Osterholz-Scharmbeck. Unglaublich! Die Musiker greifen nach den bereitliegenden Handtüchern, wischen den Schweiß von der Stirn. Immer wieder klopfen sie sich gegenseitig auf die Schultern, nehmen sich in den Arm. Gefühlte Ewigkeiten bleiben sie nach dem Konzert auf der Bühne der Stadthalle in Osterholz-Scharmbeck - als fiele es ihnen schwer, die Halle zu verlassen.
Und das Publikum feiert auch dieses Ereignis noch, klatscht und jubelt. Grobschnitt ist Kult. Die Band ist unfassbar, einzigartig und in keine Schublade zu stecken, weiß die Fangemeinde.
Über 800 Zuschauer erlebten eine Show mit toller Musik, irren Lichteffekten und skurrile Einlagen. Aztekenhafte Gestalten entfachen ein riesiges bengalisches Feuer, futuristische Feuerwehrmänner verwandeln Funken sprühende Winkelschleifer zu Instrumenten und ein Fantasievogel schreitet über die Bühne. Riesige Boxen lassen die Halle beben. Dieses Konzert werden Publikum und Band nicht so schnell vergessen.
Unabhängige Rockmusik
"Einfach toll", findet Martin Schmoll. Zusammen mit seiner Frau Martina Hesse, beide in Fanshirts, ist er extra aus Hamburg in die Stadthalle gekommen, um Grobschnitt zu erleben. "Grobschnitt is back" verkündet die Aufschrift am Rücken. Schmoll ist schon lange Fan. Grobschnitt wurde 1970 in Hagen in Westfalen gegründet und eroberte schnell die Musikszene. Damals lebte Schmoll noch im Sauerland, ganz in der Nähe von Hagen. "Mich faszinierte die unabhängige Rockmusik, die sich in kein Schema pressen lässt", sagt er. In wechselnden Formationen lieferte Grobschnitt experimentelle Musik. Die Texte sind durchaus kritisch. Aber auch Klamauk und eine Spur "Abgedrehtheit" sind dabei. "Ich konnte meiner Frau nicht so recht erklären, was Grobschnitt ausmacht", sagt Schmoll. "Ich hätte nie gedacht, dass ich Grobschnitt je wieder live sehen kann", gesteht der Wahlhamburger. Doch 2007 war es so weit. Angetrieben von den eigenen Söhnen erlebte Grobschnitt eine Wiedergeburt. Die
Fanszene blieb nach der Abschiedstournee immer aktiv, traf sich sogar jährlich. Die Konzerte der verjüngten Band waren sofort ein Erfolg. Auch in Osterholz-Scharmbeck gaben die Musiker 2010 ein Konzert. Jetzt legten die Westfalen nach. Erstmals brachten sie ihr Konzeptalbum "Rockpommels Land" auf die Bühne in Osterholz-Scharmbeck. Eine Stunde melodischer Rock an einem Stück. Erzählt wird die mystische Geschichte von Ernie und dem Wundervogel Marabu, die gegen die Blackshirts kämpfen. Das Rockmärchen kehrt an seinen Ursprung zurück. Volker Kahrs, gebürtig aus Osterholz-Scharmbeck, hat es geschrieben. Ihm war die Liveversion nicht mehr vergönnt. Kahrs starb 2008. "Vielleicht hatte Volker die schöne Landschaft hier beim Schreiben im Sinn," sinnierte Frontmann Willi Wildschwein.
"Die haben richtig Spaß an der Sache"
Tom Redecker von Sereena Records hat die Band noch mal nach Osterholz-Scharmbeck geholt. "Wir sind dem Wunsch gerne gefolgt", versichert Willi Wildschwein auf der Bühne. Das merken die Zuschauer selber. Schmoll lobt: "Die haben richtig Spaß an der Sache."
Nach der Pause drehen Deva Tattva (Keyboards), Demian Hache (Percussions), Michael "Milla" Kapolke (Bass), Manu Kapolke (Gitarre), Toni Moff Mollo (Lichtshow, Gesang), Rolf "Admiral Top Sahne" Möller (Schlagzeug), Stefan "Nuki" Danielak (Gitarre) und Willi Wildschwein alllias Stefan Danielak (Gitarre, Gesang) noch mal richtig auf. "Jetzt kommt das Stück", haucht Willi Wildschwein ins Mikro. Das reicht. Die Fans wissen, was jetzt kommt: "Solar Music". Das Stück, mit dem Grobschnitt für Furore sorgte. Kaum ein Konzert kommt ohne dieses Rockepos aus. In Jahrzehnten hat es sich immer wieder entwickelt. 40 Minuten lassen die Rocker Gitarren kreischen, Bässe brummen und Schlagzeuge dröhnen. Kollektiv schwimmen die Zuschauer im Klangteppich. Grobschnitt ist etwas für eingefleischte Fans. Doch dazu kann man schnell werden. Ein Konzertbesuch reicht.