Neun Ensembles brillieren beim neu etablierten Kammermusikfestival am Domgymnasium Es begann mit einer verrückten Idee

Verden. Ein Wochenende voller Intensität und musikalischer Höhepunkte, neun span­nende Ensembles aus Musikern von Weltklasse, ein reich beschenktes Publikum und rundum zufriedene Or­ganisatoren – so lautet die Bilanz des ersten Internationalen Kammer­musikfestes Verden am Domgymnasium (DoG).
23.05.2017, 00:00 Uhr
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Von Susanne Ehrlich

Verden. Ein Wochenende voller Intensität und musikalischer Höhepunkte, neun span­nende Ensembles aus Musikern von Weltklasse, ein reich beschenktes Publikum und rundum zufriedene Or­ganisatoren – so lautet die Bilanz des ersten Internationalen Kammer­musikfestes Verden am Domgymnasium (DoG).

Nabil Shehata, weltbekannter Kontra­bassist und seit 2011 Chefdirigent der Münchener Kammeroper, war einst Schüler am Domgymnasium. Er ist bekannt und befreundet mit erstrangigen Musikern aus aller Welt und dachte seit Langem daran, hier ein internationales Musikfest auf die Beine zu stellen. Im vergangenen Au­gust als „verrückte Idee“ auf einem Gartenfest bei Shehatas in die Köpfe gepflanzt, wurden die Pläne schnell konkret: Die Musikpädagogen des DoG, die Nabil Shehata mehrheitlich mit eigenen Augen und Ohren zu ei­nem musikalischen Genie hatten he­ranwachsen sehen, begeisterten sich derart für das Projekt, dass sie es mit vereinten Kräften in die Tat umsetzten.

Von der straffen Organisation über den solidarisch aufgeteilten Einsatz und die optimale inhaltliche Vorbereitung bis hin zur herzlichen Betreuung und Ver­sorgung der Musiker wurde hier Gro­ßes geleistet: Hauptamtliche Festi­val-Organisatoren könnten es nicht besser.

Die Sponsoren waren begeis­tert, drei Konzerte im Nu ausverkauft – das Publikum schien nur darauf ge­wartet zu haben, dass hier einmal wie­der erlesene Kammermusik erklingen sollte.

Dem Auftaktkonzert des Vorabends mit Werken von Schubert und Beetho­ven folgten eine kurze Sonntags-Matinee unter dem Motto „Slawischer Morgen“ und ein grandioses Finale mit dem Ti­tel „Musikalische Momente“.

Indem sich die Ensembles in immer neuer Zusammensetzung präsentierten, ergab sich ein Feuerwerk von musika­lischer Vielfalt und Individualität, bei dem natürlich der Kontrabass eine Hauptrolle spielte. So hautnah, Auge in Auge mit den Musikern, spürte das Publikum die Magie des Einzigartigen: Da gab es kompositorische Raritäten, einzig geschaffen, um Instrumente, die sonst eher im Hintergrund stehen, ganz nach vorn zu holen. Und so ließen gleich zwei Bratschisten und zwei Cellisten der Spitzenklasse in ver­schwen­de­ri­scher Folge ihre dunklen Instrumente hell aufklingen und all ihr virtuoses Potenzial entfalten.

Zugleich erklangen gleich fünf Gipfelwerke der Kammermusik – und jedes von ihnen so authentisch und meisterhaft, als hätten die Interpreten sich nicht am Morgen des ersten Festival-Tages erstmals getroffen, sondern wären über Jahre miteinander vertraut. Und genau dieses Sich-Finden gleich gestimmter Freun­de, bei dem das Publikum direkt dabei ist, ist das Sensationelle des neuen Verdener Festivals.

Am Morgen hatte man die beson­dere Freude, Nabil Shehata gemeinsam mit seinem Bruder, dem Pianisten Ka­rim Shehata, mit vier wunder­bar gesanglichen und extrem vir­tuosen russischen Duo-Stücken zu er­leben. Da musste man sich die Augen reiben: Kann ein Kontrabass wirklich so klingen?

Mit Anton Dvořáks Streichquintett in G-Dur op. 77 wurden die „slawischen Klänge“ in einem orchestral anmuten­den Klangkörper zelebriert: Alexandra Conunova (Violine 1), die für den uk­rainischen Geiger Andrej Bielow ein­gesprungen war, Daishin Kashimota (Violine 2), Konstantin Sellheim (Vi­ola), Tim Park (Cello) und Nabil She­hata feierten den unerschöpflichen Melodienreichtum Dvořáks mit be­geisternder Intensität und Spielfreude.

Das Finale eröffnete mit dem Beetho­ven-Streichtrio in c-Moll op. 9 Nr. 3, einem der dunkel verhangensten Werke dieser Gattung – und bot dem Publikum einen musikalischen Mo­ment von Staunen erregender Dichte und Geschlossenheit: Daishin Kashi­moto (Violine), Konstantin Sellheim (Viola) und Claudio Bohrquez (Cello) zeigten beeindruckende Dyna­mik und Empfindsamkeit. Ihre Meister­schaft der leisen Töne erschuf ein Mysterium „gedämpften Leuchtens“.

Mit dem romantischen Concertino op. 38 von Bernhard Romberg für Viola, Cello und Kontrabass sowie der Sonate für Cello und Kontrabass des Barock­komponisten Jean-Baptiste Barrière erklangen zwei bezaubernde „Kabi­nettstückchen“ für tiefes Streicheren­semble von ganz ungewöhnlicher Klangwirkung – samtweich, duftig und ungemein virtuos.

Mit dem Klavierquintett in Es-Dur op. 44 von Robert Schumann beschlossen der pianistische Schumann-Spezialist Eric le Sage, Daishin Kashimoto, Ale­xandra Conunova, Jan Grüning und Claudio Bohrquez das Festival: Feurig impulsiv und aufrüt­telnd der Kopfsatz; reinste Inspiration und bewegende Empfindung der Trauer verhangene zweite Satz; ein lieblich verklärter dritter Satz, der al­les enthielt, was Romantik ausmacht, und ein Finalsatz, in dem das Publikum mit dem grandiosen Fugato ein letztes Mal vom Hocker gerissen war: Das möchte man nie wieder anders hören, denn besser geht es nicht – und so etwas erlebt man von nun an alljährlich in Verden an der Aller.

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