Eine späte Blüte der spannenden Verdener Crazy-Eighties-Musikszene wurde in einem Bremer Aufnahmestudio aus der Taufe gehoben: Die Paleo Paranoids haben ihre erste CD mit dem Titel „Cargo“ herausgebracht. Über die Band und ihre Entstehung sprachen die Musiker Björn Detjen und Thomas Schäfer mit den VERDENER NACHRICHTEN.
Die Paleo Paranoids sind eine Studio-Band, die sich wöchentlich in Detjens Studio in Bremen trifft. Ihren Underground/ Alternative-Sound dominieren Bass und Drums. Doch beide Musiker beherrschen mehrere Instrumente, die sie in professioneller Aufnahmetechnik im Studio einspielen. Schäfers prägnanter Bass ist ideal für den Leadgesang, mehrere Stücke haben einen kleinen Chor von Frauenstimmen. Dass die beiden, die zur gleichen Zeit in der Verdener Musikszene aktiv waren, sich 30 Jahre später gefunden haben, ist reiner Zufall. Ort ihrer frühen musikalischen Wurzeln ist das Verdener Jugendzentrum. Bereits in den 1970ern entstand dort eine unabhängige und experimentierfreudige Musikszene mit Hardrock und Funk, die sich in den 80er-Jahren zu einer überregional einflussreichen Punk-Szene und einer kleineren Heavy-Metal-Sektion entwickelte.
Björn Detjen und Thomas Schäfer waren 15 Jahre alt, als sie jede Möglichkeit nutzten, um mit ihren Instrumenten im Jugendzentrum aufzutreten und Vorbildern wie Greenday nachzueifern. „Damals war das ganz easy“, erzählt Thomas Schäfer. „Man traf sich im Jugendzentrum und legte sofort los. Die Leute konnten einfach spielen, die meisten sogar mehrere Instrumente. Auf unseren Sessions haben wir sie sogar oft getauscht.“ Schäfer hat in dieser verrückten Zeit in so vielen Bands gespielt, dass ihm nicht einmal mehr alle Namen einfallen: „Man tat sich mit zwei, drei Leuten zusammen, und wenn wir drei Stücke hatten, traten wir auf.“
Wenn die Stücke durch waren und die Fans im Jugendzentrum mehr wollten, dann habe man das Ganze einfach noch einmal gespielt. „Dann waren wir meist schon ziemlich besoffen, so dass es ganz anders klang als beim ersten Mal“, sagt er und grinst. Seine erfolgreichsten Bands waren Action S. und Raptor, in der der heutige Gastronom Christian Haag Gitarrist und Hauke König der Drummer waren.
Björn Detjen kannte er vom Sehen und von verschiedenen Sessions, und dessen Metal-Band Doomsday war sogar überregional bekannt, ebenso wie Mandrake oder Die kastrierten Philosophen, zwei weitere Jugendzentrums-Bands, die Hunderte von Fans in die Verdener Jugendeinrichtung lockten.
Beim gemeinsamen Erinnern kommen die beiden ins Schwärmen. „Das war unglaublich, fast jedes Wochenende Konzerte, meistens Punk“, erzählt Detjen. „Die Szene war so groß, die Fans kamen aus Bremen und Hannover.“ Einmal sei eine riesige Horde Neonazis gekommen, um ein großes Punk-Konzert mit lauter Verdener Bands zu stören: „Da war was los.“
Ungefähr 1986, zu der Zeit, als Detjen am Gymnasium am Wall und Schäfer am Domgymnasium ihr Abi machten, stellte Carl-Christian Hesse, damaliges Verdener Stadtratsmitglied, den Jugendlichen im Sandbergviertel einen Proberaum zur Verfügung. „Wir trafen uns in jeder freien Minute. Da waren super begabte Leute dabei“, erinnert sich Schäfer. „Heute denkt ja jeder, der auf ein paar Knöpfe drücken kann, er sei ein toller Musiker.“
Den alten Zeiten zuliebe wollte sich im Jahr 2016 der „harte Kern“ der Szene noch einmal treffen. Hauke König hatte erfahren, dass Alan Diehl, einer der Spitzenmusiker jener Zeit, der Ende der 1980er-Jahre mit seinen Eltern nach Kanada zurück gegangen war, Verden besuchen wollte. Christian Haag schlug vor, das Treffen in seinem vor dem Abbruch stehenden Hotel „Grüner Jäger“ zu veranstalten. 30 Leute kamen von überallher: aus Los Angeles, aus Kanada, aus Hamburg, aus Kirchlinteln.
Das wurde eine einzigartige Session, die niemand so schnell vergessen wird, und während der Spirit der 80er-Jahre noch einmal auferstand. Nun merkten Detjen und Schäfer, wie gut sie sich musikalisch verstanden – und das Projekt „Paleo Paranoids“ war geboren.
Herausragend ist die Stimme der erst 16-jährigen Estelle Garrett, Austauschschülerin aus Seattle im Hause Detjen, die in vier Stücken sogar Soli übernommen hat. Dass Estelle nun bald in die USA zurück fliegt, wurde zur „Turbo-Inspiration“, die CD schnell zu vollenden. „Das ist ein absolutes Highlight für mich“, sagt die Teenagerin, die sich bei den Detjens wie zu Hause fühlt. Nun kann sie sich durch die Songs für immer mit ihnen verbunden fühlen. Für Thomas Schäfer ist diese CD „das Beste, was ich jemals gemacht habe“. Es gibt sie in Verden im Musikhaus Hartig oder über die Website www.paleoparanoids.de.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!