Der Bremer Norden war die erste Station des Friedensritts. Dort haben sich die Reiterinnen und Reiter, die zum Teil aus Berlin, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt angereist kamen, zur Gruppe zusammengeschlossen.
Dass in diesem Jahr Bremen der Zielort des Friedensritts ist, liege an der in Bremen stark vertretenen Rüstungsindustrie – in Vegesack verbunden mit dem Namen Lürssen. Für ihre erste Protestaktion demonstrierte die Gruppe aus Menschen und Pferden vor der Hauptverwaltung der Firma. Die Werft sei besonders stark in Rüstungsgeschäfte verwickelt: Sie habe schon zu Zeiten Kaiser Wilhelms II. viele Aufträge von der Kriegsmarine erhalten und die Tradition des Baus von Kriegsschiffen nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt, sagte Maja Tegeler von den Linken des Ortsverbands Bremen-Nord. Das Bremer Friedensforum wies zudem darauf hin, dass Saudi-Arabien jüngst einen Großauftrag im Umfang von 1,5 Milliarden Euro erteilt habe, der mehr als 100 Schiffe, schnelle Einsatzboote und Patrouillenboote umfasse. Der erste Teil der Boote sei bereits ausgeliefert. Saudi-Arabien sei Hauptakteur des blutigen Krieges im Jemen und habe Städte, Straßen und Infrastruktur bombardiert und weite Teile des Jemen zerstört. Nun habe Saudi-Arabien auch noch eine Seeblockade gegen das Land verhängt, mit Hilfe deutscher Kriegsschiffe. Die Folge des Krieges sei eine Hungerkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, die in den Medien jedoch kaum zur Sprache komme. Acht Millionen Menschen seien vom Hungertod bedroht, eine Cholera-Epidemie sei ausgebrochen und habe bereits Zehntausende erfasst.
Eva Böller vom Friedensforum war am Sonnabend auch mit dabei. Sie mache sich große Sorgen um den Frieden: „In 15 Ländern ist derzeit die Bundeswehr im Einsatz, und mich beunruhigt besonders die Rückkehr alter Feindbilder wie gegen Russland“, sagte sie. Detlev Hansing vom Landeselternrat in Niedersachsen erhoffte sich von der Veranstaltung später am Vegesacker Hafen neue Impulse für seine Friedensarbeit, die nach seinem Verständnis umfassend sein sollte. Mit Schulen betreibt er Projekte, in denen es um Cybermobbing oder Ausgrenzung geht. „Friedensarbeit muss schon in Familie und in Schule anfangen. Wer ausgegrenzt wird, ist anfällig für Extremismus."
Tiere als Sympathieträger
Über das Bremer Blockland, wo die Friedensreiter Quartier auf dem Biohof Kaemena fanden, zogen sie weiter zu Aktionen im Bremer Friedenstunnel sowie auf dem Marktplatz. Bevor es nach Worpswede geht, campieren sie auf den Wiesen des Biohofs Schumacher in Borgfeld. Im Vorwege hatten die Friedensreiter nach Bauernhöfen und Biobetrieben Ausschau gehalten, um Möglichkeiten des Übernachtens zu organisieren. „Dort leben Menschen, die solchen Projekten gegenüber aufgeschlossen sind“, erzählt Jörg Lauenroth-Mago, während im Hintergrund das Klappern der Hufe auf Asphalt zu hören ist. Die Gruppe ist auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel. In Bremen gebe es „ausgesprochen freundliche Reaktionen“. Die Tiere seien Sympathieträger und würden die Verbindung von Mensch, Natur und Gesellschaft symbolisieren, meint Ute Radermacher. „Vielleicht können wir so zu einem Bewusstseinswandel beitragen. Dahinter steht ja die Vorstellung, dass die Welt so, wie sie ist, nicht bleiben kann und soll und dass ein jeder und eine jede ihren oder seinen kleinen individuellen Beitrag zur Besserung leisten kann. Das ist unsere Grundhaltung.“
Die haben sie im Gepäck, wenn sie am Sonnabend Kurs auf Worpswede nehmen. Neben all den Zelten, den Paddocks für die Pferde und der mobilen Küche, die die Gruppe auch dabei hat. „Wir haben wunderbare Flächen zur Übernachtung angeboten bekommen“, freut sich Jörg Lauenroth-Mago auf das letzte Quartier, bevor es von Worpswede aus am Sonntag wieder nach Vegesack geht. Dort trennt sich die Gruppe, verlädt die Pferde und Ponys auf Anhänger und reist mit motorisierten Pferdestärken ab. Uta Schröder wird die Friedensreiter mit ein paar Aktiven ihrer Reitschule am Sonnabend gebührend in Empfang nehmen: Sie reiten ihnen bis Lilienthal entgegen.
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