Hambergen. Ein letztes Mal den Bohrer in die Hand, schnell noch die Schraube fest gedreht, dann ist die Zwei-Zimmer-Wohnung fertig. „Sieht doch ganz gemütlich aus“, sagt Antje Kappel mit einem Schmunzeln. Neben einem großzügigen, abgedunkelten Schlafbereich kann sich auch die offene Speisekammer durchaus sehen lassen. Auf 200 000 Kubikzentimetern erwartet den künftigen Bewohner ein Traum aus Holz. Oder anders gesagt: Ein kleines Anwesen aus OSB-Platten. Der künftigen Untermieterin dürfte der Komfort gefallen, wenn man bedenkt, dass die Schleiereule sonst in alten Kirchentürmen haust.
Um den Lebensraum des nachtaktiven Vogels wieder attraktiver zu machen, hat die Biologische Station Osterholz im vergangenen Herbst eine Eulenschutz-Gruppe ins Leben gerufen. Mit dem Projekt möchte das Umweltzentrum mehr Aufmerksamkeit auf die Vogelart ziehen und das Naturbewusstsein in der Gesellschaft stärken. Auf die Weise soll ein Eulennetzwerk von freiwilligen Unterstützern entstehen, die sich aktiv an der Umsetzung der Schutzmaßnahmen beteiligen.
Den Auftakt machte im November eine Vortragsreihe zu Themen wie Artenschutz und Umweltkriminalität. „Wir hätten nicht gedacht, dass wir damit das Interesse von so Vielen wecken“, gibt Mitinitiatorin Antje Kappel zu. Direkt nach Projektstart hätten sich bereits 20 Menschen bei ihr gemeldet und den Bau von Nistkästen in Auftrag gegeben. Um die hölzernen Brutboxen drehte es sich auch, als sich die engagierten Eulenschützer jüngst zum gemeinsamen Werken im Trafo-Häuschen in Hambergen trafen. Die stillgelegte Transformatorenstation wurde schon vor einigen Jahren von der Ortsgruppe des Naturschutzbundes (Nabu) Hambergen in eine kleine Werkstatt umfunktioniert. „Mit dem Bau von Nistkästen möchten wir die Bevölkerung über die Schutzmöglichkeiten vor Ort aufklären“, berichtete Kappel.
Gemeinsam schufen die ehrenamtlichen Naturschützer drei neue Raststätten für die lautlosen Jäger der Nacht. „Ein Brutplatz ist allerdings keine Garantie für den Einzug von Schleiereulen“, gab die Diplom-Geografin zu bedenken. Zum Biotop der Vögel zählten neben einer offenen Landschaft auch Nisthöhlen in alten Bäumen oder Gebäuden. In niederdeutschen Hallenhäusern mit sogenanntem Uhlenloch, einer kleinen Öffnung im Giebelfeld, fühlten sich die Käuze erfahrungsgemäß besonders wohl. „Schleiereulen brüten vorzugsweise im Inneren. An vielen alten reetgedeckten Häusern wurden die Zugänge für die Vögel jedoch geschlossen“, bedauerte Kappel. Ein Nistkasten könne dabei helfen, eine friedliche Beziehung zwischen Mensch und Tier zu schaffen. „Die Eulen haben dadurch einen geschützten Ort für ihre Brut. Die Box verhindert, dass sich der Dreck überall auf dem Dachboden sammelt“, erklärte sie. Die Holzkisten sollten alle fünf Jahre gesäubert werden. Darüber hinaus sollten die Besitzer darauf achten, dass das Einflugloch etwa acht bis zehn Zentimeter über dem Boden der Kiste liegt. Andernfalls könnte der Nachwuchs aus dem Nest fallen.
Andreas Segelken und seine Lebensgefährtin Bärbel Rohlfs wollten sich ihren Nistkasten individuell anfertigen lassen. In der Scheune ihres Wohnhauses in Lilienthal seien in der Vergangenheit bereits Schleiereulen gesehen worden. Nun hoffen beide auf eine Wiederansiedlung des Vogels. „Die Eule hat einfach etwas Eindrucksvolles an sich“, sind sich beide einig.
