Wolfgang Reichelt eilt durch die riesige Produktionshalle an der Verdener Max-Planck-Straße. Bevor er wieder an den Schreibtisch zurückkehrt, muss er erst noch einer Mitarbeiterin aus der Spätschicht zum Geburtstag gratulieren. „Unsere Mitarbeiter sind das Wichtigste, was wir haben. Manche von ihnen halten uns bereits seit 45 Jahren die Treue“, sagt der 78-Jährige und richtet seinen gestreiften Binder. „Die Krawatte nehme ich nicht ab. Damit will ich begraben werden“, verrät er.
Reichelt hat aus der kleinen Hinterhof-Firma am Verdener Nikolaiwall 16 ein Unternehmen von Weltformat gemacht. Block, der Global Player mit Produktionsstandorten in Chicago und Shanghai, feiert an diesem Sonntag, 25. August, seinen 80. Geburtstag. Ohne viel Tamtam und prominente Ehrengäste, sondern ganz bescheiden mit einem Fest für die Mitarbeiter und ihre Familien. Schließlich sollen die Kids zu Hause ja wissen, wo Mama und Papa jeden Tag zur Schicht gehen.
Trafos, Drosseln, Filter, Schaltnetzteile
Wird der waschechte Verdener aus Versehen mit „Herr Block“ angeredet, freut sich Wolfgang Reichelt diebisch, denn Block ist Reichelt und Reichelt ist Block. Deswegen hat sich für den inzwischen zweifachen Vater, fünffachen Großvater und einfachen Urgroßvater auch nie wirklich die Frage gestellt, die Firma in Reichelt umzubenennen, die er im Jahr 1971 von Alfred Blocks Witwe übernommen hat. Gerade einmal zehn Mitarbeiter haben damals in Verden Transformatoren (Trafos) hergestellt.
Heute zählt das Unternehmen weltweit insgesamt 1200 Beschäftigte, verfügt über rund 40 Vertretungen. Das Stammhaus befindet sich nach einem Zwischenstopp am alten Pulverschuppen an der Verdener Max-Planck-Straße. Auf dem Werksgelände liegt auch die Geschäftsstelle des Unternehmensverbandes Rotenburg-Verden, dessen Präsident der Block-Inhaber und Geschäftsführer seit 1992 ist. Die Mitgliederzahl bewegt sich aktuell bei 160. Gesellschaftlicher Höhepunkt des Jahres ist die von Reichelt ins Leben gerufene Wirtschaftstafel.
Reichelt war der erste Verdener Unternehmer, der Ende der 1980er-Jahre ins neue Industriegebiet gezogen ist. Dabei wurde er von den Borsteler Bürgern keinesfalls freundlich begrüßt, hatte mit heftigem Gegenwind seitens der Bürgerinitiativen zu kämpfen. Doch Wolfgang Reichelt wäre nicht Wolfgang Reichelt, wenn ihn diese Hindernisse nicht noch zusätzlich angestachelt hätten. Durch einen feuchtfröhlichen Schnack op Platt auf dem Kirchlintler Rübenmarkt und seine guten Kontakte ins Ministerium nach Hannover hat er seine Firma später sogar noch in Richtung Weitzmühlen anbinden können.
Als der 78-Jährige kürzlich mit seiner Frau durch die Südsee geschippert ist, hat er doch an Deck tatsächlich einen Trafo made in Verden entdeckt. Neben Trafos produziert Block auch Drosseln, EMV-Filter und elektrische Schaltnetzteile. „Transformatoren sind elektrische Getriebe, Drosseln glätten den Strom und EMV-Filter wandeln Störungen in Wärme um“, bringt es der gelernte Radio- und Fernsehtechniker auch für den technischen Laien verständlich rüber. Die von der Firma Block hergestellten Produkte werden heute weltweit im Maschinenbau eingesetzt.
„Mit zwölf Jahren habe ich mein erstes Radio gebaut“, erinnert sich Wolfgang Reichelt. Weil er schon früh die Lehrstelle bei Block am Nikolaiwall in der Tasche hatte, verließ er 1956 die Mittelschule, ging fortan seinem „Traumberuf“ nach. Auf dem zweiten Bildungsweg absolvierte er später ein Studium der Nachrichtentechnik, kehrte nach Stationen bei Telefunken und Nordmende nach Verden zurück.
Wie praktisch, dass die Max-Planck-Straße genau in der Mitte zwischen Amerika und Asien liegt – so braucht sich Reichelt jedenfalls keine Gedanken über die Zeitverschiebung machen. In beide Richtungen sind es nämlich sechs Stunden. Folglich macht der Unternehmenschef von morgens bis mittags seine Geschäfte mit China und von mittags bis abends mit Amerika.
Auch über das Thema Nachwuchsmangel braucht er sich nicht den Kopf zu zerbrechen, schließlich bietet Block die gesamte Ausbildungspalette an – von der Lehre über das duale Studium bis zur Promotion – der Forschungsabteilung sei Dank. Gut drei Jahrzehnte war Wolfgang Reichelt Mitglied in der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade für den Elbe-Weser-Raum. Heute ist er Ehrenmitglied.
Was wünscht sich der Träger des Bundesverdienstkreuzes eigentlich beruflich zum 80. Geburtstag seiner Firma und privat zu seinem 80. Wiegenfest im nächsten Jahr? „Beiden ein langes Leben.“ Seiner Frau will er nun erst einmal das neue Werk in China zeigen. Verständigt wird sich im Reich der Mitte natürlich auf Englisch. Obwohl: „Ein Bier bestellen kann ich auch schon auf Chinesisch, wir üben immer bei unserem Stamm-Chinesen in Verden“, erzählt er.
Bodenständig ist das langjährige Mitglied in den Schützenvereinen Borstel und Verden sowie im Verdener Männerchor immer geblieben, bloß zum 80. Bestehen der Firma hebt er dann doch einmal ganz kurz ab: „Wir bieten für unsere Mitarbeiter Hubschrauberflüge über Verden an.“
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