Lilienthal. CDU und FDP sprechen von einem Glücksfall für die Gemeinde. Das sehen die Grünen und die Sozialdemokraten genauso. In aller Stille haben der Landkreis und die Gemeinde einen Deal eingefädelt, der beiden nutzen würde. Der Kreis verkauft der Gemeinde Lilienthal die Christoph-Tornée-Schule am Schoofmoor. Dort könnte die Kommune eine große Kindertagesstätte (Kita) mit zehn Gruppen einrichten. Im Gegenzug verkauft die Gemeinde dem Landkreis den Kindergarten an der Ostlandstraße und noch 2000 Quadratmeter Grund dazu. Dort könnte der Kreis die Oberstufe der Integrierten Gesamtschule (IGS) bauen, also gleich neben der Ganztagsschule, die die IGS jetzt schon nutzt.
Die Schule eins zu eins gegen den viel kleineren Kindergarten zu tauschen, wäre kein fairer Deal. Daher müsste die Gemeinde dem Landkreis 2,3 Millionen Euro überweisen. Die Tornée-Schule ist es in den Augen von Bürgermeister Kristian Tangermann wert. „Wir bekommen ein Schulgebäude, das in einem hervorragenden Zustand ist,“ betonte der Verwaltungschef am Donnerstagabend im Fachausschuss für Bildung und Kultur, der im Rathaus tagte. „Und wir kommen einen Riesenschritt weiter bei der Schaffung von neuen Kindergarten- und Krippengruppen.“
Zunächst soll nur das Erdgeschoss genutzt werden. Die Kosten für den Umbau der Klassenräume und die Einrichtung von Ruhe- und Bewegungsräumen, Küche, Toiletten und Personalräumen schätzt die Gemeinde grob auf 700 000 Euro. Noch ist die Sache nicht in trockenen Tüchern. Was die Verwaltungen des Landkreises und der Gemeinde Lilienthal ausgehandelt haben, muss von den Politikern im Kreistag und im Gemeinderat erst noch beschlossen werden. Doch deutet alles darauf hin, dass es zu dem Deal kommt.
Im Bildungsausschuss sprach Tangermann von einer Win-Win-Situation. Beide Seiten profitierten von dem Gebäude- und Flächentausch, betonte der Verwaltungschef. Für den Landkreis wäre es ein Riesenvorteil, die Oberstufe gleich neben der Ganztagsschule einzurichten. „Schulorganisatorisch sind zwei Schulstandorte schon eine große Herausforderung.“ Wenn Lehrkräfte zwischen drei Standorten pendeln müssten, wären die Probleme ungleich größer. Momentan arbeitet die IGS an zwei Standorten: Die jüngeren Jahrgänge werden in Grasberg unterrichtet, die älteren in der Ganztagsschule auf dem Kamp.
Schoofmoor als Familienzentrum?
Bisher liefen die Planungen des Landkreises darauf hinaus, die IGS-Oberstufe in der Christoph-Tornée-Schule einzurichten. Der Großteil des gelb geklinkerten Schulbaus steht seit dem Abgang der letzten Förderschüler mit Lernbehinderungen leer. In einem Trakt hat die Gemeinde drei Krippengruppen untergebracht, für die sie Miete an den Kreis zahlt. Die Krippengruppen hätten 2018 rausgemusst, und das hätte der Gemeinde vor große Probleme gestellt. Wohin mit den 30 Kleinkindern im Alter von ein bis drei Jahren? Zweite Frage: Wohin mit den 33 Kindern, die bis 2018 auf der Warteliste für einen Krippenplatz stehen würden? Einen Kindergarten-Neubau hätte die Kommune gar nicht so schnell aus dem Boden stampfen können.
So wird das Schoofmoor aller Wahrscheinlichkeit zum größten Kita-Standort in der Gemeinde. In der Tornée-Schule sollen sechs Krippengruppen und vier Kindergartengruppen eingerichtet werden. Gleich nebenan erweitert die Lebenshilfe ihre Kita gerade, um dort drei Krippengruppen und zwei Kindergartengruppen unterzubringen. Wenn die Schatzkiste, der Kindergarten an der Ostlandstraße, schließt, ziehen vier Gruppen ins Schoofmoor um, drei Kindergartengruppen und eine Krippengruppe.
Schon einmal hat der Kreis der Gemeinde aus der Patsche geholfen. Das war vor drei Jahren, als sich der Mangel an Krippenplätzen zuspitzte und Eltern mit Klagen drohten. Das Angebot, drei Krippengruppen in der verlassenen Förderschule unterzubringen, kam der CDU-Frau Monika Röhr vor wie „ein Geschenk, das uns vor die Füße gefallen ist“. Genauso empfand es die Grüne Meike Artmann jetzt, weshalb sie die Christdemokratin zitierte. „Was lange währt, wird endlich gut“, meinte der Sozialdemokrat Oliver Blau, der den Vorsitz führt im Ausschuss für Bildung und Kultur. Schon 2014 sei die Idee vom Schoofmoor als Familienzentrum entstanden, bald könne die Realität werden. Schulen und Kindergärten, Hallenbad, Sportplätze und Turnhallen, alles an einem Standort.
Besser hätte es nach Blaus Überzeugung nicht kommen können. Der Neubau des Kindergartens Wümme-Kieker mit sechs Gruppen habe sechs Jahre gedauert und 2,6 Millionen Euro gekostet. Demnächst bekomme die Gemeinde eine Kita mit zehn Gruppen für etwa drei Millionen Euro. Allerdings wiesen Meike Artmann, die Sozialdemokratin Britta Weber und der Linke Reinhard Seekamp darauf hin, dass die Gemeinde noch nicht aus dem Schneider ist. Eine Punktlandung sei das, mehr nicht, fand Seekamp. Bei der langen Warteliste für Krippenplätze zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Kita in der Tornéeschule schon zur Eröffnung ausgebucht ist, während die Nachfrage junger Eltern nach Kitaplätzen weiter steigt.
Einer im Bildungsausschuss blieb skeptisch: Der Querdenker Ingo Wendelken zweifelte an der Win-Win-Situation. Es sei wohl eher ein Gewinn für den Landkreis, vermutete er. Und drei Millionen Euro für Kauf und Umbau könne die Kommune auch nicht einfach so ausgeben: „Wir sind die am höchsten verschuldete Gemeinde in Niedersachsen.“