Verden. Die Wahl ist der Jury nicht leicht gefallen, gibt es doch einige Frauen, die sich für Gleichberechtigung und Frieden einsetzen. Und doch fiel bei genauer Betrachtung eine Dame besonders auf: Zaina Erhaim. Die syrische Journalistin und Filmemacherin ist daher Preisträgerin des Anita-Augspurg-Preises, den die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF) am Freitagabend in Verdens Rathaus erstmals vergab.
Es ist nicht die erste Auszeichnung, die die gebürtige Syrerin für ihr Engagement erhielt. Von der Nonprofitorganisation Reporter ohne Grenzen wurde sie bereits 2015 zur Journalistin des Jahres gekürt, außerdem erhielt sie den Peter-Mackler-Preis für ethischen und mutigen Journalismus. Dass sie nun erneut Lob für ihre Arbeit erhält, ist für die 32-Jährige also nicht ungewöhnlich – und doch ist es ihr eine besondere Ehre. Es sei das erste Mal, dass sie nicht für ihre journalistische Arbeit, sondern für ihr soziales Engagement ausgezeichnet werde, erklärt Erhaim vor der Preisverleihung.
„Ich liebe den Namen des Awards“, betont die Syrerin, der trägt nämlich den Zusatz „Rebellinnen gegen den Krieg“. „Das Wort Rebell wurde oft für Menschen benutzt, die sich gegen ein funktionierendes System richteten, für Unruhestifter.“ Im Kontext des Anita-Augspurg-Preises werde dem Wort wieder etwas positives zugeschrieben, das gefalle ihr besonders. Auch für einen Filmbeitrag nutzte Erhaim den Begriff. „Syriens rebellische Frauen“ wird an diesem Sonnabend, 23. September, um 20 Uhr im Cine City Verden gezeigt.
Bereits bevor in Syrien der Krieg ausbrach, wollte Erhaim Journalistin werden. Ein Beruf, der in ihrer Heimat gerade für Frauen eher weniger anerkannt war. Zunächst studierte sie in Damaskus Journalismus. Anschließend zog sie nach London, um Internationalen Journalismus zu studieren. Später arbeitete sie beim arabischen Service der britischen Rundfunkanstalt BBC. 2013 entschloss sie sich, in ihr Heimatland zurückzukehren. Mitten im Bürgerkrieg zog es sie in das umkämpfte Aleppo.
„Es sind häufig Männer, die die Geschichte aufschreiben“, sagt Erhaim heute. Das wollte sie ändern. In Syrien gebe es keinerlei Aufzeichnungen von Frauen. In zehn Jahren soll das anders sein, wünscht sich die Journalistin. Nicht nur, weil sie selbst über das Leben im vom Bürgerkrieg zerstörten Land schreibt, sondern auch, weil sie Frauen ermutigt, es ihr gleich zu tun. Als Koordinatorin des Instituts für Kriegs- und Friedensberichterstattung habe Erhaim inzwischen über 100 Frauen und Männer zu Bürgerreportern ausgebildet, erklärt Donate Fink von der IFFF. Damit sollen Menschen einfache Mittel an die Hand bekommen, um aus ihrem Leben zu berichten.
Häufig werde sie gefragt, warum sie sich in einem Land um Frauenrechte kümmert, dessen größtes Problem ganz offensichtlich der Krieg ist, sagt die Journalistin. Gegen den Krieg könne sie nicht viel ausrichten, wohl aber gegen die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, antwortet sie dann. Als Erhaim in Syrien Kinder nach ihren Rollenbildern fragte, waren die Antworten klar: Männer gehen arbeiten, Frauen kochen und putzen das Haus. Ein Junge sagte ihr sogar, Frauen dürfen das Haus nicht verlassen, sonst gebe es Schläge. Diese Generation könnte erwachsen sein, wenn der Krieg zu Ende ist, gibt Erhaim zu bedenken.
5718 Euro bekommt die junge Frau nun für ihr Engagement. Keine zufällige Summe, erklärt Fink, denn die Ziffern verweisen in anderer Anordnung auf das Geburtsjahr der Frauenrechtlerin Anita Augspurg. Die erblickte im September 1857 in Verden das Licht der Welt. Das Geld werde Erhaim in ihre Projekte fließen lassen.
Auch dieser Sonnabend steht ganz im Zeichen von Augspurg. So startet am Lugenstein um 11.30 Uhr eine Führung unter dem Namen der Verdener Aktivistin. Karten gibt es bei der Tourist-Information. Um 16 Uhr folgt im Rathaus ein Vortrag samt Diskussion zum Krieg in Syrien und potenziellen Lösungen. Ab 17 Uhr gibt es eine weitere Diskussionsrunde zum Thema „Was brauchen die Frauen in Syrien jetzt“. Das Begleitprogramm zur Preisverleihung endet um 20 Uhr im Cine City, wo auch Zaina Erhaim zugegen sein wird.