Lilienthal. Vor den Eingängen der Seniorenwohnungen im Park des Amtmann-Schroeter-Hauses weht ein kalter Wind. Nordseite. Das ist die Schattenseite des 40 Meter langen Baus. Drinnen sieht man die Sonne. Sie strahlt durch die großen Fenster der Wohn- und Schlafzimmer. Alles wirkt hell und freundlich. Wer hinaus tritt auf die Terrasse, spürt die Wärme. Vögel zwitschern in den Zweigen der Fichten. Noch trüben kreischende Bohrer der Bauarbeiter und Erdhaufen das Bild. Bald ist das vorbei. Am 1. Juli sind die Wohnungen bezugsfertig. Jochen Kempff ist froh, dass alle vermietet sind. Die Einnahmen sollen die Zukunft der Amtmann-Schroeter-Haus-Stiftung sichern, deren Vorsitzender Kempff ist.
Die großen weißen Wandfliesen in den Bädern wirken elegant. Kloschüsseln und Waschbecken stehen auf dem grauen Fliesenboden, sie müssen noch montiert werden. Einige der hohen flachen Heizkörper in den Wohnungen hängen schon, andere lehnen an den Wänden. Durch die großen Fensterfronten der Wohn- und Schlafzimmer flutet das Sonnenlicht. Einschlagsicher sei das Fensterglas, sagt Jochen Kempff.
Jedes Jahr Verluste
In den Wohnungen ohne montierte Heizungen surren Heizlüfter. Seit Dezember wird geheizt, damit die Betonböden und Kalksandsteinwände trocknen. Tag für Tag lüftet der Stiftungsvorsitzende jede Wohnung morgens und abends eine halbe Stunde durch. „Damit wir die feuchte Luft rausbringen“, sagt er. Dabei fällt dem 80-Jährigen jeder Schritt schwer, vor allem wenn er die Treppe hoch muss ins Obergeschoss. Der Fahrstuhl ist schon eingebaut, aber noch nicht abgenommen.
Kempff winkt ab. Es geht nicht um ihn und seine Befindlichkeit. Es geht um das Projekt. Ohne die Mietwohnungen, davon ist der 80-Jährige überzeugt, würde alles den Bach runtergehen, die Stiftung und das Amtmann-Schroeter-Haus. „Wir haben jedes Jahr Verluste„, sagt der Vorsitzende. “Die Summen werden höher. Wenn wir so weitermachen, wird das Stiftungskapital aufgezehrt. Dann ist alles weg, die Stiftung und das Haus.“
Die barrierefreien Wohnungen für Senioren bringen Geld. Acht sind es, je 50 Quadratmeter groß mit Küche und Bad, Wohn- und Schlafzimmer. Bei einem Quadratmeterpreis von zwölf Euro kostet die Miete 600 Euro. Übers Jahr rechnet Jochen Kempff mit Einnahmen von rund 50 000 Euro nach Abzug der Verwaltungskosten. Der 80-Jährige hat den Wohnungsbau vorangetrieben gegen den Widerstand einiger Nachbarn, die gegen jede Bebauung im alten Park gekämpft haben (wir berichteten).
Normalerweise leben Stiftungen von den Erträgen ihres Kapitals. Das funktionierte noch, als die Zinssätze bei fünf Prozent lagen. Heute kann Kempff froh sein, wenn er 0,1 Prozent bekommt. Das reicht nicht hin und nicht her. Um Haus und Park zu erhalten und die Angebote für Senioren zu finanzieren, lebt die Amtmann-Schroeter-Haus-Stiftung von ihrer Substanz. Von der chronisch klammen Gemeinde kommt keine Hilfe, im Gegenteil: Sie hat ihren Zuschuss von 36 000 auf 20 000 Euro heruntergefahren. Dabei braucht die Stiftung mehr Geld und zwar dringend.
Seit Jahrzehnten leistet das Haus an der Hauptstraße 63 die Seniorenarbeit für die Gemeinde. Es berät alte Menschen in allen Lebenslagen und bietet ihnen eine Fülle an Aktivitäten, vom Seniorenfrühstück bis zum Sprachkursus. Im Haus treffen sich 30 Gruppen, pro Jahr kommen 13 000 Besucher.
Zwar hat die Stiftung geerbt. Der frühere Geschäftsführer Heiner Haase hat ihr sein gesamtes Vermögen vermacht. Das Geld ist in einen saalartigen Mehrzweckraum mit großen Fensterfronten geflossen, der sich an den Neubaukomplex mit den Seniorenwohnungen anschließt, wie Jochen Kempff erklärt. „Darum nennen wir ihn Heiner-Hase-Saal.“ Der Mehrzweckraum wird nach den Worten des 80-Jährigen dringend gebraucht. Denn das Fachwerkhaus des Lilienthaler Astronomen und Oberamtmanns Hieronymus Schroeter ist nicht barrierefrei. Die steile Treppe ins Obergeschoss schaffen manche Senioren nicht mehr. „Die bleiben dann weg, die kommen nicht mehr“, sagt Kempff. Einen Fahrstuhl im Altbau verbietet der Denkmalschutz.
Den Park will die Stiftung komplett sanieren. Jahrzehntelang sei er nicht mehr richtig gepflegt worden, sagt der Stiftungsvorsitzende der Redaktion. Ein Teil der alten Bäume musste gefällt werden, was zu Protesten von Bürgern in der Nachbarschaft des Amtmann-Schroeter-Hauses führte (wir berichteten). Die Sanierung der grünen Idylle wird mehrere Zehntausend Euro kosten. Bezahlen muss sie die Stiftung, die seit Jahren von der Hand in den Mund lebt. Die Mieteinnahmen sollen das Blatt wenden. 1,8 Millionen Euro hat der Bau gekostet, die Stiftung bezahlt die Investition in die Zukunft mit eigenen Mitteln. Wenn alles nach Plan läuft, sichern die Seniorenwohnungen die Zukunft der Stiftung und den Betrieb des Amtmann-Schroeter-Hauses als solides Fundament und sichere Einnahmequelle.
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