Osterholz-Scharmbeck. Nachdem vor Schulen und Kindergärten im Stadtgebiet Tempo 30 gilt, hat die Verkehrswacht Osterholz-Scharmbeck vor der Findorffschule die Geschwindigkeit des Verkehrs gemessen. Eine mobile Messtafel hat dort fünf Tage lang die Fahrzeugbewegungen und Geschwindigkeiten aufgezeichnet. Der Redaktion liegen die Messergebnisse vor. Fazit: Offensichtlich hält sich dort kaum jemand an das von Montag bis Freitag und in der Zeit von 7 bis 14 Uhr geltende neue Tempolimit.
Durch die Aufstellung und den Batteriewechsel der Messtafel sind die Zahlen nicht durchgängig erfasst worden. Dennoch lässt sich eine Tendenz ablesen, da für zwei Tage Messergebnisse über 24 Stunden vorliegen. In der Zeit vom 1. bis 5. August lag die gemessene Spitzengeschwindigkeit auf der Rübhofstraße nachts maximal bei 94 Kilometer pro Stunde. Tagsüber ist man dort auch während der Unterrichtszeit gern mal mit mehr als 70 Kilometern pro Stunde unterwegs.
Als Durchschnittsgeschwindigkeit wurden rund 41 Kilometer pro Stunde festgestellt. 85 Prozent der Verkehrsteilnehmer fuhren langsamer oder maximal 50 bis 52 Kilometer pro Stunde. Um die 7600 Fahrzeuge fuhren täglich an der Messstation vorbei in Richtung Amtsgericht.
Dieter Grohs von der Verkehrswacht Osterholz-Scharmbeck, der die mobile Tafel dort aufgestellt hat, ärgern die Ergebnisse. Gleichzeitig relativiert er ihre Aussagekraft. Die Rübhofstraße habe für die Dauer der B 74-Sanierung eine besondere Rolle gespielt, da sie eine ausgeschilderte Ausweichstrecke war, ist Grohs überzeugt. „Dort sind vermutlich mehr Fahrzeuge wie üblich unterwegs gewesen.“
Viele Autofahrer würden die Geschwindigkeit und den Anhalteweg bei einer Vollbremsung unterschätzen, weiß er. Gerade vor solch sensiblen Bereichen wie vor Kindergärten und Schulen müsse man sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten, appelliert Grohs. Halte man sich nicht daran, könnten schlimme Unfälle passieren. „Das will doch niemand.“
Daten für Polizei hilfreich
Dieter Grohs weiß, wovon er spricht. 25 Jahre war er bei der Autobahnmeisterei Oyten tätig. Damals habe er unter anderem Unfallstellen auf der Autobahn absperren müssen, wie er erzählt. „Da gab es schon unschöne Szenen." Das, was er damals zu Gesicht bekam, habe ihn auch dazu bewegt, sich nach seinem aktiven Berufsleben für die Verkehrssicherheit einzusetzen. Grohs veranstaltet im Auftrag der Verkehrswacht unter anderem Fahrsicherheitsseminare.
Für die Polizei sind die Daten der Verkehrswacht hilfreich. Man arbeite in der Unfallkommission des Landkreises mit Vereinen wie der Verkehrswacht oder dem ADAC eng zusammen, betont der Sprecher der Polizei Verden/Osterholz auf Nachfrage. „Wir sind froh, dass Außenstehende uns ihr Wissen mitteilen“, sagt Helge Cassens.
Derartige Erhebungen seien polizeilich und juristisch zwar nicht verwertbar, sie würden aber die Entscheidung beeinflussen, wo Geschwindigkeitsmessungen durchführt werden. Wer mit 94 Kilometer durch eine Ortschaft rase und geblitzt wird, zahlt 200 Euro plus Gebühren, erhält zwei Punkte und muss einen Monat den Führerschein abgeben, zitiert Cassens aus dem Bußgeld-Katalog.
Für die Kreisverwaltung Osterholz leiste die Tempo-Tafel „einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit“, erklärt eine Sprecherin. Einzelne Messtafeln der Verkehrswachten seien aus Mitteln der kommunalen Verkehrsüberwachung ganz oder teilweise bezahlt worden. Außerdem stehen den Verkehrswachten die digitalen Anzeigetafeln des Landkreises zur Verfügung.
„Der Landkreis Osterholz begrüßt den Einsatz der mobilen Messtafeln der Verkehrswacht ausdrücklich.“ Sie stellten eine Ergänzung zu den Geschwindigkeitskontrollen des Landkreises dar, heißt es. Gerade Anwohner in Tempo-30-Zonen würden vielfach um Geschwindigkeitskontrollen bitten. Sie „sind aber in der gewünschten Häufigkeit mit den vorhandenen Messgeräten nicht zu leisten.“ Der zeitliche Umfang einer Geschwindigkeitskontrolle sei durch den Landkreis auf wenige Stunden begrenzt. Geschwindigkeits-Anzeigetafeln könnten aber über mehrere Tage an einer Stelle aufgestellt werden. Sie hätten einen positiven Effekt auf die sogenannte soziale Kontrolle, weil alle sehen können, wer die Geschwindigkeit einhält.
Deshalb bittet der Landkreis die Mitarbeiter der Verkehrswachten gezielt, diese Messtafeln an bestimmten Stellen aufzustellen. Im Gegenzug würden die Ergebnisse der Behörde zur Verfügung gestellt. Sie dienten als Grundlage für offizielle Geschwindigkeitskontrollen – mit entsprechenden Konsequenzen für Raser. Daneben werden die Ergebnisse in Einzelfällen auch im Rahmen von Entscheidungen nach der Straßenverkehrsordnung berücksichtigt, zum Beispiel bei Anträgen auf Geschwindigkeitsbegrenzung.
Die Stadtverwaltung in Osterholz-Scharmbeck hat die Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) Ende Juni umgesetzt. Das Tempolimit von 30 Stundenkilometern gilt nun im Bereich von Schulen und Kindergärten auf einer Länge von 300 Metern und von montags bis freitags in der Zeit von 7 bis 14 Uhr. Die Regelung gilt auch vor der Grundschule Pennigbüttel, der Grundschule und den Kindertagesstätten Ohlenstedt auf der Biloher Straße und in Höhe der Schule Lindenstraße. Auf der Lindenstraße gilt neuerdings komplett Tempo 30. Zudem ist dort die Vorfahrtsregelung geändert worden. Nun gilt auf der Lindenstraße rechts vor links.
Die Tempo-Messtafel der Verkehrswacht von der Findorffstraße wird ab Mitte kommender Woche übrigens am Kuhdamm in Grasberg stehen, wie Dieter Grohs ankündigt. „Dort wird auch immer so gejagt.“