Könnten die Menschen in der Samtgemeinde Tarmstedt dank Carsharing und Mitfahrgelegenheiten auf einen Zweitwagen verzichten? Das soll jetzt ein Umfrage klären.
Naturnah ins Grüne ziehen und dort aufs Auto angewiesen sein – das wird sich so bald wohl nicht ändern. Aber wenigstens soll nicht mehr jede Familie, die auf dem Land wohnt, auch noch einen Zweitwagen benötigen.Eine Umfrage soll klären, wieweit in der Samtgemeinde Tarmstedt Carsharing und Mitfahrgelegenheiten ausgebaut werden können. Gut 35 Interessierte hörten sich jetzt im Gasthof Klee in Westertimke an, was die Bremer Agentur Spurwechsel, die die nachhaltige Mobilität voranbringen möchte, dazu an Ideen hat.
Spurwechsel erarbeitet noch bis zum Juni 2017 im Auftrag der Samtgemeinde eine Machbarkeitsstudie zur Veränderung der Mobilität. „Wir machen uns schon länger Gedanken“, erklärte Samtgemeindebürgermeister Frank Holle. Pioniere in Sachen Elektroautos seien die Ratsherren Joachim Franke aus Buchholz und Traugott Riedesel, Bürgermeister von Wilstedt, gewesen. Die Machbarkeitsstudie umfasst auch eine Umfrage.
14.000 Autos stünden in ganz Deutschland für Carsharing zur Verfügung, sagte Marcel Bonse von Spurwechsel. Unter Carsharing verstehe man die selbstständige Nutzung eines Fahrzeugs durch beliebig viele Fahrer nach einem die Energie- und sonstigen Kosten deckenden Tarif. In 200 Städten, auch in Bremen, sei Cambio vertreten. Diese Wagen sind stationsgebunden, im Gegensatz zu denen von Drive Now, das von BMW betrieben wird. Aber auch für diese Autos ist ein bestimmter Nutzungsradius festgelegt. Gebucht wird über Telefon, Internet oder eine Smartphone-App. Der Schlüssel liegt im Handschuhfach, geöffnet wird das Fahrzeug über einen Code oder eine Karte.
Elektroautos geleast
Für Tarmstedt, Buchholz, Wilstedt und Bülstedt gibt es zudem noch das E-Carsharing-Forum, das Traugott Riedesel vorstellte: Er hat zwei Elektroautos für zwei Jahre geleast und ein Gewerbe als Autoverleih angemeldet. An seiner Arztpraxis in Wilstedt hat er zwei Ladestationen montieren lassen. Benutzt werden die Wagen von seiner Praxis, sie können aber auch von jedem Bürger gemietet werden – wer nicht mehr selbst fahren kann oder will, kann sogar einen ehrenamtlichen Fahrer gestellt bekommen. Inzwischen werde das Carsharing Kosten deckend betrieben, das habe aber über ein Jahr gedauert.
25 Fragen
Eine weitere Form der Mobilität, aber nicht mehr ganz neu, seien die Mitfahrzentralen, fuhr Marcel Bonse fort. Flinc und BlaBlaCars hätten je 350.000 registrierte Nutzer, die gebührenfrei über Internet oder Smartphone-App vermittelt würden. Der Fahrpreis wird vorher zwischen Fahrer und Fahrgast ausgehandelt. Inzwischen deutschlandweit verbreitet sind die Mitfahrbänke, von denen auch in der Samtgemeinde einige stehen. Hinzu kommen neben der Regionalbuslinie 630 die Bürgerbusse, denen Bonse allerdings keine große Zukunft einräumt, sowie die Anrufbusse und -taxis, die zum Preis einer normalen Busfahrkarte teilweise sogar bis zur Haustür fahren. „Wir müssen nicht nur ökologische und ökonomische Maßstäbe anlegen, sondern auch soziale“, sagte Bonse: Die Angebote müssten bezahlbar sein. Wie sie verbessert werden können, möchte Spurwechsel gern von allen Einwohnern der Samtgemeinde erfahren. Deshalb geht in der nächsten Woche an alle Haushalte ein Informationszettel über eine Umfrage zu Carsharing und Mitfahrgelegenheiten. Diese Umfrage mit etwa 25 Fragen, zu deren Beantwortung etwa eine Viertelstunde veranschlagt werden muss, läuft bis Ende Dezember über das Internet. Wer keinen Internetzugang hat, kann auch brieflich teilnehmen. Die Teilnahme ist anonym, es wird aber gefragt, in welcher Gemeinde der Teilnehmer wohnt.
Bis Februar nächsten Jahres wird die Umfrage ausgewertet. Dann wird sich wieder die begleitende Arbeitsgruppe treffen, die sich bereits im Oktober gebildet hat und aus Marco Wesemann von der Verwaltung, dem E-Carsharing-Forum, den Landfrauen, dem Jugend- und dem Seniorenbeirat sowie der Gleichstellungsbeauftragten besteht. Diese Arbeitsgruppe bekommt auch als erste den Abschlussbericht zu lesen, der im Juni in einer Abschlussveranstaltung öffentlich vorgestellt wird. Aus der Umfrage wird Spurwechsel nämlich ein Betreibermodell entwickeln, wobei sie zu Carsharing und Mitfahrgelegenheiten je zwei Vorschläge machen wird. Das, so Marcel Bonse, könnten die Alternativen zum Zweitwagen werden – der totale Verzicht auf ein eigenes Auto sei auf dem Land derzeit wohl noch illusorisch. Bonses Kollege Jürgen Köhler meinte, wenn das Projekt erfolgreich werde und man vom „Tarmsteder Modell“ spreche, werde es viele Regionen geben, die daran interessiert seien. „Dann könnte Tarmstedt eine Pilotregion werden.“