Verden. Die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen ist in vielen Fällen so zeitaufwendig, dass die Erlangung einer qualifizierten Berufsausbildung nur mit erheblichen Verzögerungen möglich ist. Das kann für die Betroffenen – in der Regel Frauen – zu erheblichen Nachteilen beim Start in das Berufsleben sowie beim beruflichen Fortkommen führen. Wenn eine Verbeamtung angestrebt wird, kann dies sogar bedeuten, dass diese nicht mehr möglich ist, da hierfür in der Regel starre Altersgrenzen bestehen.
Die Rechtmäßigkeit der Festlegung solcher Höchstgrenzen ist allerdings umstritten. Die Festlegung in bloßen Verwaltungsvorschriften führt regelmäßig zur Rechtswidrigkeit einer auf das Überschreiten der Altersgrenze gestützten Ablehnung einer Bewerbung. Soweit Altersgrenzen gesetzlich festgelegt sind, kann ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in Betracht kommen, denn sowohl das Europäische Recht (Richtlinie 2000/78/EG) als auch die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verbieten eine Benachteiligung wegen des Alters. Ob die Festlegung einer Altersgrenze vor dem Hintergrund dieser Vorschriften gerechtfertigt ist, ist stets anhand des Einzelfalls und der besonderen Anforderungen an die konkrete Tätigkeit zu prüfen.
Der Gesetzgeber hat das Problem des verzögerten Starts in das Berufsleben erkannt und unabhängig von der grundsätzlichen Frage der Rechtmäßigkeit von Altersgrenzen für die Verbeamtung Ausnahmen für die Fälle festgelegt, dass wegen der Betreuung von minderjährigen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen eine Verbeamtung vor Erreichen der Altersgrenze nicht möglich war. Entscheidend ist allerdings, dass sich die Einstellung ausschließlich wegen dieser Betreuung verzögert.
Umstritten ist hier vor allem: Kommt eine Verlängerung der Altersgrenze nur dann in Betracht, wenn eine Ausbildung durch Betreuungszeiten unterbrochen wird? Oder ist die Kausalität zwischen Betreuungszeiten und Überschreiten der Altersgrenze auch dann gewahrt, wenn zunächst die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen erfolgt und nach Beendigung der Betreuung die Ausbildung mit einer solchen Verspätung aufgenommen wird, dass die Altersgrenze überschritten ist?
Das Land Niedersachsen lehnt in einem solchen Fall die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Verlängerung der Altersgrenze ab. Die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungspraxis ist aber zweifelhaft, da es letztlich keinen Unterschied machen kann, ob die Verzögerung im Verlauf einer Ausbildung eingetreten ist oder ob die Ausbildung erst mit einer Verzögerung begonnen werden konnte. Entscheidend ist allein, ob die Verzögerung ausschließlich auf die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen zurückzuführen ist. Auf die zeitliche Abfolge von Ausbildung und Betreuung kann es hingegen nicht entscheidend ankommen.
Björn Diering, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Rechtsanwälte Berner·Fischer & Partner
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