Fischerhude. Eine Stimme und ein Klavier. Mehr braucht es mitunter nicht, um Menschen zu bewegen, zu berühren und die verschlossenen Schatullen der Sehnsüchte zu öffnen. Die Fischerhuder Sängerin Raphaelle Mellet hat gemeinsam mit dem Pianisten Terry Truck ihre erste CD aufgenommen. Ein Album, das unter die Haut geht und ganz auf die ungefilterte Intensität von Wort und Ton vertraut.
"Irgendwie Liebe" heißt diese CD, und um was soll es im weitesten Sinne auch sonst gehen, wenn sich eine Künstlerin dem Chanson verschrieben hat. Jener Gattung, die ihre intensivsten Momente in Frankreich erlebt hat, einem Land, in dem Raphaelle Mellet einen Teil ihrer Kindheit verbracht hat und das sie Mutterland nennt. Hinzu kommen in ihrem Sprachgebrauch das Vaterland Deutschland und das Stiefvaterland Österreich.
In diesem mitteleuropäischen Raum ist ihr Leben gewachsen, und aus diesen Ressourcen schöpft sie ihre Lieder, die sie sowohl in französischer und deutscher Sprache, als auch im Wiener Dialekt vorträgt. "Wer keine Wurzeln hat, soll fliegen", heißt es im Booklet zur sorgfältig ausgestatteten CD. Und gleichsam schwerelos hebt sich ihre Stimme über die Dinge des Lebens aus einer Stille heraus, die beinahe greifbar ist und die zum Wesen dieser Musik genauso viel beiträgt, wie das Hörbare. Raphaelle Mellet beherrscht dieses Spiel mit der Stille und dem Raum zwischen den Zeilen. Sie verzichtet auf die große Geste und nähert sich gerade deswegen mit bisweilen ätherischer Eindringlichkeit ihren Liedern. Nur so kann sie es sich erlauben ein bis zur Unhörbarkeit ausgereiztes Stück wie Lili Marlen auf die CD zu bringen. Tatsächlich erfährt dieses Lied in der Skelettierung auf die reine Melodie und den Verzicht auf jede schunkelnde Anbiederung, eine Rückbesinnung auf seine eigentliche Schönheit. Raphaelle Mellet singt unter anderem Klassiker des französischen Chansons ohne Exzentrik und pseudoexpressives Zutun. Gerade darin liegt die Glaubhaftigkeit ihrer Interpretationen, ihr Gefühl für die Artikulation von Leiden und Zerrissenheit. Und soviel gleichzeitiges Hoffen und Bangen im drohenden Verlust einer Liebe wie in Jaques Brels abschließendem "Ne me quitte pas" will auch erst mal so gesungen werden, wie Raphaelle Mellet es tut. Mitten hinein in alle Melancholie streut die Chanteuse aus Fischerhude dann Beispiele des berüchtigten österreichischen Humors. Aber auch den Hugo- Wiener-Liedern, wie etwa "Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn" begegnet sie nicht mit einer Übertreibung des Wiener Schmäh sondern mit feiner Ironie, die das Klischee nicht allzu sehr strapaziert und trotzdem liebevoll mit ihm spielt.
All das ist gebunden in das Flügelspiel des ausgezeichneten Terry Truck, der gerade so viel hinzufügt, wie nötig ist und der trotzdem eine eigenständige Begleitung entwickelt. Erschienen ist diese schöne CD auf dem weltwunder-label des Fischerhuders Jörg Gebauer.