Verden/ Osterholz-Scharmbeck. Es hätte nicht viel gefehlt, und die vierfache Mutter hätte zu all ihren Problemen noch ein ganz großes hinzubekommen: Ihr drohte der Gang ins Gefängnis. Das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck hatte der Kreisstädterin im vergangenen Juli wegen Betruges drei Monate Haft aufgebrummt – ohne Bewährung. Denn zur Bewährung waren bereits die anderthalb Jahre ausgesetzt worden, die die schon einschlägig vorbestrafte Frau im Februar 2021 kassiert hatte. Nun sollte es das Landgericht Verden richten. Die heute 30-Jährige konnte von Glück sagen, dass die Berufungskammer ihr eine „aller-allerletzte Chance“ einräumte.
Diese möge sie bitte unbedingt nutzen, riet ihr die Vorsitzende Richterin am Ende der Urteilsbegründung – für sich selbst und ihre Kinder. Denn eine weitere Chance werde es garantiert nicht geben, wenn sie sich noch einmal etwas zuschulden kommen lasse und die Auflagen nicht erfülle. Die 5. kleine Strafkammer folgte mit der Entscheidung der dringenden Bitte der Verteidigerin, noch einmal Bewährung zu gewähren. Wäre es nach der Vertreterin der Staatsanwaltschaft gegangen, hätte die Angeklagte trotz ihrer Sprösslinge (zwei bis elf Jahre alt) die komplette Konsequenz zu spüren bekommen. Sie verstecke sich hinter ihren Kindern, aber diese hätten sie ja auch nicht davon abgehalten, immer wieder Straftaten zu begehen.
Schwerer Betrug in acht Fällen
Damit werde aber wirklich endgültig Schluss sein, hatte die Frau beteuert, nachdem ihr noch einmal deutlich vor Augen geführt worden war, was ihr blühen könnte. Nämlich auch der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, die vor knapp zwei Jahren erfolgt war. Damals hatte das Amtsgericht wegen besonders schweren Betruges in acht Fällen anderthalb Jahre Freiheitsentzug verhängt. Zuvor war die Angeklagte, die weder über einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung verfügt, mit Geldstrafen davongekommen. Noch sind nicht alle restlos beglichen.
Erster Eintrag wegen Diebstahls
Der aktuelle Auszug aus dem Bundeszentralregister ergab fünf Eintragungen seit November 2012. Losgegangen war es mit einer Verurteilung wegen Diebstahls. Danach drehte es sich vor Gericht kontinuierlich um Betrugsfälle. Thematisiert wurden diese Taten jetzt nicht. Umso eingehender wurde noch einmal die Tat beleuchtet, die die Angeklagte Mitte 2021 verübt hatte – als sie schon unter Bewährung stand. Zwar war die Berufung auf den sogenannten Rechtsfolgenausspruch beschränkt, sollte es also „nur“ noch um die Höhe der angemessenen Strafe gehen. Doch Gericht und Staatsanwältin interessierten sich selbstverständlich auch für den gesamten Hergang des Tatgeschehens. Und dabei besonders für die dreiste Art und Weise, wie die Frau das Betrugsopfer nach Erhalt des erhofften Geldes vertröstet, beschwichtigt und belogen hatte – bis dem Mann der Geduldsfaden gerissen war und er, wie schon mehrfach angekündigt, Anzeige erstattet hatte.
Streit um 50 Euro
Es ging diesmal um rund 50 Euro. Vergleichsweise viel für die von fortlaufenden finanziellen Schwierigkeiten geplagte alleinerziehende Mutter. In einem Kleinanzeigen-Portal hatte sie einen Schulranzen zum Verkauf angeboten und war sich mit dem fernen Interessenten handelseinig geworden. Der Mann überwies alsbald den vereinbarten Betrag auf das Konto der Frau – und harrte fortan der Lieferung. Doch da konnte er lange warten, denn die Angeklagte hatte offenbar gar nicht vor, die bezahlte Ware auch zu verschicken. Was sie ihm dagegen fast zwei Wochen lang per Whatsapp lieferte, waren „Gründe“ für den sich leider verzögernden Versand, dann für die nicht erfolgte Rücküberweisung des Geldes, die der Kunde sich ausbedungen hatte.
Mal steckte sie angeblich gerade im Umzugsstress, mal musste erst einmal das Online-Banking freigeschaltet werden. Und dann konnte die Überweisung nicht ausgeführt werden, weil zu wenig Geld auf dem Konto war. Ob die Angeklagte aber damals tatsächlich versucht hat, ihre Versprechungen einzulösen, ist nach wie vor fraglich. Kontoauszüge habe sie nicht mehr, eine Neubeschaffung sei sehr teuer, und nur ein Blatt könne man auch nicht anfordern, erklärte die um Ausreden nicht verlegene Frau vor dem Landgericht. Dass sie den Schaden mittlerweile beglichen hat, steht indes fest: Im Mai vorigen Jahres hat sie endlich nachweislich die genau 51 Euro zurückgezahlt – als in der Sache längst das Verfahren lief und das Schreckgespenst des Bewährungswiderrufs im Raume stand.
Von Nachfragen "genervt"
Grundsätzlich räumte die 30-Jährige ein, nicht mit offenen Karten gespielt und den Mann hingehalten zu haben. Der habe sie aber auch mit seinen ständigen Nachfragen „genervt“ und sei sogar „beleidigend“ geworden. Überhaupt habe sie den ausrangierten Ranzen letztlich nicht verkaufen können: Ihr Sohn habe die Schultasche plötzlich unbedingt behalten wollen. Aus Sicht der Staatsanwältin ist die Angeklagte eine „klassische Betrügerin“. Dafür spräche allein das „Herausmanipulieren“, das ständige Vorbringen von Gründen, die alle „von außen“ kämen, hieß es im knappen, aber knackigen Plädoyer. Die Verteidigerin führte vor allem die vier Kinder („Die Väter sind eine Katastrophe“) ins Feld, die der Lebensinhalt ihrer Mandantin und im Falle einer Gefängnisstrafe die Leidtragenden seien.
Es ist noch einmal gut gegangen. Der Frau wird, wie von der Anwältin dringend befürwortet, eine Bewährungshelferin oder ein -helfer an die Seite gestellt. Innerhalb von sechs Monaten muss die Angeklagte 60 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Sie brauche Struktur, Druck, einen geregelten Tagesablauf, so die Richterin. „Den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine Option mehr“.