Druckereimuseum Auf Gutenbergs Spuren

Die Hoyaer Museumsdruckerei zieht in das ehemalige Molkereigebäude um. Unter den Exponaten befindet sich der letzte in Bleisatz gedruckte WESER-KURIER.
16.03.2020, 14:17 Uhr
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Auf Gutenbergs Spuren
Von Jörn Dirk Zweibrock

Der letzte WESER-KURIER, der in Bleisatz gedruckt wurde, befindet sich wo? Richtig, in der Hoyaer Museumsdruckerei. Stolz hält Museumsvater Michael Linke den rund sechs Kilo schweren Druckzylinder in den Händen. Der 75-Jährige muss ganz schön ­ächzen, wenn er die bleierne Titelseite von A nach B transportieren will. Die stammt ­übrigens vom 9. Juni 1984 und ist irgendwann einmal an Michael Linke herangetragen worden. Derzeit handelt es sich bei der Museumsdruckerei allerdings um eine Druckerei auf Paletten. „Wir befinden uns mitten im Umzug, ziehen gerade vom Heimatmuseum in das alte Molkereigebäude“, erzählt Linke. Rund 60 Tonnen Material und Maschinen müssen sein Team und er dabei bewältigen. „Blei ist eben schwer“, weiß Linke.

Der Sohn einer Schreibmaschinenlehrerin hat früher in Wechold eine kleine Schuldruckerei betrieben. 1998 ist sie dann in der ­Hoyaer Museumsdruckerei aufgegangen. Künftig residiert das einzige Druckerei-Museum der Region als Sparte des Museumsvereins an der Lindenallee – dort wo einst Milchprodukte hergestellt wurden. „Wir haben uns den Namen ,Zwiebelfisch – Museumsdruckerei Hoya‘ gegeben“, erzählt Linke. Hinter dem Wir verbergen sich allesamt leidenschaftliche Anhänger der schwarzen Kunst – „meine zwölf Jünger und ich“, sagt der Wecholder. Neben ihm sind noch weitere vier „alte Hasen“ mit an Bord, jeweils zwei gelernte Drucker und Schriftsetzer. Sie treffen sich 14-täglich in der Museumsdruckerei.

Außerschulischer Lernort

60 anerkannte außerschulische Lernorte gibt es derzeit laut Kultusministerium in Niedersachsen. Mit der Hoyaer Museumsdruckerei könnte nun bald ein weiterer hinzukommen. Als Kooperationspartner stehen die ­Grundschule Westen sowie die Marion-Blumenthal-Oberschule Hoya in den Startlöchern.

Michael Linke freut sich, wenn er regelmäßig Schulklassen auf seinem „typografischen Abenteuerspielplatz“ – wie er sein nostalgisches Kleinod liebevoll nennt – zu Gast hat. „Das, was wir hier machen, ist in der heutigen Zeit zwar retro“, weiß er, hält das Erlernen von alten Kulturtechniken aber auch im digitalen Zeitalter für wichtig. Für Linke und seine Frau Sylke ist es eine Herzensangelegenheit, ihre private Druckerei-Sammlung für die Nachwelt zu konservieren. Deswegen haben sie ihre Schätzchen auch der Stadt Hoya geschenkt, die sich im Gegenzug dazu verpflichtet hat, einen passenden Raum für die historischen Maschinen bereitzustellen. Mit dem Erwerb der alten Molkerei durch die Stadt ist die Sammlung Linke quasi zukunftssicher geworden.

Auch die Fräse, mit deren Hilfe Michael Linke Holzbuchstaben fertigt, zieht natürlich mit um. „Es gibt europaweit vielleicht noch drei Leute, die Holzbuchstaben fräsen, Holzlettern nachschneiden können“, erzählt Linke. Gedruckt würden die Buchstaben letztendlich natürlich in Spiegelschrift. Aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung heraus weiß er, dass diese alte Handwerkskunst eine ganz besondere Präzision erfordert.

Es versteht sich von selbst, dass Linke damit zu einem Liebling der Buchdruckerszene geworden ist, die sich regelmäßig in Mainz trifft. „Johannes Gutenberg hat nicht etwa den Buchdruck erfunden, wie immer gern behauptet wird, den gab es nämlich schon vorher. Was er aber erfunden hat, ist der Druck mit beweglichen Lettern“, klärt Linke auf. Kein Wunder, dass auf seinem typografischen Abenteuerspielplatz kreatives Chaos herrscht. „Ich habe gerade kanadischen Ahorn geliefert bekommen, den kann ich aber erst 2022/2023 schneiden, weil er solange trocknen muss“, freut sich Michael Linke, dass die alte Druckkunst gerade bei Grafikstudenten eine kleine Renaissance erlebt. Auch Birnbaum lasse sich gut für Holzbuchstaben verarbeiten. Warum? Weil es die Druckfarbe bestens annehme, gut verfügbar und preiswert sei, sich unkompliziert schneiden lasse.

Das Herz des Mannes, der Holzbuchstaben so sehr liebt, schlägt natürlich auch für alte Frakturschriften. Jahrelang hat der 75-Jährige seinen eigenen kleinen Plakatverlag gehabt, beispielsweise Ankündigungen für Schützenfeste oder Ausstellungen im Hoyaer Heimatmuseum gedruckt. Weil für großformatige Plakatschriften Buchstaben aus Blei früher zu teuer und vor allen Dingen zu schwer waren, wurden dafür eigens Holzlettern hergestellt. „Wenn alte Drucker bei mir im Museum ­reinschnuppern, nehmen sie wie Hunde ­sofort Witterung auf“, weiß Michael Linke, welche Faszination noch immer davon ausgeht.

Nachbau der Druckpresse

Wer an Linkes Fräse („Ihr Geräusch erinnert mich immer an einen Besuch beim Zahnarzt“) vorbeischreitet, kommt auch am Nachbau des Gutenbergschen Handgießgerätes und seiner berühmten Druckpresse vorbei. Auch der noch vor Kurzem mit einer dicken Staubschicht bedeckte Heidelberger Tiegel schnauft inzwischen wieder. „Jede kleine Druckerei hatte früher ein bis zwei solcher Maschinen. Im Gegensatz zum Handdruck kann der Tiegel gleich einen Blätterstapel einziehen und so Flugblätter im A4-Format drucken.

Übrigens: Zwiebelfisch nannten Setzer und Drucker früher einzelne Buchstaben innerhalb eines Textes, die in einer anderen Schrift gesetzt wurden.

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