Der Blaue Saal mal mit ganz viel Rot: Die Achimer SPD hat am Montagabend mit rund 200 Gästen im Kulturhaus Alter Schützenhof (Kasch) ihr 150-jähriges Bestehen gefeiert.
„Ich bin vorbereitet, aber schon sehr aufgeregt, alles andere wäre nicht ehrlich“, gab der 32-jährige Pahl vor dem offiziellen Teil der Feier zu. Erst seit Juni dieses Jahres im Amt und dann gleich die Begrüßungsrede vor den vielen Gästen sowie Größen aus der Politik zu halten – das alles hätte den jungen Vorsitzenden bei seiner Rede aus der Bahn werfen können. Tat es aber nicht: Souverän leitete Pahl den Abend ein, an dem er 150 Jahre Achimer SPD als „ganz schöne Hausnummer“ bezeichnete. Gäste, die sich selbst ein Bild davon machen wollten, konnten die Geschichte des Ortsvereins im Foyer an Stellwänden verfolgen. Pahl erinnerte daran, dass die Achimer SPD seit der Gebietsreform 1972 „immer die stärkste Fraktion im Stadtrat war“ – schließlich befinden sich die Sozialdemokraten derzeit im Wahlkampf. Von dem auch zahlreiche Plakate zeugten, die für weitere rote Tupfer im Kasch-Saal sorgten.
Stephan Weil beeindruckt
Landesvater Weil zeigte sich beeindruckt von der langen Historie der SPD in Achim und sinnierte, ob es außer der Kirche wohl noch eine Institution in der Weserstadt gebe, die älter sei. Allein diese Überlegung zeige seiner Meinung nach „was alles dahinter steckt“. Nach kleinen Anekdoten von seinen jüngsten Begegnungen mit dem 89-jährigen Karl Ravens, beide seien zusammen zur Trauerfeier für Helmut Schmidt gefahren, und einer Menge Lob für den Achimer, der „ein überragender Sozialdemokrat“ und stets „seinen Grundsätzen treu geblieben“ sei, erzählte Weil ein bisschen von sich. Und davon, wie er vor 36 Jahren überhaupt zur SPD gekommen war. Mittlerweile stellt er fest: „Man kann das ein paar Jahrzehnte aushalten.“ Es folgte viel Lob für die eigene Partei und Kritik an allen anderen.

Gastredner Stephan Weil (Zweiter von links) blieb zusammen mit der Landtagsabgeordneten Dörte Liebetruth, dem Ratsvorsitzenden Hans-Jürgen Wächter, dem Ortsvereinsvorsitzenden Michael Pahl und dem Kreisvorsitzenden Bernd Michallik (von links) noch Zeit für ein gemeinsames Foto.
Anfänge der Achimer SPD
Ein genaues Gründungsdatum der Achimer SPD ist nicht bekannt. Aber, das ist aus einer 25 Jahre alten Chronik der Partei zu erfahren: In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts habe es in Achim Ortsgruppen des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) und des Cigarrenarbeitervereins gegeben. „Die Cigarren- und Tabakarbeiter sind die Vorkämpfer und Wegbereiter der Achimer Arbeiterbewegung – die Urzelle der hiesigen Sozialdemokratie“, heißt es seitens der Chronik-Autoren Edith Bielefeld, Karlheinz Gerholz und Christiane Knof-Grotevent. In dem Büchlein finden sich jede Menge Verweise auf die alten Zeiten. So ist unter anderem erwähnt, dass Friedrich Ebert, „lange bevor er als sozialdemokratischer Parteivorsitzender, erster sozialdemokratischer Reichskanzler und Reichspräsident bekannt wurde“, als Bremischer SPD-Abgeordneter in Achim weilte, um die Idee des „Internationalen Kampftages der Arbeiterbewegung“, des 1. Mai, zu erläutern. Der sozialdemokratische Wahlverein Achim wurde 1892 wieder gegründet.
Der nach Angabe der Autoren wohl „einzige revolutionäre Vorfall in Achim“ dürfte sich 1920 ereignet haben, als es auch in der Weserstadt wegen der unzureichenden Versorgungslage einen Aufruhr gab. Aufgebrachte Achimer hatten demnach in einigen Geschäften an der Obernstraße Zwangsverkäufe organisiert, „wobei sie selbst die Preise festsetzten“. Überliefert sei, dass erst nach dem Eingreifen der Achimer Sozialdemokraten der Menschenauflauf beschwichtigt werden konnte. Auch in Achim gab es ein Jahr nach diesem Vorfall wegen der Inflation Notgeldscheine: zwei Nominale von 25 und 50 Pfennigen. Darauf stilisiert das Achimer Bauernviertel, die Laurentiuskirche und die Achimer Mühle.
Die Achimer SPD war im Jahr 1932 neben dem Arbeitersportbund und dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund Mitglied der „Eisernen Front“, die praktisch einer der letzten Versuche gewesen sei, „die antifaschistischen Kräfte zusammenzuführen und so eine schlagkräftige Formation zur Bekämpfung der Nazis zu bilden“. Am 12. Mai 1933 wurde die Kasse des SPD-Ortsvereins Achim beschlagnahmt. Aber, so heißt es in der Chronik: „Die Protokollbücher und die Fahne konnten bei Hausdurchsuchungen vor der SA gerettet werden.“ Nach dem Neubeginn der Demokratie im Jahr 1945 fand am 19. Mai im Lokal Rühe die erste Versammlung der SPD Achim nach zwölf Jahren statt.
Mit Willy Brandt besuchte im Juli 1961 der Regierende Bürgermeister von Berlin und Kanzlerkandidat der SPD die Stadt Achim. Fünf Jahre danach übernimmt der spätere und 38 Jahre lang amtierende Achimer Bürgermeister Christoph Rippich den Posten des SPD-Ortsvereinsvorsitzenden Karl Ravens – ihre Vorgänger waren Leopold Linger, Heinrich Ravens, Karl Arndt, Fritz Blom, Fritz Rübeck, Johann Reiners, Heinrich Lange und Helmut Bosenius. Die Achimer SPD musste nach der Gebietsreform im Jahr 1972 ihre Struktur neu ordnen, es erfolgte der Zusammenschluss der SPD-Ortsvereine Achim, Baden, Uesen und Uphusen zu neuen Ortsverein Achim.