Landkreis Diepholz. Es war denkbar knapp, aber das zeichnete sich schon im Vorfeld ab: Mit der Mehrheit von CDU, FDP, AfD und FWG, aber gegen die Stimmen von SPD und Grünen ist am Montag im Kreistag beschlossen worden, die Förderschule Lernen nicht bereits im Zuge der Inklusion abzuschaffen, sondern sie vorerst als Parallelstruktur aufrecht zu halten und dies bis 2028 zu garantieren. Dieser Antrag der Christdemokraten war in den vergangenen Wochen das bildungspolitische Streitthema auf Kreisebene. Das sollte im Gasthaus Zur Post auch nicht anders sein.
Wie berichtet, hatte nicht nur die Forderung an sich zuletzt für Verstimmung gesorgt. Zu dieser trug auch der von der Gegenseite als übereilt empfundene Beratungsprozess bei, wie auch der Umstand, dass Entscheidungen dazu in nicht-öffentlichen Gremien getroffen wurden. Nun durfte die Allgemeinheit der Abstimmung beiwohnen – und nutzte diese Chance für Einwürfe. So fragte Mechthild Strake vom Kreisbehindertenbeirat abermals nach einem wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Kinder mit Lernproblemen wirklich an einer speziellen Einrichtung besser aufgehoben sind als an einer sogenannten Regelschule. Und sie wollte wissen: „Warum stärkt man nicht Inklusion mit den vorhandenen Ressourcen?“ Wirkliche Antworten sollte sie in der Sitzung nicht erhalten.
Dieter Engelbart verteidigte stattdessen nochmals den Vorstoß seiner CDU, der sich schließlich mit den Inhalten des aktuellen Koalitionsvertrages decke. Mit der Wahlmöglichkeit werde man „besonderen Bedürfnissen besser gerecht“. In Gesprächen mit Sonderpädagogen habe sich diese Haltung der Fraktion als richtig bestätigt.
Mangel an Anmeldungen
Nebenbei war allerdings zu erfahren, dass die Förderschul-Standorte Sulingen und Diepholz mangels Anmeldungen zunächst nicht die Genehmigungen der Landesschulbehörde für eine Fortführung erhalten hatten. Nur Melchiorshausen kam demnach auf immerhin zwölf potenzielle Schüler. Wobei Elke Oelmann von den Grünen einwendete, drei davon kämen aus Sulingen. Ob die Eltern ernsthaft vor hätten, sie ganz nach Weyhe zu schicken, sei wohl mehr als zweifelhaft.
Elke Oelmann, selbst Förderschullehrerin, haderte vor allen Dingen mit dem weiter fehlenden Inklusionskonzept des Landkreises. Die Verwaltung hatte kürzlich erklärt, um ein solches zu formulieren, reichten ein paar wenige Zeilen. „Eine Farce“, schimpfte die Grüne. Den nun gefällten Beschluss bezeichnete sie als „Rückschritt“. Und weiter: „Das behindert Inklusion.“
Ihre Bedenken bekräftigte auch SPD-Fraktionschefin Astrid Schlegel. Sie befürchtete unter anderem, dass das für die Förderschulen benötigte Personal von den inklusiven Klassen der sonstigen Schulen abgezogen würde.
Anders sah es Stephanie Budke-Stambusch (FDP). Sie stellte auf das Wohl der Schüler mit Lerndefiziten ab: „Die Kinder gehen doch im Unterricht unter.“ Linken-Sprecher Peter Faßbinder widersprach: „Schule muss darauf eingehen können, dass diese Kinder anders lernen.“ Hermann Schröder von der Freien Wählergemeinschat (FWG) hingegen war ein wenig hin und her gerissen, sah einen „Spagat“. Aber bei diesem wolle er den Eltern die Wahlfreiheit lassen – mit der Option der bewährten Förderschulen.
Gerd Breternitz von der AfD war es dann, der die Wellen endgültig hochschlagen ließ. Er zog einen Vergleich mit den Olympischen Spielen. Da komme es auf Leistung an – im Gegensatz zu den Paralympics. Niemand käme auf die Idee, körperlich Behinderte sich mit „Spitzenathleten“ messen zu lassen, meinte er.
Die Aussage des AfD-Mannes veranlasste letztlich Landrat Cord Bockhop, immerhin CDU-Mitglied, mit gegen den Antrag der Christdemokraten zu stimmen. Allen voran Sozialdemokrat Michael Albers wetterte noch heftiger: „Was ist das für ein krudes Menschenbild?“ Gerd Breternitz wehrte sich: „Wenn Sie Leistung generell abschaffen wollen in der Schule, dann sagen Sie das auch so.“
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!