Ziegelei-Nest derzeit unbewohnt
Noch vor einigen Jahren seien die Rufe der Schleiereulen in ganz Hambergen zu hören gewesen. Im Durchschnitt zählten Naturschützer drei bis sieben Vögel pro Jahr in den Kästen. Bisher hält der Brutplatz an der alten Ziegelei mit 13 Schleiereulen den Rekord. „Das Nest ist für uns immer ein Indikator für die Entwicklung der Population gewesen. Momentan sieht es leider schlecht aus“, so Nabu-Mitglied Gerold Wieting. Die Hamberger Ortsgruppe hat im ganzen Landkreis bereits 30 Nistplätze aufgestellt. Im Nest auf dem Innenhof der alten Ziegelei seien jedoch seit drei Jahren keine Spuren mehr gefunden worden, die auf einen Besuch des nachtaktiven Vogels hindeuten würden. Stattdessen haben es sich im vergangenen Jahr einige Turmfalken in dem Baukasten gemütlich gemacht. Während die Schleiereulenpopulation in Hambergen Anfang der 2000er-Jahre noch einen großen Boom erlebt habe, seien seit 2012 kaum noch Bruterfolge zu verzeichnen gewesen. Anders sieht es im Oldenburger Land aus. Dort vermeldete der Nabu für das vergangene Jahr mit rund 400 jungen Schleiereulen Rekordergebnisse. „Wir kennen die genauen Ursachen für den Rückgang bei uns nicht“, erklärte Wieting. Eine vollständige Bestandsaufnahme stehe derzeit noch aus.
Einige der Vögel seien tot vom Baum gefallen, weil es keine Nahrung mehr für sie gegeben habe. Die nachtaktiven Jäger erbeuten hauptsächlich Kleinsäuger wie Feld- und Spitzmäuse, doch gerade an denen mangele es.
„Es gibt viele schaurige Geschichten rund um die Eule“, sagte Kappel. Für die einen seien Schleiereulen die Vögel der Weisheit, andere fürchteten sie, weil sie in ihnen den Tod sähen. Der Aberglaube sei während des europäischen Mittelalters entstanden, als die buschige Vogelart noch als Begleiterin von schwarzen Zaubern gesehen wurde. Um sich vor dem Bösen zu schützen, wurde die Eule oft noch bis ins 20. Jahrhundert mit ausgebreiteten Flügeln an Scheunen- und Hoftore genagelt. Doch die Tiere haben auch etwas Faszinierendes an sich. Durch ihren herzförmigen, weißen Gesichtsschleier unterscheidet sich die Schleiereule von ihren Artgenossen. Das menschenähnliche Gesicht und der starre Blick waren auch das, was Andreas Otterstedt anfangs in den Bann zog. Lange Zeit lebten Schleiereulen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, ohne dass der Osterholz-Scharmbecker sich dessen bewusst war. „Ich habe gesehen, wie sie ab und zu am Fenster vorbeigesegelt sind. Mich hat es erstaunt, dass sie trotz der großen Spannweite ihrer Flügel so langsam gleiten“, erinnerte er sich. Seit November vergangenen Jahres ist er Mitglied in der Gruppe der ehrenamtlichen Eulenschützer. Auch Thorsten Dröse von der Nabu-Ortsgruppe aus Ritterhude möchte den Lebensraum der nachtaktiven Vögel fördern. Dafür hat er im Internet sogar eine Seite mit Informationen rund um Greifvögel ins Leben gerufen. „Das Interesse ist da, aber im Landkreis muss noch viel passieren“, sagte er.
Informationen zu den Veranstaltungen der Eulenschutzgruppe gibt es im Internet unter www.biologische-station-osterholz.de/. Wer Schleiereulen bei sich zuhause hat, sich einen eigenen Nistkasten anschaffen oder sich ehrenamtlich für die Vögel engagieren möchte, kann sich an Antje Kappel, Telefon 0 47 91 / 89 84 41, oder per E-Mail an eulen@biologische-station-osterholz.de wenden.