Geophsysiker in Völkersen: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gibt es einen direkten Zusammhang Erdgasförderung und Erdbeben

Erdbeben in Norddeutschland sind sehr wahrscheinlich auf die Erdgasförderung zurückzuführen. Diese Aussage eines Experten von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bestätigte am Donnerstagabend die Befürchtungen nicht nur der Völkerser Bürgerinitiative "No Fracking". Langwedel·Verden (vn).
08.12.2012, 05:00 Uhr
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Erdbeben in Norddeutschland sind sehr wahrscheinlich auf die Erdgasförderung zurückzuführen. Diese Aussage eines Experten von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bestätigte am Donnerstagabend die Befürchtungen nicht nur der Völkerser Bürgerinitiative "No Fracking". Langwedel·Verden (vn).

Bürgermeister Andreas Brandt wollte als Gastgeber nicht sagen "Herzlich willkommen im Erdbebengebiet", als er am Donnerstag die rund 100 Zuhörer im Gasthaus "Zur Post" in Völkersen begrüßte. Er habe nämlich die Hoffnung, so Brandt, dass es sich bei dem Erdbeben am 22. November um ein einmaliges Ereignis gehandelt habe. Das Publikum reagierte mit höhnischem Gelächter.

Den Vertretern des Landesbergamtes, Bergbau (LBEG), des Landkreises und der RWE Dea war nicht zum Lachen zumute. Nicolai Gestermann, als Geophysiker der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ein anerkannter Fachmann der Erdbebenforschung, stellte fest, dass in Norddeutschland seismische Aktivitäten ausschließlich in der Nähe von Erdgasförderfeldern auftreten. Diese Tatsache lasse keinen anderen Schluss zu, als dass die "Erdbeben mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in einem direkten Zusammenhang zur Erdgasförderung stehen".

Raunen und Beifall im Auditorium, Ratlosigkeit bei den RWE-Dea-Vertretern. Unternehmenssprecher Uwe-Stephan Lagies zeigte sich überrascht vom Gehörten und wollte auf Nachfrage aus dem Publikum keine Aussage treffen, wie sich das weitere Vorgehen des Hamburger Konzerns und eine Regulierung der aufgetretenen Schäden gestalten könnten. Bürgermeister Brandt rief dazu auf, der Gemeinde alle Schäden schriftlich an rathaus@langwedel.de zu melden und kündigte an, diese an die RWE weiterzureichen.

Geologe Gestermann machte noch deutlich, dass zwischen der Magnitude, also der geologisch messbaren Stärke eines Erdbebens, und der Intensität, mit der es an der Erdoberfläche wahrgenommen wird, zu unterscheiden ist. Die Intensität sei nur über Rückmeldungen aus der Bevölkerung zu ermitteln. Gestermann bat daher um rege Beteiligung an der Umfrage unter www.seismo.uni-koeln.de, wo die Wahrnehmungen während eines Bebens abgefragt und ausgewertet werden.

Rentner Werner Oetting, der in direkter Nachbarschaft zum Erdgasfeld wohnt, brachte die Angst vieler Menschen davor zum Ausdruck, dass das nächste Beben vielleicht deutlich stärker ausfallen könne und forderte unter großem Applaus ein Verbot des Frackings, damit "unsere Dörfer noch bewohnbar bleiben".

Jens von den Eichen, aus den Reihen der Zuhörer teilweise heftig angegangener Vertreter des Landesbergamtes, bat um Verständnis dafür, dass es sich bei der Genehmigung zur Gasförderung um einen "gebundenen Verwaltungsakt" handele. Die Behörde habe hierbei keinerlei Ermessen, sondern müsse bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen die Fördergenehmigung zwingend erteilen. Unter lautem Protest der Zuhörer erklärte von den Eichen weiter, dass ein Widerruf der bestehenden Genehmigung nicht in Betracht käme, da durch die Erdgasförderung in Völkersen "keine Gefährdung für die Umwelt oder die öffentliche Sicherheit besteht". Auch eine langfristige Absenkung des Erdreiches, wie sie durch die Erdgasförderung bereits heute messbar sei, würde diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

Applaus für die RWE Dea gab es für die Ankündigung des Betriebsleiters Uwe Balasus-Lange, dass der Antrag, die Lagerstättenwasserleitung nach Scharnhorst durch eine aus glasfaserverstärktem Kunststoff zu ersetzen, zurückgezogen werde. Die Leitung werde komplett zurückgebaut und die Verpressbohrung H1 nur noch als Notfallreserve genutzt. Bisher wurden nach Unternehmensangaben 8,4 Kilometer Leitung zurückgebaut und hierbei 2000 Tonnen Sand abgefahren und entsorgt.

Zur künftigen Entsorgung des bei der Gasförderung anfallenden Lagerstättenwassers werden laut Balasus-Lange derzeit zwei Methoden unter Beteiligung externer Gutachter untersucht. Hinsichtlich einer oberirdischen Aufbereitung und Entsorgung stehe man in Kontakt mit den Firmen Veolia und Siemens sowie der Stadt Verden. Hier sei jedoch der hohe Salzgehalt des Lagerstättenwassers problematisch, da kommunale Kläranlagen eine Höchstmenge von drei Prozent vorgeben.

Alternativ plant man laut Betriebsleiter Sven Burmester die Rückverpressung an der 2009 aufgegebenen Förderstelle "Völkersen Z3", wo seit 1999 rund 100 Millionen Kubikmeter Erdgas gefördert wurden. Die Förderstelle in rund 4800 Metern Tiefe sei durch eine Salzschicht abgedichtet, wodurch man das Lagerstättenwasser "dahin bringen kann, wo es herkommt und über 230 Millionen Jahre sicher eingeschlossen war". Dieses Verfahren sei jedoch völlig neuartig und müsse zunächst durch Experten der RWE erforscht werden.

Auch wenn die lautstark geforderte Hinzuziehung eines externen Gutachters spontan zugesagt wurde, bleibt bei den Anwohnern großes Misstrauen. So endete die Diskussion nach dreieinhalb Stunden mit dem Beitrag von Inge Vogel, die darum bat, bei der Entscheidung über die Genehmigung der Verpressung zu berücksichtigen, dass "wir unsere Heimat bewahren und keine Versuchskaninchen sein wollen".

Erdgasförderung und Erdbeben

Geophsysiker in Völkersen: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gibt es einen direkten Zusammhang

Zitat:

"Wir wollen unsere Heimat bewahren und keine

Versuchskaninchen sein."

Inge Vogel, Bürgerinitiative "No Fracking"

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